Die Vergänglichkeit der eiskalten Schönheit

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Martin Hellweger macht aus einem Haufen Schnee beeindruckende Skulpturen.

Martin Hellweger blickt besorgt in den Himmel. Die dunklen Wolken könnten Schnee bringen, möglicherweise aber auch Regen. „Regen und Föhn wären jetzt verheerend“, sagt der 29-Jährige. Nicht, weil er sich auf eine Woche Skifahren gefreut hat, wie die vielen Familien aus Ostösterreich, die für die Semesterferien ins Gasteinertal nach Salzburg gekommen sind. Sondern weil warmes Wetter seine Arbeit von mehr als einer Woche zunichtemachen würde.

Martin Hellweger ist Bildhauer. Normalerweise schlägt er seine Skulpturen aus Holz und Stein. Weil er aber in Tirol lebt, ist auch Schnee für ihn natürliches Arbeitsmaterial (er lebt recht schneesicher in Pettneu am Arlberg). Was dabei herauskommt, kann man derzeit beim Kunstfestival Art on Snow in Gastein sehen. Aus einem Haufen Schnee – fünfeinhalb Meter hoch, acht Meter lang – hat der 29-Jährige eine beeindruckende Szene gemacht: einen alten Mann mit langen Haaren und Bart, der aus dem Berg zu kommen scheint.


Kettensäge, Spaten, Feile

Acht Tage lang hat Hellweger mit seiner Freundin, Sandra Brugger, am „Berggeist“ gearbeitet. Erst mit der Kettensäge, dann mit Spaten, die ein speziell geschärftes Blatt haben, anschließend mit Schnitzwerkzeug und am Ende mit Schleifpapier und Feile. „Eine Herausforderung bei Schnee ist, mit diesen Dimensionen umzugehen. Bei Holz und Stein arbeitet man ja selten an einer acht Meter langen Skulptur.“

Größer war nur noch die Bühne aus Schnee, die Hellweger und viele anderen Helfer für die Bregenzern Festspiele in Lech gebaut haben. Ebenfalls im noblen Winterskiort hat sich ein Hotelier vor einigen Jahren eine Bar aus Eis errichten lassen: 20 Tonnen haben die Künstler dafür verarbeitet. In Hochötz im Ötztal macht Hellweger jedes Jahr die Kunstwerke an den Wänden des einmaligen Schneedorfs. Zwei, drei Aufträge habe er pro Winter, sagt Hellweger. Vorausgesetzt, er hat genügend Material zum Verarbeiten. Oder besser: Es ist lang genug kalt, damit man sein fertiges Kunstwerk auch sehen kann. „In St. Anton habe ich für ein Weltcuprennen eine Skulptur gemacht“, erinnert sich der Tiroler. Sieben Tage lang hat er gesägt und gefeilt, bis sein Werk spät am Abend schließlich fertig war. „Dann kam ein Föhneinbruch mit Regen.“ Am nächsten Tag war nur noch „ein patziger, grindiger Haufen Schnee da“. Und weil es zu dunkel war, hatte Hellweger nicht einmal ein Foto seiner Skulptur.

Bei Eis- und Schneeskulpturen beweist sich die Vergänglichkeit der Schönheit, von der Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau in seinem Sonett spricht. Man muss also schnell nach Gastein, wo zurzeit neben Hellwegers Skulptur noch acht weitere stehen. In den Skigebieten und den Ortszentren findet bis zum 5. Februar die Art on Snow statt, das größte Kunstfestival der Alpen (zum dritten Mal in Gastein, zwei weitere Male wurde es im Kleinwalsertal veranstaltet). Heuer hat man den Künstlern als Motto Gasteiner Sagen vorgegeben. Und wie sie die Sagen bildlich interpretieren, kann man auch noch auf 2251 Metern Höhe sehen (auf dem Stubnerkogel hat Gold Hans die Geschichte von den drei Wallnern in einer Schneeskulptur umgesetzt).

14 Künstler hat Organisator Josef Gruber verpflichtet, darunter den Briten Simon Beck. Nur mit einer Skizze und Schneeschuhen ausgestattet wird er 15.000 Quadratmeter große Bilder in den Schnee treten. Die unberührten Schneefelder liegen so, dass man sie bei der Auffahrt mit der Gondel oder beim Wandern von oben sehen kann – sofern der Schnee lang genug den vorhergesagten wärmeren Temperaturen standhält.

Martin Hellwegers Skulptur steht vor der Alpentherme in Bad Hofgastein. Noch sieht man die vielen Details, an denen er und Sandra Brugger in mühsamer Arbeit gefeilt haben. Normalerweise arbeitet ein Bildhauer für die Ewigkeit. „Beim Schnee kann man zusehen, wie die Skulptur dahinschmilzt“, sagt Hellweger und pausiert kurz. „Das tut schon weh.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

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