Nikolaj Efendi: Rotwein und vegane Butter

Nikolaj Efendi singt neuerdings auf Englisch – heute Abend im Wiener Rhiz.
Nikolaj Efendi singt neuerdings auf Englisch – heute Abend im Wiener Rhiz.(c) Clemens Fabry
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Vom Balkan-Punk zur leisen Nachdenklichkeit: Nikolaj Efendi über Künstlernamen, Zukunftsangst und seine Kindheit als Kärntner Slowene.

Die Sache mit dem Rotwein, sagt Nikolaj Efendi, sei ja die: „Dass es diesen Moment gibt, in dem du glaubst, dass du irrsinnig g'scheit wirst. Es ist ein Moment, der dich eigentlich betrügt und eine Farce ist, weil er ein falsches Selbstbewusstsein und falsche Erkenntnisse nahelegt.“

„The Red Wine Conspiracy“ ist folgerichtig der Titel seines ersten Soloalbums, Name seiner Begleitband und Motto der zugrunde liegenden Attitude. Efendi, das ist natürlich ein Künstlername. Einer, den der Sänger schon seit ein paar Jahren „mitschleppt“. Entstanden ist er in seiner „sehr politischen“ ersten Band, Roy de Roy, die sich als Wiener Balkan-Punk-Truppe mit Hang zu einem gewissen Anarchismus („kein Chaos, aber wir finden hierarchische Konstrukte überbewertet“) auch international als Liveband einen Namen gemacht hat. Das osmanische Efendi hat er zum ersten Mal auf einer Türklinke in Sarajevo gelesen, wo er für sein Slawistikdiplom über Jugo-Nostalgie recherchiert hat „Mir hat es gefallen, in einer anarchistischen Band zu spielen und einen hierarchischen Namen zu haben. Efendi heißt ja: Mein Herr.“

Künstlernamen haben alle bei Roy de Roy: „Weil wir eine slowenische politische Band sind, sind Freunde von uns auf der rechtsextremen Alpen-Donau-Info-Seite mit Namen und Adresse geoutet worden. Es war uns von Anfang an wichtig, einen gewissen Selbstschutz zu haben, mit diesen Namen einen Ort zu haben, wo man sich ausdrücken kann, wie man möchte, ohne Angst zu haben, dass man zu Hause von Skinheads überfallen wird.“

Täglicher Spießrutenlauf

Die Karl-May-Assoziationen mancher zu Efendi teilt er nicht. Er sei, erzählt der 29-Jährige, der sich früh aus Holzstücken seine erste Gitarre gebaut hat, mangels guter, slowenischsprachiger Kinderbücher vor allem mit blutrünstiger griechischer Mythologie aufgewachsen. „Meine Schwester hat sich tierisch gelangweilt. Aber es waren gute Gutenachtgeschichten.“ Später kam er ins slowenische Gymnasium in Klagenfurt – rückblickend ein Privileg: „Die meisten Kärntner Slowenen gehen in diese Schule. Es schafft eine informierte Minderheit, die ein großes Interesse daran hat, slowenische Kultur zu tragen.“ Wobei, mit Kultur meine er eigentlich Sprache. „Trachten oder so einen Schmarrn haben kein Gewicht.“

Im Kärnten der Neunzigerjahre aufzuwachsen sei trotzdem „verdammt schwer“ gewesen, der Weg vorbei an den Schülern der Nachbarschule ein täglicher Spießrutenlauf, jedes Fußballspiel eine „Konfrontation, wenn dir als Acht- oder Zehnjährigem gesagt wird: Geh zruck über die Grenz'. Du verstehst es nicht, du kommst ja nicht von dort.“

Auf das Land zog seine Familie, weil die Vermieterin sie hinausgeekelt hatte. Die neuen Nachbarskinder bewarfen das Haus mit Schneebällen. „Mir ist erst als Jugendlichem klar geworden, worum es geht. Als Kind hab' ich gedacht, es liegt an mir. Oder daran, dass meine Eltern etwas Schlimmes gemacht haben, es mir aber nicht sagen.“ Seine Kindheit sei von Angst geprägt gewesen, seine Jugend von Abneigung. „Erst jetzt in Wien ist es Aufarbeitung.“

Auf Tour mit Roy de Roy wäre es jedenfalls gewesen, dass ihm das Leben plötzlich erschreckend laut vorkam. Er begann, Lieder über Themen zu schreiben, die in der Punk-Band schwer Platz hatten: Zweifel und Polizeirepression, Trennungen, Tod. Dann wurde man in Lissabon falsch gebucht – für einen Jazzclub. „Da haben wir keine andere Wahl gehabt, als leise zu spielen. Ich hab' das sehr genossen und gemerkt, dass ich mich mit aufmerksamem, sitzenden Publikum sehr wohl fühle.“

Ein bissl erschrocken sei er schon, sagt Efendi, wie persönlich das Album geworden ist. Andererseits interessiere er sich ja auch bei anderen nicht für Small Talk, „sondern für die Ecken und Kanten, den Schmerz. Warum also nicht bei mir anfangen?“ Das Lied „When art can't feed your mouth“ erzählt vom vierten Monat Brot und veganer Butter in Folge, in dem er nach dem Auftritt trotzdem „weiß, was ich da tu'. Niemand wird im goldenen Palast gute Kunst machen können. Kunst braucht ein bissl das Prekariat. Zukunftsangst ist der perfekte Nährboden.“

In „Partizan“ geht es um seinen Urgroßvater, der verhaftet wurde, als seine Söhne zu den Partisanen gegangen sind. Sein Hof wurde abgebrannt, die Familie deportiert. Am letzten Kriegstag wurde er in Stein erschossen. Nun, 70 Jahre später, sei ein gutes Datum, um seine Geschichte zu erzählen. „Es ist eine Hommage an die Aufopferung.“

Zur Person

Nikolaj Efendi wurde 1986 in Klagenfurt geboren. Er hat in Wien Slawistik und internationale Entwicklung studiert und ist Sänger der Punk-Band Roy de Roy, deren slowenischsprachige, durchaus tanzbare Musik den Zeitgeist getroffen hat. Auf seinem ersten Soloalbum „The Red Wine Conspiracy“ klingt Efendi nun ruhiger, nachdenklicher – und singt auf Englisch. Termin: Heute, 26. November, singt Nikolaj Efendi beim Clara Blume Singer Songwriter Circus im Rhiz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2015)

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