Elizabeth T. Spira: Barfuß im Schneideraum

NEUE STAFFEL 'LIEBESG'SCHICHTEN UND HEIRATSSACHEN': ELIZABETH T. SPIRA
NEUE STAFFEL 'LIEBESG'SCHICHTEN UND HEIRATSSACHEN': ELIZABETH T. SPIRAAPA/ORF/MILENKO BADZIC
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Auch diesen Sommer verbringt Elizabeth T. Spira viel Zeit am Schneideplatz und feilt an den "Liebesg'schichten", die in die 19. Runde gehen. Ein Besuch.

Klein. Überraschend klein und zart ist sie. Der Gedanke kommt einem, wenn man Elizabeth T. Spira zum ersten Mal begegnet. Die zierliche Statur will nicht so recht zu ihrer kraftvollen und dunkel-rauchigen Stimme passen, die man aus dem Off ihrer Sendungen kennt. Barfuß und komplett in Schwarz gekleidet, eine bunte Brosche an der Brust, begrüßt sie einen in der geräumigen Wiener Altbauwohnung, in der sie ihre Sendungen schneidet. Und barfuß lässt sie sich zur Freude des Fotografen auch fotografieren. Nur als er für das Foto ein bauchiges Heurigen-Weinglas vor sie auf den Tisch stellen will, widerspricht sie. „Aus so einem Glas würde ich nie trinken.“ Dann lieber die rote Mokkatasse, aus der trinkt sie tatsächlich jeden Tag ihren Kaffee. Falsche Requisiten mag sie nicht. Auch nicht in ihren Sendungen.

Es sind die intensivsten Wochen des Jahres für Spira. Sie steckt mitten in der Arbeit zu ihrer Partnersuchshow „Liebesg'schichten und Heiratssachen“. Den 19. Sommer in Folge wird sie wieder im Schneideraum verbringen und an den zehn Sendungen arbeiten. Ob sie der Sendung, des Zirkus davor, der vielen Interviews schon überdrüssig ist? „Die Menschen langweilen mich überhaupt nicht. Nur die Zeitungen tun es manchmal, weil immer die gleichen Fragen gestellt werden.“ Die Arbeit an der Sendung dauert das ganze Jahr. Im Oktober macht Spira Urlaub, danach beginnen die Dreharbeiten für die neue Staffel. Mit ihren Mitarbeitern wählt Spira die Kandidaten aus. „Wir telefonieren mit ihnen und überprüfen, wie sie ticken. Wenn einer sagt, er will nicht über seine alten Lieben sprechen, dann versteh ich das völlig, ich würde das auch nicht wollen. Er ist dann nur leider unbrauchbar für unsere Sendung.“

In 18 Jahren hat Spira 875 Partnersuchende begleitet. 42 Hochzeiten, vier Kinder und einige Beziehungen sind entstanden. Als 1997 die erste Staffel auf Sendung ging, steckten Online-Partnerbörsen noch in den Kinderschuhen oder existierten gar nicht. „In den ersten Jahren war es ein bisschen igittigitt, dass Menschen vor der Kamera sagen, sie suchen einen Partner. Es war also schwierig, vornehmere, bürgerliche Kandidaten zu finden.“ Mittlerweile sei das kein Problem mehr. „Am Anfang hatten wir auch gar keine Homosexuellen. Erst nach drei, vier Jahren hat sich einer gemeldet – und plötzlich war es selbstverständlich.“ In Interviews sagt sie an dieser Stelle gern: „Ohne die Steiermark könnten wir zusperren“ – jetzt erklärt sie, wie sie das meint: „Eine Zeit lang haben sich unglaublich viele Homosexuelle aus Graz gemeldet. Das hat den Bann gebrochen.“ Anfragen kommen aus jedem Bundesland, „nur aus Vorarlberg und dem Burgenland meldet sich fast niemand, aus Tirol kommt auch nicht viel.“

