Jakob Kirchmayr: Zum Lachen und zum Weinen

Jakob Kirchmayr.
Jakob Kirchmayr. Ingo Petramer
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Jakob Kirchmayr zeigt witzige Zeichnungen zu Charles Bukowski – und verstörende Bilder zu Folter und Krieg. Noch bis Donnerstag im Loft 8.

Drei Frauen, ihre Gesichter eingefallen, die Augen gesenkt, im Hintergrund das Betongerüst eines zerbombten Wohnblocks. In Händen halten die Frauen weiße Bündel – tote Kinder. „Sunset in Kobane“ heißt das großformatige Triptychon, das die Ausstellung von Jakob Kirchmayr im Loft 8 dominiert.

Einen knappen Monat vor Eröffnung seiner Ausstellung im Kulturareal in der ehemaligen Ankerbrotfabrik kam ihm die Idee zum Bild. „Eigentlich war klar, dass ich das gar nicht rechtzeitig schaffen kann.“ Fünf Stunden vor Beginn der Vernissage war die gespenstische Szenerie aus dem syrischen Grenzort fertig. Gern, sagt Kirchmayr, würde er das Bild im öffentlichen Raum ausstellen. „Bei uns versteht man ja ganz oft nicht, warum die Menschen weggehen von dort, wo sie geboren wurden.“ Er selbst hat zu Kobane ein bisschen im Internet recherchiert. „Dort gibt es nichts mehr. Kein Wasser, keine Lebensmittel, keine Infrastruktur, keine Menschen.“

Er sei ein großer Fan der Aphorismen von Georg Christoph Lichtenberg, sagt der in Tirol geborene, in Wien lebende Künstler. „Es tun mir viele Sachen weh, die anderen nur leid tun“, hat Lichtenberg geschrieben. „So“, sagt Kirchmayr, „geht's mir auch.“

Gesichtslose Figuren, Schädel, die ausgezehrt oder schon tot wirken, und denen das Leid trotzdem anzusehen ist, ziehen sich durch Kirchmayrs Arbeiten. Nicht alle Bilder sind dabei so aktuell politisch wie das über Kobane. Oder wie jenes, das auf einem Amnesty-International-Bericht basiert – über den Export von chinesischen Folterinstrumenten für den asiatischen und afrikanischen Markt. „Es gibt Menschen, die bauen Gerätschaften nur für diesen einen Zweck.“ Es falle ihm schwer, sich die Nachrichten anzuschauen. „Solche Bilder sind für mich eine Form der Bewältigung.“

Es gibt Menschen, die haben Kirchmayrs Bilder mit ihrer stillen Wucht schon zum Weinen gebracht. „Sie hatten wohl ihre eigene Geschichte dazu“, glaubt Kirchmayr, und ja, er finde das durchaus schön: Wenn das Bild etwas mit seinem Betrachter macht.

Als eine Art Comic relief dürften da jene (kleineren) Bilder fungieren, die im seitlichen Teil der Galerie hängen: Eine Reihe kleinformatiger Zeichnungen ist (im Bild stets enthaltenen) Gedichten des Schriftstellers Charles Bukowski gewidmet. Den, sagt Kirchmayr, möge er „speziell gerne, weil viele seiner Gedichte sehr komisch sind“. Da müsse er „oft laut lachen“, und das ist nicht nur so dahingesagt.

Kirchmayr muss wirklich lachen, wenn er an seinen eigenen Bildern vorbeigeht und einen alten Kerl (Bukowski?) auf einem Stuhl hängen sieht, eine Zigarette zwischen den Fingern, die Finger leuchtend gelb in der Schwarz-Weiß-Zeichnung. Oder an den „Little Old Men“, von denen einer gar nicht so little ist, und dem der Bauch in Lappen, die wie Brüste aussehen, über die Hose hängt, heraus aus dem rosa geblümten Hemd. Acht oder neun Bilder hat er bisher zum großen amerikanischen „Dirty Old Man“ gezeichnet. 20 oder 30 sollen es eines Tages sein. „Weil es Spaß macht, und weil sie etwas ganz Unprätentiöses haben.“

Wurzeln im Kinderbuch

Seine „für Wien ungewohnt figurativen“ Bilder hätten oft etwas Erzählerisches, sagt er selbst, auch wenn er viel Interpretationsspielraum offenlässt. Er zeichne immer sofort aufs Blatt. Es dauert, bis er seine Linie findet, so bleibt sein Stil charakteristisch skizzenhaft, spontan. Im Erzählerischen liegen auch Kirchmayrs Wurzeln – als Zeichner von Büchern. Sagen aus verschiedenen Bundesländern hat er als Zeichner illustriert, oder Bilderbücher wie „Maulwurfs Weltreise“ oder „Zaubermaus und Marzipan“. Zwei Kinder hat Kirchmayr selbst. Denn grundsätzlich sei er ja ein lebensbejahender Mensch. „Das muss man schon aus Selbstschutz bleiben.“

Zur Person

Jakob Kirchmayr wurde 1975 geboren und wuchs in einem künstlerischen Haushalt im Tiroler Natters auf. Er hat in Innsbruck die HTL für Malerei und Grafik absolviert, dann in Wien an der Kunstakademie studiert. Sein Fach: Restaurierung. „Ich hatte nie vor, Künstler zu werden.“ Doch das Kreative fehlte ihm, er begann, mit der Restaurierung sein Zeichnen zu finanzieren. Er arbeitet mit Tusche, Farbstift und Acrylfarben auf Büttenpapier. Kirchmayr lebt in Wien. Die gesellschaftskritische Schau „It's So Human“ ist noch bis 26. November im Loft 8 zu sehen.

www.jakobkirchmayr.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2015)

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