"Auch ein Freund der Familie": Alimentari aus dem Netzwerk

(c) Voithofer Valerie
  • Drucken

Dario und Luca Formisano versorgen ihr Wohngrätzel im Zweiten mit Lardo, Bronze-Pasta und Anti-Mafia-Brokkoli - sowie jeder Menge Charme.

Ohne die Artischocke gäbe es uns vielleicht nicht.“ Deshalb ziert das Distelgemüse das Portal des Alimentari, das Dario und Luca Formisano kürzlich beim Augarten eröffnet haben. Die Eltern der Brüder – die Mutter ist Wienerin, der Vater aus Neapel – haben sich vor dreißig Jahren bei einer Ostermontagsfeier in Süditalien kennengelernt. „Und nachdem meine Mutter kein Italienisch und mein Vater kein Wort Deutsch gesprochen hat, hat er ihr als Anbahnungsversuch eine gegrillte Artischocke serviert“, erzählt Dario Formisano, 1989 geboren und somit zwei Jahre älter als sein Bruder. „Wir verdanken also quasi einer Artischocke unser Leben.“ Ob einer der beiden jungen Männer neben anderen Motiven auch eine Distel tätowiert hat, konnte „Die Presse“ nicht erspähen, möglich wäre es.

Gemüse gegen die Mafia

Aufgewachsen sind die Brüder „zwischen Meer und Berg“, in einer mythischen Gegend bei Neapel. Monte Ofelio heißt darum auch ihr Geschäft. Vor fünf Jahren ist Dario Formisano nach Wien übersiedelt, hat zunächst in der Modebranche gearbeitet, zwei Jahre später ist Luca nachgekommen. Die Brüder wohnen in Wohnungen übereinander, gleich ums Eck von ihrem neuen Lokal. „Wir sind Italiener, ,la famiglia‘ ist alles.“ Und außer der Familie ist auch Essen alles für die beiden. „Essen ist immer ein politischer Akt“ meint der hochgewachsene Luca, „man kann mit Essen, mit dem, was wir kaufen und wo, besser die Welt verändern als mit Politik. Ein Steak ist nie nur einfach ein Steak, ein Steak unterstützt immer dieses und jenes System“. Darum verkaufen sie auch Produkte des Labels NCO, das gegen die Mafia arbeitet: Das Gemüse, das später in Gläser kommt, wird auf jenen Feldern angebaut, die der Staat von der Camorra konfisziert hat, was regelmäßig Racheakte der Mafia zur Folge hat.

Von den Eltern haben die zwei schon von Kindesbeinen an das Bewusstsein für gute Lebensmittel mitbekommen. „Und wir haben durch die Familie auch viele Kontakte zu Produzenten“, sagt Dario. So ist etwa der Schweinehalter, der sie mit weißem Lardo und eicheldunklem Noce di Prosciutto beliefert, ein Freund der Familie. Die schwarz-weißen Schweine der toskanischen Rasse Cinta Senese laufen frei herum, fressen Eicheln, Feigen, Kastanien und was sie im Wald nahe der Stadt Urbino eben finden. Pro Jahr werden nur rund zwanzig Tiere geschlachtet. Die Brüder Formisano möchten ihren Kunden vermitteln, dass Fleisch etwas Besonderes sein soll. „Ich war ein Jahr Vegetarier“, erzählt Dario, der Ältere, „früher war Fleisch ein Festmahl, so sollte es auch heute sein.“

Der andere Fleischproduzent, der sie mit Pancetta arrotolata und Ciaùscolo, einer cremigen Salami, versorgt, sei größer, „er hat hundert Schweine“, sagt Dario Formisano grinsend. Das Grinsen meint: Auch nichts im Vergleich zu anderen. Den Lardo bettet Luca am liebsten auf getoastetes Joseph-Brot. Und bei der Verzehranleitung kommt ein wenig Strenge in seinem Gesicht auf: „Noch kurz warten . . . Jetzt geht es los. Ich könnte weinen, so schön ist das“, sagt er angesichts des transparent schmelzenden Specks.

Über Eichenholz gerösteter Kaffee

Der Kaffee – Espresso gibt es um 1,80 Euro – kommt von einer kleinen Rösterei, die die Bohnen über Eichenholz röstet. Und was das wiederum bedeutet, können beide ausführlich erklären – wie sie überhaupt zu jedem einzelnen Produkt etwas zu erzählen wissen (und man lege Dario Formisano besser keine Steilvorlage in Form der Wörter „genetisch modifiziert“ auf, wenn man keine Zeit hat, sich seine fundierten, kritischen Ausführungen dann auch anzuhören).

Das Geschirr stammt von einer Keramikerin, die, man ahnt es, auch eine Freundin ist. Im Regal liegen Ein-Kilo-Packungen mit Pasta („große Packungen helfen, Abfall zu sparen, das ist uns wichtig“), sie stammt aus der Pasta-Hochburg Gragnano und wird noch mit Bronzeformen gepresst. Darunter auch eine 53 cm lange Sorte. „Früher hat man Pasta nicht per Kilo, sondern per Meter verkauft“, sagt Dario Formisano, „unsere Oma hat uns als Kinder also immer Nudeln brechen lassen.“

ZU DEN PERSONEN

Dario und Luca Formisano sind Brüder und haben eben ein Lebensmittelgeschäft beim Augarten eröffnet. Die Produkte stammen wie auch die Espressotassen von Freunden oder Bekannten von Freunden. Diverse Schinken, Pasta aus alten Weizensorten und solche, die mit Bronzeformen gepresst wird, bekommt man ebenso wie Gemüse im Glas von einer Anti-Mafia-Kooperative. Bald wird es auch ein Bestellservice für Gemüse der Gärtnerei Bach geben.

Monte Ofelio, Obere Augartenstraße 70, 1020 Wien, Mo–Fr, 9–20 Uhr, Sa, 9–18 Uhr. www.facebook.com/monteofelioshop

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.