Langer Atem

Elizabeth T. Spira, die als Kind jüdischer Emigranten im schottischen Glasgow zur Welt und später nach Wien kam, hat eine Neigung zu Konstanz. Privat ist sie seit 35 Jahren mit dem früheren Burgschauspieler Hermann Schmid verheiratet, und auch beruflich beweist sie mit den „Liebesg'schichten“ schon zum zweiten Mal einen sehr langen Atem bei einem Projekt. Ihre Reportagereihe „Alltagsgeschichte“ lief über 20 Jahre im ORF, 2006 war dann Schluss. Vermisst sie die Sendung? „Ja, aber mittlerweile bin ich 72“, sagt sie, „das Sozialreportagen-Alter habe ich nicht mehr. Bis drei Uhr nachts in verrauchten Lokalen sitzen und schauen, was die Leute erzählen, das ist vorbei.“ Dabei entstand genau so, beim Reden mit den Protagonisten aus den „Alltagsgeschichten“ vor bald zwanzig Jahren, die Idee für die „Liebesg'schichten“. „Bei den vielen Gesprächen mit einsamen Herren, die sich bei mir um Mitternacht ausgeweint haben, dass ihre Frau davongelaufen ist. Da dachte ich, einsame Männer, das wäre doch eigentlich eine Idee für eine Sendung.“ Wolfgang Lorenz, damals ORF-Kulturchef, wollte gleich eine neue Reihe dazu – heute und seit Jahren hat die Spitzenquoten von bis zu einer Million Zuseher.

Die Motive, in der Sendung mitzumachen, seien vielfältig, erzählt Spira. Manche Menschen seien zu faul, sich selbst einen Partner zu suchen. Andere eitel und neugierig, wie viel Resonanz sie bekommen. Und manche wollen sich einfach einen Spaß daraus machen. Zuschriften bekommt übrigens so gut wie jeder Kandidat. Bei manchen sind es nur vier, fünf Briefe oder Telefonate. Bei anderen bis zu 700 oder 800. „Man kann überhaupt nicht sagen, was besser ist. Manche werden fast verrückt, wenn sie so viel Post bekommen.“ Das sei ein bisschen wie mit einem Lottogewinn. „Manche werden völlig depressiv zum Schluss.“

Spira nennt sich selbst „eine Geschichtensammlerin“. Warum ihr die Menschen so bereitwillig aus ihrem Leben erzählen, weiß sie nicht und sagt dann mit einem frechen Grinser: „Und wenn ich es wüsste, würde ich es nicht sagen.“ Sie selbst sehe kaum fern. Warum sagen das Fernsehmenschen so oft? „Weil sie nicht darüber reden wollen“, gibt sie zu. „Ich weiß genau, dass man mich vorführen, mir ein Urteil über andere entlocken will. Ich will Kollegen aber nicht in der Öffentlichkeit kritisieren. Also, wenn man mich fragt, dann sage ich, oh, die Sendung kenne ich leider nicht.“ Am Ende des Gesprächs fragt sie: „Das war's?“ und zischt wieder an den Schneideplatz.

Steckbrief

Elizabeth T. Spira,
wurde 1942 als Tochter österreichisch-jüdischer Emigranten im schottischen Glasgow geboren. 1946 zog die Familie nach Wien, wo Spira die Volksschule und das Gymnasium Stubenbastei besuchte, später Publizistik studierte. 1972 begann sie ihre journalistische Laufbahn bei „Profil“. 1973 wechselte sie zum ORF. Von 1985 bis 2006 lief die Dokumentarfilmreihe „Alltagsgeschichte“.

Die Sendung

»Liebesg'schichten und Heiratssachen«. Die Sendung geht heute, Montag, in ihre 19. Saison. Seit 1997 hilft Spira Singles jeden Sommer bei der Partnersuche. Die Sendung hatte in den vergangenen Jahren regelmäßig bis zu einer Million Zuseher. Sendetermin: Ab
6. Juli montags um 20.15 Uhr auf ORF2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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