Der Mann hinter Netrebkos Kleid

Jan Meier mit einem Entwurf des Kleides von Anna Netrebko.
Jan Meier mit einem Entwurf des Kleides von Anna Netrebko.(C) Salzburger Festspiele/ Anne Zeuner
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Wie in einem Meer aus Sternen soll Anna Netrebko bei den Festspielen als Manon Lescaut auf der Bühne stehen. Jan Meier hat das Kleid entworfen.

Es gehört zu den aufwendigsten Kostümen, die heuer in den Werkstätten der Salzburger Festspiele hergestellt werden: das Kleid, das Opernstar Anna Netrebko in der konzertanten Aufführung von Puccinis „Manon Lescaut“ auf der Bühne des Großen Festspielhauses tragen wird. Allein für den dreilagigen Rock wurden 40 Meter Seidenrips, 60 Meter Seidenorganza und 120 Meter Tüll verarbeitet. Auf den schwarzen Stoffschichten funkeln 35.000 Kristalle.

Bei der ersten Anprobe sei Netrebko begeistert gewesen, erzählt Jan Meier, der seit 2015 die Kostüm- und Maskenabteilung des Salzburger Festivals leitet. Der gebürtige Deutsche hat Kürschner gelernt und Design studiert, ehe er seine Liebe für das Theater entdeckte. In den vergangenen elf Jahren war er bei der Ruhrtriennale engagiert. Der Ruf nach Salzburg ist für ihn ein Traumjob. „Es ist eine Ehre, hier arbeiten zu dürfen“, erzählt der 1969 in Lübeck geborene Kostümbildner.

Rund 250 Menschen arbeiten in Salzburg während des Sommers für Kostüm, Maske und Garderobe, mehr als 30 sind als Schneider, Hut- oder Schuhmacher ganzjährig angestellt. Meier schwärmt von der Kunstfertigkeit und Kreativität, mit der in den Werkstätten der Salzburger Festspiele gearbeitet wird.

Schwarze Lackbühne

Wie in einem Meer aus Sternen soll Anna Netrebko als Manon Lescaut auf der Bühne wirken, erzählt Meier von seiner Grundidee für das Kleid des Opernstars. Um den Effekt zu verstärken, wird sie auf einer schwarzen Lackbühne stehen und sich darin spiegeln. Allein 120 Stunden dauerte es, bis die für die Rockbahnen notwendigen Kristalle auf dem Stoff fixiert waren.

Um die passenden Farben auszusuchen, ist Meier nach Wattens zu Festspiel-Sponsor Swarovski gefahren, um aus der ganzen Farb- und Formpalette des Tiroler Kristallherstellers auswählen zu können. Er entschied sich für Kristalle in Hematite und Black Diamond – ein ins Bräunliche gehendes Grau und ein tiefes Schwarz.

Wird das Publikum das Funkeln des Kleides, in das so viele Stunden Arbeit gesteckt wurde, überhaupt sehen können? „Bis in die letzte Reihe“, meint Meier: „Die Steinchen fangen enorm viel Licht ein.“ In der Kostümabteilung sind die Schneiderinnen aber nicht nur mit Anna Netrebkos Kleid beschäftigt. Noch längere Entwicklungsarbeit steckt in einem hautengen Catsuit, das eine Tänzerin im zweiten Akt von „Faust“ tragen wird – hier wurden 60.000 Swarovski-Kristalle verarbeitet. Die Figur verkörpert das Goldene Kalb. „Bei uns ist es ein mit Juwelen besetztes Kalb“, schmunzelt der Kostümdirektor.

Es sind die vielen kleinen Details, die Meier an seiner Arbeit reizen. „Ich bin jeden Tag dankbar, dass ich so eine schöne und kreative Aufgabe habe“, erzählt er. Die Kostüme für „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ von Thomas Bernhard hat ebenfalls Meier entworfen. Das Kleid der Sopranistin, die sich in dem Stück für ihren Auftritt als „Königin der Nacht“ zurechtmacht, hat ihm besonders viel Spaß gemacht. „Ich möchte mit dem Kostüm den Eindruck eines Nachthimmels erwecken“, erzählt Meier.

London als Hochburg für Stoffe

Für die Schleppe wurden 15 Meter nachtblauer Satin verarbeitet. Bei einem Besuch in London hat er einen dunkelblauen Effekttüll entdeckt, der dem Kleid den letzten Schliff gibt. „London ist nach wie vor eine Hochburg für Stoffe“, sagt der Kostümbildner. Ganz leicht wird es Johanna Wokalek, die in dem Stück die Königin der Nacht spielt, mit ihrer Schleppe allerdings nicht haben. Sie wiegt immerhin acht Kilogramm, weil so viel Stoff, Rüschen und Kristalle verarbeitet wurden.

Ein Geheimnis hütete Meier bis zum Schluss: In welchem Kleid wird Miriam Fussenegger, die neue Buhlschaft, auftreten? „Es wird wahnsinnig schön“, versprach er. Seit der Premiere am Samstag ist klar: Die Buhlschaft betört ihren Jedermann heuer in einem sehr mädchenhaften, knallroten Kleid.

ZUR PERSON

Kostümbildner. Jan Meier ist seit 2015 Leiter der Kostüm- und Maskenabteilung der Salzburger Festspiele. Zuvor hat der 1969 in Lübeck geborene Kostümbildner für die Ruhrtriennale gearbeitet. Seine kreative Handschrift tragen heuer unter anderem die Kostüme für „Der Ignorant und der Wahnsinnige“. Meier steckt auch hinter dem Kleid, das Opernstar Anna Netrebko in der Aufführung von Puccinis „Manon Lescaut“ auf der Bühne des Großen Festspielhauses tragen wird. Auf den schwarzen Stoffschichten funkeln 35.000 Kristalle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2016)

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