Grüßen, Händeschütteln und Zeitkritik im Festspielbezirk

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Zwei Staatspräsidenten und mehrere Regierungsmitglieder waren bei der Eröffnung. Festredner Safranski plädierte für "Revolution des Zeitregimes".

So früh stehen Festspielbesucher selten auf: Um sechs Uhr begann am Sonntag das erste Konzert in der Kollegienkirche. Die für viele ungewohnte Begegnung mit hinduistischer Musik brachte auch ungewohnte Beginnzeiten – die Festspiele hatten am Tag ihrer Eröffnung zu Ragas, einer musikalischen Morgenmeditation, geladen. In der Pause wurde gegen die morgendliche Kühle zum Aufwärmen Chai in Pappbechern gereicht.

Nach dem Konzert blieb gerade genügend Zeit, um zu frühstücken und dann zum Festakt, dem offiziellen Start des Festivals, in die Felsenreitschule zu wechseln. Die Prominenz angeführt, von Bundespräsident Heinz Fischer mit seiner Frau Margit und seinem Staatsgast, dem rumänischen Präsidentenpaar Klaus und Carmen Johannis, spazierte nach dem Empfang mit militärischen Ehren ganz entspannt in die Felsenreitschule. Es war ein Grüßen, Winken und Händeschütteln.

Demo gegen Bettelverbot

Die Schaulustigen am Rande des roten Teppichs gehören ebenso zur Festspieleröffnung wie die obligate Demonstration von Tierschützern vor der Aula der Universität. Heuer hatte sich auch am Karajanplatz eine Handvoll Aktivisten versammelt. Sie wandten sich gegen das sektorale Bettelverbot, das die Stadt kürzlich erlassen hat. Just als sich ein junger Redner gegen die Hartherzigkeit im Umgang mit den Armen stark aussprach, stieg ein Porschefahrer an der Kreuzung aufs Gas und ließ seinen Motor aufheulen...

Über die Zeit, dieses „sonderbar Ding“, wie die Marschallin im „Rosenkavalier“ sagt, sprach der deutsche Philosoph Rüdiger Safranski in seiner Festrede. „Sobald wir wie die Marschallin auf die Zeit achten, merken wir, wie diese gegenwärtig erlebte Wirklichkeit sich unablässig in die Vergangenheit auflöst und verschwindet“, sagte er. Niemand habe die Zeit in der Hand, doch heute sei das Regime der allgegenwärtigen Uhr revolutionsbedürftig. So plädiert Safranski für eine neue „Vergesellschaftlichung und Bewirtschaftung der Zeit“ und gegen die „Beschleunigungsökonomie“, zu der die „Wegwerfökonomie“ gehöre.

Safranski: Kritik an Finanzsektor

So sei der Umgang mit der Zeit ein Politikum. Genauso sei es „eine politische Machtfrage, ob es der Finanzwirtschaft weiterhin erlaubt bleiben soll, mit der Zukunft so gemeingefährlich zu spekulieren, wie sie das bisher getan hat und noch tut“. Man könne sicher sein, dass „uns die in Bad Banks ausgelagerten kontaminierten Finanzprodukte wie der Atommüll noch große Schwierigkeiten bereiten werden“.

Safranskis Rede war dann auch beim Mittagsempfang in der Salzburger Residenz Thema. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner war ebenso dabei wie Kulturminister Josef Ostermayer, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, der künstlerische Leiter des Festivals, Sven-Eric Bechtolf, und der rumänische Autor Mircea Cartarescu, der heute mit dem Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur ausgezeichnet wird (siehe Seite 21).

Viele Gäste des Festaktes hatten sich schon am Abend zuvor im Schloss Leopoldskron getroffen. Die International Salzburg Association (ISA) hatte zu ihrer traditionellen Gala, die als Auftakt des Salzburger Partysommers gilt, geladen. Die ISA ist ein konservatives Netzwerk von Freunden und Förderern Salzburgs. Mit den Präsidentenpaaren Fischer und Johannis war die Gala dieses Mal recht hochkarätig besetzt. Zum ersten Mal dabei waren Finanzminister Hans-Jörg Schelling und die bayerische Europaministerin Beate Merk. ISA-Präsident Landeshauptmann Wilfried Haslauer konnte viele Stammgäste begrüßen: Renate Thyssen und ihre Tochter Gabriele Prinzessin zu Leiningen, die auch ihren Sohn Prinz Ali Aga Khan mitgebracht hatte. Sunnyi Melles kam mit ihrem Mann Peter Sayn-Wittgenstein-Sayn und ihrer Schwiegermutter Marianne Sayn-Wittgenstein-Sayn. Wolfgang Porsche, Hubert Palfinger, Helga und Ernst Kellerhals, Waltraud und Josef Wöhrer und Maria-Elisabeth Schaeffler vertraten die Wirtschaft.

Jazz statt Arien

Für Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und den künftigen Intendanten Markus Hinterhäuser war die ISA-Gala ebenfalls ein Pflichttermin – auch wenn es zur Eröffnung dieses Mal keine Arie, sondern Jazz gab: Sabina Hank sorgte für die musikalische Untermalung des Abends. Nach dem Mittagessen in der Residenz blieb vielen Gästen am Sonntag nur eine kurze Pause: Es standen noch der vorabendliche Empfang der Salzburger Industriellenvereinigung und die Premiere von „Die Eroberung von Mexiko“ auf dem Programm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2015)

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