Schweden: Die milden Jahre des Monarchen

Kung Carl Gustaf i gröngraset.
Kung Carl Gustaf i gröngraset.Imago
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Carl Gustaf XVI. wird am Samstag 70. Nach Skandaljahren ist es um den fünffachen Großvater ruhiger geworden. Er gewann Sympathie zurück, auch dank seiner Nachkommen.

Am Samstag begeht wieder einmal ein europäischer Monarch, mit dem schon mehrere Generationen aufgewachsen sind und sich an den Vorgänger nicht mehr erinnern können, einen runden Geburtstag: König Carl Gustaf XVI. von Schweden wird 70. Ganz so überschwänglich, wie es jüngst die Briten beim 90er von Queen Elizabeth II. taten, reagieren die schwedischen Untertanen freilich nicht: Carl Gustaf ist nämlich gerade dabei, sich von der wohl größten Rufkrise eines schwedischen Monarchen zu erholen.

Infolge der 2010 erschienenen Skandalbiografie „Der widerwillige Monarch“ wackelte sein Thron nämlich so kräftig, dass noch heute in Umfragen 40 Prozent seine Abdankung zugunsten seiner populäreren Tochter, Kronprinzessin Victoria (38), fordern und 20 Prozent unschlüssig sind. Vor allem Frauen mögen ihn nicht mehr so sehr. Die Biografie berichtete von vielen außerehelichen Exzessen bis in die 2000er-Jahre, von Besuchen von in Schweden verbotenen Bordellen und Kontakten zu Kriminellen. Ein Apparat aus Freunden bis hin zur Polizei soll das durch Einschüchterungen Beteiligter verheimlicht haben. Der König dementierte nichts und erhob keine Verleumdungsklage. Vielmehr bat er sein Volk darum, dieses Kapitel abzuschließen, „das Blatt zu wenden“, wie er sagte.

Verzeihung unter Murren

In der Tat scheinen die Untertanen ihm zu seinem 70er murrend verziehen zu haben. Vor allem seine Familie hat ihn gerettet: Die deutschstämmige Königin Silvia (72), die nach den Enthüllungen länger nicht mehr an seiner Seite öffentlich auftrat, genießt viel Respekt. Zudem haben beide gerade ihr fünftes Enkelkind bekommen.

Das Interesse richtet sich vermehrt auf die fleckenlosen Königskinder und -Enkel. Das stimmt versöhnlich. Zudem hat der König für den Erhalt der Monarchie auch einiges getan: Er ließ etwa zu, dass seine Kinder Bürgerliche heiraten. Kronprinzessin Victoria durfte 2010 ihren Fitnesslehrer, Daniel Westling, heiraten, ihr jüngerer Bruder Carl Philip (36) 2015 sogar das Erotikmodell Sofia Hellqvist. Auch deren Kinder sollen normale staatliche Schulen besuchen. Nur Carl Gustafs jüngste Tochter, Prinzessin Madeleine (33), heiratete 2013 den US-britischen Millionärssohn Christopher O'Neill und lebt primär im Jetset. Kein anderes Königshaus ist derzeit so „unadelig“.

Dass Volksnähe, Hochzeiten mit Bürgerlichen und Kindersegen bei Untertanen gut ankommen, weiß der König selbst. Als er 27-jährig in den linksgeprägten 1970ern den Thron bestieg, war Schweden kurz davor, Republik zu werden. Der schüchterne Mann, Legastheniker und bei Reden etwas linkisch, sei dem Amt nicht gewachsen, hieß es. Doch die Traumhochzeit mit der bürgerlichen Silvia Sommerlath 1976 und die Geburten der Kinder machten das Königshaus wieder populär. Hofexperten sagen, dass die kluge Königin einst die Monarchie gerettet habe. Carl Gustaf ließ dann ein Gesetz ändern, das es auch seinen Kinder erlaubte, in Liebesangelegenheiten unabhängig vom Stand wählen zu dürfen.

Zudem tritt der König aus dem Haus Bernadotte (siehe Infokasten) inzwischen weniger hölzern auf. Als er kürzlich bei einem Interview in einem viel zu tiefen altmodischen Sofa Platz nahm, sagte Ihre Majestät: „Man sieht aus wie eine Kröte, wenn man darin sitzt."

Stromsparender Öko-König

Auch ernste Fragen beschäftigen ihn. So gilt er als umweltbewusst. Auf seinem Schloss sind Solarzellen, Energiesparlampen brennen in den Räumen. Er betreibt in seinen Ländereien Öko-Landwirtschaft und züchtet eine neue Rinderrasse. Das Volk solle nicht so viel Fleisch essen, sagte er, und regte an, Badewannen zu verbieten, wegen der Wasserverschwendung. Er dusche nur, sagte er. Auch sonst betont er Bodenständigkeit: „Wenn ich mit Kindern rede, verstehen sie schnell, dass ich ein gewöhnlicher Mensch bin, an den man sich wenden kann, der Frau, Kinder und Enkel hat.“ Beim Tsunami 2004, der viele Schweden in Südostasien das Leben kostete, zeigte er Größe und spendete Trost. Auch mit seinem Besuch in Trollhättan 2015, nachdem ein Rechtsextremer dunkelhäutige Kinder attackiert hatte, zeigte er, dass ein Königshaus ein Land zusammenhalten kann. „Die Monarchie ist eine Marke dafür, was Schweden will und wofür es steht, ein Fundament, das Kultur, Geschichte und Tradition enthält. Eine geschichtslose Gesellschaft ist eine äußerst, äußerst verletzliche.“

Wie er sich heute fühlt? „Vor 50 Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich mich heute so positiv und glücklich fühlen würde. Man wusste ja nicht, ob man sich überhaupt noch rühren kann. Ich bin genauso neugierig aufs Leben wie damals. Es ist ja noch viel übrig“, sagte er der Zeitung „Aftonbladet“.

LEXIKON

Schweden ist seit Menschengedenken Monarchie. Schon der Römer Tacitus schrieb im Jahr 98 von einem „König der Suionen“, doch erst mit Erik VIII. Segersäll (der Siegreiche), der etwa 970 bis 995 regierte, beginnt eine gesicherte Herrscherfolge. Über die Jahrhunderte regierten Schweden zahlreiche Dynastien, etwa die Ynglinger, Sverker, Mecklenburger und Wasas, aber auch dynastielose Einzelherrscher und fremde Könige, etwa Dänen.

Die Dynastie Bernadotte, der Carl XVI. Gustav angehört, regiert Schweden seit 1818. Dabei waren die Bernadottes zuvor ein bürgerlicher Clan aus Südwestfrankreich. 1810 wurde Jean-Baptiste Bernadotte, Marschall von Frankreich, vom letzten Schwedenkönig aus dem Haus Holstein-Gottorp adoptiert und nach dessen Tod 1818 als Karl XIV. Johann König. Die Bernadottes herrschten bis 1905 auch in Norwegen.

Das schwedische Königswappen enthält das Wappen des Reichs (die drei goldenen Kronen) sowie der Bernadottes (mit dem Adler) und der Folkunger (mit dem Löwen) sowie andere Symbole. Es wird bei großen Anlässen auch vom Reichstag und der Regierung genutzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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