Rattan bis Eisenware: Wiens ungewöhnlichste Geschäfte

(c) Die Presse (Eva Rauer)
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Katrin Hofmann hat in ihrem jüngsten Buch "111 Geschäfte in Wien, die man erlebt haben muss" eine Ode an Geschäfte mit Charakter geschrieben.

Eine Leidenschaft für das Einkaufen wird ja vielen Frauen nachgesagt. Katrin Hofmann kann eine solche nicht abstreiten. Allerdings ist bei ihr die Produktauswahl weiter gefasst, als es das Klischee erlaubt. So kann sie schon einmal für eine Nähschere mit händisch graviertem Blumenmuster schwärmen, für ein Gewehr, dessen Herstellung ganze sieben Jahre braucht, oder aber für eines der vielen kleinen Haushaltsprodukte, die man in einer Eisenhandlung findet.

„Für mich ist das eine Leidenschaft. Ich interessiere mich für diese Geschäfte, die nicht austauschbar sind, auf Handwerk und Qualität setzen und deren Produkte einen Charakter haben“, sagt die 33-jährige Oberösterreicherin, die seit 15 Jahren in Wien lebt und mittlerweile hauptberuflich mit der Organisation des Feschmarktes beschäftigt ist. Vor wenigen Tagen hat sie ein neues Buch herausgebracht, eines, das ihr eine besondere Herzensangelegenheit war: „111 Geschäfte in Wien, die man erlebt haben muss“.

Dabei hat sie jeweils zur Hälfte alte und neue Wiener Geschäfte porträtiert – auch, um die Kunden zu mischen. Darunter finden sich Klassiker wie Demel, Altmann & Kühne oder Mühlbauer, aber auch junge, neue Geschäfte wie die Modelabels Meshit und We Bandits sowie eher ungewöhnliche Geschäfte, die sich auf Nischenprodukte spezialisiert haben.

Für Hofmann war es nicht schwer, auf die vom Verlag vorgegebene Zahl 111 zu kommen, im Gegenteil. „Nach dem ersten Brainstorming hatte ich eine Liste mit 180 Geschäften. Es war dann eher schwierig auszusortieren.“ Geblieben ist zum Beispiel das Geschäft G. Dieroff Nachfolger in der Westbahnstraße, das sich auf Waren aus faserförmigen Werkstoffen wie Rattan, Bambus, Flechtmaterialien, aber auch Seile, Wolle und Zubehör bis hin zu Spinnrädern spezialisiert hat.

Zu dessen Kunden zählen neben Privatpersonen, die Seile für ihr Segelboot oder einen Flugdrachen benötigen, auch Tischler, Hundegeschirrhersteller, Taschendesigner, Modellbauer, die Bondage-Szene, aber auch das Österreichische Bundesheer, das spezielle Rattanstäbe für Kampfsportarten verwendet. Die Vorstellung vom verstaubten Image skurriler Geschäfte ist hier fehl am Platz. „Wir haben zwar eine alte Fassade, aber wir haben Produkte, die die Leute brauchen, um Dinge zu reparieren oder herzustellen. Das Geschäft geht gut“, sagt Mitarbeiter Georg Winner, der als studierter Holz- und Naturfasertechnologe in dieses Geschäft verliebt sei, wie er sagt.

Diese Leidenschaft hat Hofmann auch in manch anderem Geschäft beobachtet. „Die Geschichten dahinter faszinieren mich. Ich war bei Johann Springer's Erben, die ja Gewehre herstellen. Herr Springer hat mir erzählt, dass er bis zu sieben Jahre an einem Gewehr arbeitet. Das sind wahre Schätze.“ Und noch eine Geschichte fällt ihr ein: Bei der Silbermanufaktur Jarosinski & Vaugoin in der Zieglergasse habe sie die diversen Silberlöffel bewundert und ist auf einen kleinen Löffel gestoßen, der ihr zuerst als Salzlöffel vorgestellt wurde. „Der hatte aber so ein kleines Loch, also habe ich nachgefragt. Dann hat mir Herr Vaugoin erklärt, dass die Löffel einst ein russischer Zar bestellt hat in einer sehr hohen Auflage, als Kokslöffel. Die werden jetzt als Salzlöffel verwendet.“

Auch wenn so manches Geschäft um einen Nachfolger oder aber neue Kunden bangt, vom Aussterben scheinen sie generell nicht bedroht zu sein. „Es gibt schon einen Trend zurück, hin zu mehr Qualitätsbewusstsein und Dienstleistung“, sagt Hofmann, die sich selbst mittlerweile schwer damit tut, in einem Supermarkt oder einer internationalen Kette einzukaufen.

„Egal, wo ich so ein besonderes Geschäft sehe, ich kaufe dort ein, weil ich will, dass es überlebt.“ Und Auswahl gibt es offenbar genug, wie allein ein Blick in die Eisenhandlung Währing deutlich macht. An die 20.000 verschiedene Gegenstände gibt es hier zu kaufen. Ein Schild bringt deren Philosophie auf den Punkt: „Wir führen alles, was Sie brauchen. Was wir nicht führen, brauchen Sie nicht.“

ZUR PERSON

Katrin Hofmann wurde 1982 in Oberösterreich geboren. Sie war nach ihrem Studium der Internationalen Betriebswirtschaft an der Universität Wien als Exportleiterin im Weingut Stift Klosterneuburg tätig. Sie ist Initiatorin und Organisatorin des Feschmarkts. Soeben ist ihr Buch „111 Geschäfte in Wien, die man erlebt haben muss“ (Emons Verlag, 240 Seiten, 15,40 Euro) erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2015)

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