Der Fall des "Gurus" Bikram

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Mobbing, sexuelle Belästigung: Nach jahrelangen Vorwürfen wurde Bikram Choudhury verurteilt. Der Hype um Bikram Yoga ist (auch) deswegen vorbei.

Er tritt vorzugsweise in knappen Badenhosen oder glänzenden Anzügen auf – und in ersteren posiert er auf Fotos auch gern wie ein Bodybuilder. Er spricht (oder sprach, dazu aber später) gern von seinem Reichtum, unter anderem von den vierzig Luxusautos, die er seinem Yoga-Imperium verdankt, und von seinem prunkvollen Leben in Beverly Hills. Dem Bild vom indischen Yogi, wie man es im Westen pflegt, entspricht das alles nicht. Dennoch, mit seinem Bikram Yoga hat Bikram Choudhury einen Hype ausgelöst: 90 Minuten in einem heißen, dampfend-stickigen Raum, knapp 40 Grad heiß, 26 Körperstellungen, sogenannte Asanas, die exakt nach seinen Vorgaben geübt werden.

Mit dieser Idee, geschicktem Marketing und strengem Franchisesystem ist Choudhury zu einem der berühmtesten Yogis unserer Zeit geworden. Nun aber scheint der Hype vorbei. Der Fall des Bikram Choudhury hat vor wenigen Tagen einen neuen Tiefpunkt erreicht: Er wurde in Los Angeles zu einer Millionenstrafe verurteilt. Das Gericht gab der Anwältin Minakshi Jafa-Bodden Recht, die für Choudhury gearbeitet hatte. Im Prozess nannte sie ihn ein „sehr gefährliches Raubtier“. Choudhury soll sie gemobbt und belästigt und ihr gekündigt haben, nachdem sie sich für Frauen, die Choudhury Missbrauch vorwarfen, eingesetzt hatte. Unter anderem soll sie dem Vorwurf nachgegangen sein, er habe eine Praktikantin vergewaltigt. Nun muss Choudhury laut Urteil knapp sechs Millionen Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz zahlen. Und schon am Tag davor wurde er zu einer Entschädigungszahlung von knapp einer Million Euro verurteilt.


Sein Dementi? »Habe ich nicht nötig.«
Es ist nicht das einzige Gerichtsverfahren gegen ihn: Sechs weitere Frauen haben den gebürtigen Inder in den USA wegen sexueller Belästigung verklagt, fünf davon werfen ihm Vergewaltigung vor. Der 69-Jährige dementiert solche Vorwürfe stets. Zuletzt vor Gericht unter anderem mit der Aussage, „das habe ich nicht nötig“. Schließlich ist der Yogalehrer einst als „American Yogi“, als Lehrer der Stars in Hollywood bekannt geworden.

Choudhury hat schon als Teenager indische Yoga-Meisterschaften gewonnen, emigrierte in den 1970er-Jahren in die USA und baute dort Studios auf, in denen seine Methode der Praxis in erhitzten Räumen unterrichtet wurde. Seit den 1990er-Jahren bietet er neunwöchige Kurse an, in denen er Bikram-Yogalehrer ausbildet. Vor gut zehn Jahren ist der Hype um die „Hot Rooms“ in Wien angekommen, als das erste Bikram-Studio in der Lugner City eröffnet wurde. Mittlerweile praktiziert man hierzulande in sechs offiziellen Bikram-Studios (und in einigen inoffiziellen mehr).

International, besonders in den USA, streichen aber immer mehr das „Bikram“ aus ihrem Namen, lösen die Franchisepartnerschaft mit dem Unternehmen. Obwohl sich Choudhury diesen Namen teuer mit eigenem Teacher Training, Seminargebühren und Lizenzabgaben bezahlen hat lassen. Auch „seiner“ Abfolge aus traditionellen Asanas, die schon lange vor Bikrams Zeiten so praktiziert wurde, wollte Bikram einen Copyright-Stempel aufdrücken. Ein weiterer Punkt, mit dem sich Choudhury jede Menge Kritik – und den Beinamen „McDonald's des Yoga“ – eingehandelt hat.

Schließlich ist Yoga ein Teil der alten indischen Philosophie, die der Tradition nach nicht als westliche Marke zu Geld gemacht werden soll. Und schließlich entschied auch die US-Copyright-Behörde, dass niemand eine Asana-Abfolge für sich beanspruchen könne. Auch die schweißtreibende Praxis an sich ist nicht unumstritten, Kritiker sehen es vor allem als Problem, dass der Körper durch das starke Schwitzen zu viele Mineralien verliere und dehydriere, oder dass Muskeln und Sehnen – durch die Wärme natürlich flexibler – überdehnt würden.

Trotzdem hat diese Art der Praxis hierzulande nach wie vor zahlreiche Anhänger. Tammy Goswami Rauch vom Bikram-Yoga-Studio Schottenring berichtet von der heilenden Wirkung der Hitze. Die Anschuldigungen gegenüber Bikram Choudhury beträfen sie eher wenig: „Wir unterrichten sein Yoga. Ich glaube an die Methode, ich sehe an den Schülern, wie effektiv es ist. Bikram Choudhurys private Themen haben damit für mich nichts zu tun. Auch in der persönlichen Beziehung zu ihm als Lehrer war so etwas nie Thema.“ Erst vorigen September war Choudhury auf Einladung ihres Studios in Wien und hat in einem Hotel eines seiner eintägigen Events (Tagespreis: 225 Euro) abgehalten. Ihre Schüler, sagt Tammy Goswami Rauch, würden wegen Bikrams Yoga kommen. Die Missbrauchsvorwürfe seien nie Thema.

Aber auch in Wien hat schon ein Bikram-Studio die Partnerschaft gelöst, verzichtet auf den Namen. Goswami Rauch sagt, das liege eher an den Franchiseregeln. In offiziellen Bikram-Studios darf nur streng nach den Vorgaben des Erfinders geübt werden. Der Yoga-Boom in Wien und die Vielzahl neuer Studios führten aber dazu, dass bisherige Bikram-Schulen mehrere Stile anbieten wollen, damit sie konkurrenzfähig bleiben. Die Stunden in erhitzten Räumen heißen dann „Hot Yoga“.


Der große Prunk war einmal. International geht der Trend ohnehin schon länger eher weg von Bikram. Das „Yoga Journal“ hat bereits 2013 in Anspielung auf die Missbrauchsvorwürfe die Frage gestellt: „Wird Bikram Yoga überleben?“ Glaubt man dem „Guru“, lautet die Antwort wohl eher Nein. Schließlich würden die Geschäfte so schlecht laufen, dass er fast mittellos und auf geborgtes Geld angewiesen sei, argumentierte Choudhury jüngst vor Gericht, warum er die Millionenstrafe nicht zahlen könne. Das Gericht blieb beim angesetzten Strafmaß.

Skandal-Yogi

Bikram Choudhury hat von Los Angeles aus ein internationales Yoga-Imperium aufgebaut. Für Kritik sorgen nicht nur die von ihm „erfundene“ Yoga-Asana-Praxis samt Franchisesystem, sondern vor allem Missbruchsvorwürfe, die es seit Jahren gibt. Nun wurde Choudhury verurteilt – und immer mehr Studios wenden sich von seinem Bikram Yoga ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

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