Tanzen und denken im Steinbruch

Sebastian Prantl, Cecilia Li
Sebastian Prantl, Cecilia Li(c) Die Presse
  • Drucken

Choreograf Sebastian Prantl lädt zum interdisziplinären Nachdenken in den Skulpturenpark seines Vaters in St. Margarethen.

Durch das Glasdach des Tanzsaals in der Wiener Neustiftgasse fällt Licht, ein Ventilator dreht sich. Man sitzt auf Bastmatten, auf einem niedrigen Tischchen ist Wassermelone angerichtet. Auf Wunsch gesalzen, wie in Japan.

Im Tanz Atelier von Sebastian Prantl und seiner Frau Cecilia Li, einer Taiwanesin, treffen sich die Welten. Genau das soll auch passieren, wenn das Paar am Wochenende sein Sommerdomizil bezieht: Für eine Woche laden die beiden im Bildhauerhaus St. Margarethen beim Römersteinbruch zum CountryLab. Selbiges versteht sich als interdisziplinäres Forschungsseminar für Tänzer, aber auch für Vertreter ganz anderer Fachrichtungen, „bei denen es nicht um Tanz, sondern allgemein um Bewegung geht – und zwar von Körper und Geist.“

„Besonders im fortgeschrittenen Alter stellen sich Fragen der Lebensverbindung“, sagt Prantl, Choreograf und eines der Urgesteine der freien Tanzszene Österreichs. „Aber gerade Tanz ist wenig an intellektuelle Weiterbildung gekoppelt.“ Speziell in Österreich gebe es, im Vergleich zu anderen Ländern mit ihren Angeboten für Performance Studies, wenig Theorie. Und generell „zu wenig Kritik auf hohem Niveau, bei Unis, Forschung, Kunst.“

Zum mittlerweile siebenten Mal lädt er mit seiner Frau, einer Pianistin, nun dazu ein, einen Schritt weiter zu denken. Ursprünglich an der Donau-Universität Krems angesiedelt, zieht man nun zum viertenMal ins Burgenland. Freilich nicht ganz von ungefähr, hat doch Prantls Vater, der Bildhauer Karl Prantl, Ende der Fünfziger hier das Bildhauerhaus begründet. Über der Arbeit an einem Grenzstein im Römersteinbruch entdeckte er damals den Reiz der Arbeit im Freien; daraus wuchs die Idee eines Bildhauersymposions. Noch 1958 fand das erste statt und wurde zum Vorbild für Steinbildhauersymposien in aller Welt. Bis heute zieren die Kalksandsteinskulpturen von Künstlern aus Israel über Indien bis Japan den Hügel.

Aus Hong Kong oder New York kommen auch die Teilnehmer am CountryLab. Im Grün von St. Margarethen gibt es nun Vorträge (etwa von Pina-Bausch-Nachfolgerin Henrietta Horn), Tanzeinheiten und Stoff zum Nachdenken. Prantl will etwa „die Festivalstrukturen hinterfragen, die überall blühen. Wo bleiben da die Regenerationspunkte für den Künstler selbst?“ Sie seien, sagt Cecilia Li, „an einem Punkt angekommen, an dem man darüber nachdenken muss, wie man als Künstler zur Gesellschaft beitragen kann. Nicht nur Kunst als Kunst. Choreografie muss mit dem Leben zusammenhängen.“

Luxus der Freiheit

Gewohnt wird in Zelten oder Pensionen, nachgedacht (ohne Internetanschluss) beim Essen, beim Spazierengehen, beim Tanzen, am Lagerfeuer. „In unserer Zeit“, sagt Prantl, „ist es der größte Luxus, nicht alles zu fragmentieren und einzukasteln und zu sagen, das und das muss herauskommen.“

Daneben ist Prantl damit beschäftigt, das Bildhauerhaus wiederzubeleben. Nach dem Tod seines Vaters hat er den zugehörigen Verein übernommen und für Nichtbildhauer geöffnet. „Ich habe ihm geschworen, dass daraus keine VIP-Lounge für die Oper wird.“ Bei letzterer findet der Choreograf vor allem die Bühnenbilder zu „hollywoodesk“: Der Steinbruch allein wäre doch eindrucksvolle Kulisse. Gerade ist eine neue Homepage online gegangen, wurde der Park in einen Bildband spektakulärer Naturlandschaften und Skulpturenparks aufgenommen. Anfragen für Hochzeiten und Esoterikworkshops lehnt Prantl ab. Was genau in Zukunft werden soll, ist offen. Er setze, sagt Prantl, langsam Schritt für Schritt.

ZUR PERSON

Sebastian Prantl ist der Sohn des Bildhauers Karl Prantl. Er hat unter anderem in New York studiert und eröffnete 1988 das Tanz Atelier Wien. Von 5. bis 10. Juli lädt er zum CountryLab in St. Margarethen, um Bewegung mit anderen Feldern zu vernetzen. Teilnehmer verschiedenster Disziplinen (Religionslehrer, Architekten, Anthropologen, Psychologen etc.) sind willkommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.