„Such dir ein Tier, sei dieses Tier“: Die Befreiung und der Wolf

Nahm für den neuen Film einen Traum zum Anlass: Regisseurin Nicolette Krebitz.
Nahm für den neuen Film einen Traum zum Anlass: Regisseurin Nicolette Krebitz. (c) Kalaena/picturedesk
  • Drucken

Regisseurin Nicolette Krebitz spricht über die höchst ungewöhnliche Beziehung zwischen einer Frau und einem Wolf in ihrem neuen Film, „Wild“.

Von der Begegnung zwischen Mensch und Wolf erzählt die deutsche Schauspielerin und Regisseurin Nicolette Krebitz in ihrem dritten Film, „Wild“ (ab morgen im Kino). Nicht frustriert, vielmehr gleichgültig wirkt darin Hauptfigur Ania (Lilith Stangenberg) in ihrem Alltagstrott. In ihrem Job als IT-Expertin ist die junge, introvertierte Frau unterfordert. Die Avancen eines Kollegen lassen sie ebenso kalt wie die schlechte Angewohnheit ihres Chefs (Georg Friedrich), per Ballwurf gegen die Bürowand einen Kaffee einzufordern. Umso deutlicher ist dann das Blitzen in Anias Augen, als es eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit zur schicksalhaften Begegnung kommt. Krebitz im Interview:


Die Presse: Ist der Wolf in Ihrem Film Mittel zum Zweck, um die Emanzipation, die Befreiung von Ania aus ihrer Welt, zu zeigen, oder musste es ein Wolf sein?

Nicolette Krebitz: In wen man sich verliebt, kann man sich ja leider nicht aussuchen, deshalb musste es wohl der Wolf sein. Glücklicherweise kann sich Ania von ihm genau das abschauen, was sie braucht. Er bringt sozusagen das Beste in ihr zum Vorschein – und das sollte ein Liebhaber in jedem Fall draufhaben.


Gab es einen konkreten Anlass für Sie, diesen Film zu machen?

Das Wort „konkret“ gefällt mir sehr. Ich hatte einen Traum, in dem ich durch einen Wald oder Park lief und irgendetwas hinter mir her war. Als ich mich umdrehte, stand ein Wolf vor mir. Dann bin ich aufgewacht und war ziemlich durcheinander. Ich wusste allerdings sofort: Das wird mein nächster Film.


Wie mühsam war es, mit einem wild lebenden Wolf zu drehen?

Es bedarf genauer Planung, ein wildes Tier an ein Filmset zu holen und dazu zu bringen, Dinge zu tun, auf die es selbst in dem Moment nicht gekommen wäre. Aber die Vorbereitungen haben dazu geführt, dass es sehr konzentriert am Set zuging, jeder wusste immer genau, was er zu tun hatte. Dadurch konnte ich mich in dem Moment der Begegnung total auf den Wolf konzentrieren. Ich habe dann meistens leise abwechselnd zu dem Tiertrainer und zu Lilith gesprochen. Manchmal aber auch so eine Art telepathische Regie geführt und versucht zu visualisieren, was der Wolf tun soll. Verrückterweise hat er das dann auch meistens getan. Wölfe kommunizieren auf einer anderen Ebene. Manchmal habe ich diese erreicht.


Was stimmt eigentlich nicht mit Ania? Wie wurde sie derart gleichgültig, beinahe depressiv?

Ich finde, mit Ania stimmt eigentlich alles. Ob sich das über den Rest der Welt, in der sie lebt, auch sagen lässt, bin ich mir nicht so sicher. Wahrscheinlich musste ihr einfach der Richtige begegnen. Einer, für den es sich lohnt einzusteigen.

Warum haben Sie sich mit Georg Friedrich für einen Österreicher als ihren Vorgesetzten entscheiden?

Ich liebe die Art, wie Georg spricht, mir kommt es ganz und gar natürlich vor. Beim Schneiden ist mir aufgefallen, dass er zu keiner Zeit einen falschen Ton anschlägt. All seine Sätze sind von großer Ehrlichkeit geprägt, sein Spiel ist fast hypersensibel. Das Österreichische in seiner Sprache wirkt auf mich in unserem Film wie ein Spiel, irgendwie altmodisch oder traditionell, aber auch klassisch im Rollenverständnis zwischen Mann und Frau. Natürlich nie ohne Ironie. Und das beschreibt den Charakter seiner Figur optimal. Er hält an den alten Formen fest, obwohl sie ihn selbst umbringen. Ania zu beobachten, wie sie sich von all dem befreit, imponiert ihm.


Ist der Wolf der männliche Hauptdarsteller des Films?

Ja, das ist er.


Sie sind schon seit ein paar Jahren im Geschäft. Welchen Ratschlag würden Sie einem jungen Filmemacher geben, der seine ersten Schritte in die Branche machen will?

Such dir ein Tier aus, sei dieses Tier, und schnapp sie dir.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.