Der Grazer "Juwelier vom Pão de Açúcar"

(C) Markku Datler
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Er hat den schönsten Arbeitsplatz der Welt, verkauft auf dem Pão de Açúcar Juwelen, und liebt Rio de Janeiro über alles: der Grazer Alois Sailer.

Es ist ein unglaublicher, traumhafter Ausblick. Links die Copacabana, dazwischen eine Häuserschlucht, darüber thront unübersehbar die Christus-Statue, rechts der Blick über Botafogo, Flamengo bis hinüber zum Inlandsflughafen. Ihm liegt die Millionenmetropole Rio de Janeiro quasi zu Füßen, und wer in die Ciudad Maravillosa, also die wunderbare Stadt kommt, steht irgendwann gewiss auch bei ihm im Geschäft. Egal, ob Tourist, Geschäftsmann, Reporter oder Superstar Neymar – dessen ist sich der Grazer Alois Sailer bewusst. Wer wie er auf dem Zuckerhut arbeitet, hat den besten Arbeitsplatz der Welt. Sailer arbeitet für den Edelstein- und Schmuckerzeuger Amsterdam-Saurer und gilt in der Szene als der „Juwelier vom Pão de Açúcar“.

Sailer lebt seit 1996 in Brasilien, ein Auslandspraktikum führte den Sozialakademiker einst nach Südamerika. „Rio hat mich sofort begeistert, in seinen Bann gezogen“, erzählt er dem Besucher stolz und führt seit dem Jahr 2000 durch sein Geschäft. Ein Kremser Kollege hatte ihn gefragt, ob er denn nicht bleiben wolle. Man suchte deutschsprachige Verkäufer. Man musste Sailer kein zweites Mal fragen. Er wollte einfach nur weit weg sein von daheim, und hier oben, mit dieser Aussicht, vereinen sich für ihn Freiheit und Lebensgefühl. Dass er dafür binnen sechs Monaten fließend Portugiesisch sprechen konnte, darf nicht unerwähnt bleiben. Wobei, Sailer lacht, Brasilianer nehmen es nicht ganz genau. Sie verzeihen mehr Fehler; Gringos sprechen und tanzen anders.

Anmut auf höchstem Niveau

Es funkelt und glitzert in jeder Vitrine, Goldringe und Brillanten strahlen. Der Handel mit Farbsteinen floriert in Südamerika, egal, ob Smaragd, Diamant oder nur Amethyst, Schliff, Pflege, Form und Reinheit zählen. Es ist Anmut auf höchstem Niveau, und manche Figuren, speziell die von Amazonas-Vögeln („Von 500 Dollar aufwärts“) sind unwidersprochen sogar Kunstwerke.

Das pingelig genau wohltemperierte Geschäft ist gut sortiert und trotz der exklusiven Lage nur eine von 20 Filialen, womöglich sogar die kleinste. „Wir verkaufen hier ein breites Sortiment“, sagt der Steirer. „Es beginnt zumeist bei guten Stücken rund um 1000 Dollar, hier reicht das Spektrum nur bis circa 5000 Dollar. Wer hat denn schon vor, wenn er auf den Zuckerhut fährt, noch mehr Geld für Schmuck auszugeben?“ Freilich, manch Kunde zückte schon das Portemonnaie und gab eine Großbestellung ab, doch das sei die Seltenheit. Wer einen Ring, eine Uhr oder Edelsteine kauft, setze ja eine „emotionale Handlung, bindet sich daran. Und ich freue mich, dabei helfen zu dürfen“. Sailer ist mit einer Brasilianerin verheiratet, hat einen 18-jährigen Sohn, und es ist für ihn undenkbar, jemals wieder in Graz zu leben. Besuche in der alten Heimat sind essenziell, zu Hause ist er aber in Rio. „Österreich ist für meine Familie eine andere Welt.“ Die kann er ihnen dieser Tage aber ein tüchtiges Stück näherbringen, weil die Olympischen Spiele in der Stadt stattfinden und ein rot-weiß-rotes Team mit 71 Startern teilnimmt. Eingeladen wurde er natürlich von Österreichs Handelsdelegiertem, er wird mit Casino-Chef und ÖOC-Präsident Karl Stoss vielleicht neue Geschäfte vereinbaren oder einfach „nur einen weißen Spritzer trinken“, sagt Alois Sailer. Olympia habe Rio viel gebracht, neue Bauten, Häuser, die U-Bahn; nur zu welchem Preis? Er lächelt, schüttelt aber zugleich auch den Kopf.

Die Kriminalität ist in Rio weiterhin hoch, 20 Morde pro Tag sollen es sein. Korruption und Misswirtschaft seien zwar ein Unding, aber Teil des brasilianischen Lebens. Man habe sich daran gewöhnt, lebt hinter Gittern, aber das sei weltweit doch nicht anders, wirft Sailer ein. Mit Großereignissen wie der Fußball-WM oder Olympia könne man vieles verändern, aber nicht alles Unrecht stoppen. Zumindest aber werde etwas unternommen von Politik und Gesellschaft, um etwas besser zu machen. Aus dieser Sicht bedürfte es wohl Hunderter Weltmeisterschaften, ehe aus Alois Sailer doch noch ein begnadeter Sambatänzer wird. Das habe man im Blut oder eben nicht. „Und ich liebe lieber meine Edelsteine.“

ZUR PERSON

Auswanderer. Alois Sailer lebt seit 1996 in Brasilien, ein Auslandspraktikum führte den Sozialakademiker einst nach Südamerika. Der Grazer ist mit einer Brasilianerin verheiratet, arbeitet für den Edelstein- und Schmuckerzeuger Amsterdam-Saurer und gilt in der Szene als der „Juwelier vom Pão de Açúcar“. An die Korruption und Misswirtschaft in der Stadt und daran, hinter Gittern zu leben, hat er sich gewöhnt. Eine Rückkehr nach Graz ist für den Vater eines 18-Jährigen undenkbar, denn: „Österreich ist für meine Familie eine andere Welt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2016)

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