Amir Shariat: "An Wien denkt einfach keiner"

Kunstsammler und Berater Amir Shariat zeigt in einer leeren Wohnung im Hochhaus Herrengasse rumänische Kunst.
Kunstsammler und Berater Amir Shariat zeigt in einer leeren Wohnung im Hochhaus Herrengasse rumänische Kunst.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Viennacontemporary dient Sammlern wie Amir Shariat als Anlass, internationale Kollegen einzuladen. Diese seien von Wien meist positiv überrascht.

Auch Kunstsammler sind nur Menschen. Und mögen es, wenn es warm ist und die Sonne scheint. Das Wetter sei unglaublich, zitiert Amir Shariat einen seiner internationalen Besucher, Wien viel weniger kalt als gedacht.

Die Sonne fällt an diesem Vormittag auch auf den ausgeblichenen Parkettboden einer leer stehenden Wohnung im Hochhaus Herrengasse. An die vergilbten Wände, an denen noch die Umrisse längst abgenommener Bilder zu sehen sind, lässt er Werke von grau schattierter Geometrie hängen: Eine Schau rumänischer Kunst der Sechziger- und Siebzigerjahre, die er anlässlich der Viennacontemporary mit Katarzyna Uszynska vom "Neuen Kunstverein Wien" organisiert  – und zu der er Gäste von weit her eingeladen hat.

Amir Shariat ist eine umtriebige Figur in der internationalen Kunstwelt. Privat Sammler, ansonsten, wie er sagt, „Händler und Berater“, immer öfter auch Kurator. Und wohl das, was Christina Steinbrecher-Pfandt im Kopf hat, wenn sie von ihrem Wunsch spricht, lokale Sammler mit ausländischen zu vernetzen. „International ist es sehr wichtig, von lokalen Sammlern eingeladen zu werden“, sagt die künstlerische Leiterin der bisher unter Viennafair firmierenden Kunstmesse Viennacontemporary: „Das macht den Platz stark.“

Shariat, im Iran geboren, in Wien als Sohn eines Verlegers und späteren Kunsthändlers aufgewachsen, ist nach 20 Jahren in London selbst erst seit Jänner des Vorjahrs wieder im Land und „begeistert“. Das Problem, sagt er, „ist, dass international gesehen New York und London die großen Kunstmärkte sind, dazu Berlin und Paris. An Wien denkt einfach keiner.“

Er selbst habe im Vorjahr sechs, sieben Sammlerpaare aus London, New York, San Francisco und Venedig eingeladen, heuer folgen andere aus England, Spanien, Frankreich und Italien. Hätte man die Leute erst einmal hier, seien sie angetan. „Erst gestern Abend hat mir eine Freundin aus London erklärt, sie möchte nach Wien ziehen. Dabei ist sie erst seit ein paar Tagen hier.“ Immer wieder, sagt er, ließen sich wichtige internationale Galeristen von ihm einen Tag lang durch die Stadt führen. „Ich zeige ihnen dann die wichtigsten Ausstellungen, ein paar Galerien, ein Atelier.“ Dazu ein Mittagessen auf dem Naschmarkt – „das ist Gold wert“. Und ob der kompakten Strecken viel leichter als anderswo möglich. Angesichts der „Explosion an Kunstmessen“ habe Wien mit Kunst aus Österreich und dem osteuropäischen Raum eine gute Nische gefunden. „Diese Kunst kriegt man sonst nicht zu sehen. Und Wien hat eine Verbindung zu diesen Ländern, hier ist es glaubwürdig.“

Official Hangout am Karlsplatz

Sein erstes Bild hatte Shariat einst mit 14 gekauft. Einen Waldmüller, den er mit 18 wieder hergab, um in Ruhe studieren zu können – „ein Fehler, ich könnte ihn nicht wieder kaufen“. Nach dem Abschluss an der WU wurde er Private-Equity-Banker in London. Der Übergang von der Finanz zur Kunst verlief fließend (und offenbar nicht immer klar getrennt: Mit einem einst befreundeten prominenten Sammlerpaar einigte er sich kürzlich erst vor Gericht).

Als Official hangout place für die Kunstsammler fungiert übrigens das Heuer am Karlsplatz. Sammler legen dort für Sammler auf. Auch hier ist Shariat aktiv. Immerhin, erinnert er sich, war er in den Neunzigerjahren in Wien unter dem Künstlernamen Sheikh Amir Khan einst als Rapper unterwegs.

AUF EINEN BLICK

Viennacontemporary. Neuer Name, neue Location: Nach Terminstreitigkeiten mit dem Messeveranstalter Reed ist die einstige Kunstmesse Viennafair (in der Messe Wien) mit gleichem Team als Viennacontemporary (in der Marx Halle) wieder da. (Die Viennafair findet mit neuem Ausrichter von 8. bis 11.Oktober statt). Die Viennacontemporary wurde gestern Abend eröffnet; bis Sonntag zeigen 99 Galerien aus 25 Ländern zeitgenössische Kunst. Ein Fokus gilt Bulgarien, neu ist das Format „Cinema“. Erwartet werden rund 25.000 Besucher und, dank VIP-Programm, 20 Prozent mehr ausländische Gäste. www.viennacontemporary.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2015)

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