Mit einem Bein in Jugoslawien: Die Südsteirische Weinstraße ist 60

Hermann Schützenhöfer
Hermann Schützenhöfer(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer lud zum Empfang für die Steirer in Wien – und zum 60. Geburtstag des heutigen Tourismusmagneten.

Seht, wie heute die Fahnen wehen – der Landesvater ist hier, auch ich kann ihn sehen: Zehn Jahre war Erna Krenn alt, als sie auserkoren wurde, dieses Gedicht aufzusagen. Aufgeschrieben hat sie es nie – „aber ich hab es nicht vergessen“. Es war der Oktober 1955, als der damalige Landeshauptmann, Josef Krainer, den letzten Teilabschnitt der Südsteirischen Weinstraße eröffnete.

Heute ist Erna Krenn aus Ratsch knappe 70, und der Landeshauptmann heißt seit Kurzem Hermann Schützenhöfer. Am Dienstag lud er gemeinsam mit Steiermark Tourismus ins Palais Schönburg, um mit den in Wien lebenden Steirern das 60-Jahr-Jubiläum des heutigen Tourismusmagneten zu feiern. Wien sei nach Graz ja die zweitgrößte Stadt der Steiermark, meinte er dort – 100.000 Menschen sind in die Bundeshauptstadt gezogen.

Schützenhöfer selbst hatte sich noch als Tourismuslandesrat für die Veranstaltung angekündigt, ehe er sich nach der Wahl überraschend als neuer Landeschef wiederfand. Den Steirer-Abend eröffnete er – nach der Amokfahrt eines Mannes durch die Grazer Innenstadt am 20.Juni – nachdenklich. „Das Leben kennt Höhen und Tiefen, Freud und Leid“, sagte er. „Nach einer Woche der Trauer versuchen wir, wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen.“ Freud und Leid kennt man wohl auch an der Weinstraße. Eine bitterarme Gegend sei es einst gewesen, erinnerte Schützenhöfer. Der Ertrag aus den Landwirtschaften mit Acker, Hopfen, Obst und Wein war bis in die 1950er-Jahre bescheiden, Geld eine Mangelware, erinnert man sich. Eine „kleine Wirtschaft“ hatten ihre Eltern, schildert Erna Krenn. „Ein Stück Weingarten, ein bissl Acker, zwei Kühe.“

Erleichterung für die Bauern

Bis der Landeshauptmann kam und auf der Kästenburg das Band durchschnitt, um die neue Straße zu eröffnen. Touristische Ambitionen hegte damals freilich noch keiner. „Es waren rein wirtschaftliche Überlegungen, dieses Straßenprojekt zu realisieren, um die Arbeit der Bauern zu erleichtern, um ihre Waren und Güter bequemer zu transportieren“, heißt es bei der Weinstraße.

Mit dem Ausbau der Straße kamen die Gäste, die Region begann zu boomen, man investierte in neue Rebflächen und den Ausbau der Weinbaubetriebe. Naturgemäß über Jahrzehnte direkt am Eisernen Vorhang. Sie sei mit ihrem Bruder „immer zwischen Österreich und Jugoslawien hin- und hergehupft“, erinnerte sich Eva Herzig in einer Zuspielung, in der prominente Steirer von Lena Hoschek bis Johann Lafer ihre Liebe zur Weinstraße gestanden. Ernst Albrecht, langjähriger Ministerpräsident von Niedersachsen, sei einmal gleichsam mit Tränen in den Augen aus dem Auto ausgestiegen, so Schützenhöfer. „Er konnte sich nicht vorstellen, dass es eine Grenze gibt, die lebt.“

Heute ist die Gegend mit ihren hundert Weinbaubetrieben, 82 Buschenschanken und 2100 Betten manchen fast schon zu sehr belebt. Und ist gerade in Wien höchst beliebt. „Wenn ich sage, ich fahre ein paar Tage in die Südsteiermark“, sagt die Teil-Leibnitzer ZiB-Sprecherin Nadja Bernhard, die den Abend vor viel Prominenz moderierte, „dann reagieren die Wiener als würde ich sagen, ich fahr auf die Malediven.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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