Jubeln für den 20. Platz

SKI ALPIN - FIS WC Schladming, Herren, Nightrace
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Marcel Hirscher hat Hunderte Fans. Aber wer jubelt beim Skiopening in Sölden schon für Manuel Pleisch oder Marco Schwarz?

Man muss Manuel Pleisch nicht kennen. Der Schweizer Skirennfahrer belegte in der vergangenen Saison im Gesamtweltcup Platz 127, sein bestes Ergebnis 2014/2015 war ein 16. Platz beim Riesenslalom in Sölden.

Geht es aber nach den Fans, die an diesem Wochenende zur Eröffnung des Skiweltcups nach Sölden gereist sind, dann ist Manuel Pleisch einer der ganz Großen. So viele Anhänger wie der 26-Jährige hat kaum jemand neben der Rennpiste stehen, vielleicht nur noch Marcel Hirscher: 38 sind eigens aus der Schweiz gekommen, um ihr Idol beim ersten Rennen der Skisaison anzufeuern. Es gibt nur ein Problem: Pleisch hat sich bei den internen Qualifikationsläufen des Schweizer Skiverbands nicht durchgesetzt. Er kann heute, Sonntag, in Sölden gar nicht starten . . .

„Ja, des is a bissl blöd“, sagt Sandro Schmid, einer der Vorstände des offiziellen Fanclubs Manuel Pleisch. „Aber wir sind trotzdem gekommen, weil es immer a Spaß ist beim Skiopening. Jetzt feuern wir eben die anderen Läufer an.“

Fans sind das Salz in der Suppe jeder Sportart. Sie sitzen am Tennisplatz, auch wenn es regnet, sie reisen Tausende Kilometer, um ihr Fußballteam zu unterstützen, und sie stehen im Winter schon im ersten Durchgang bei eisiger Kälte neben der Rennstrecke, halten Plakate hoch, schreien, toben und jubeln sich die Kehle wund – auch wenn „ihr“ Fahrer, wie beispielsweise Manuel Pleisch, irgendwo weit hinten rangiert.

„Es ist leicht, Fan von jemandem zu sein, der immer gewinnt. Marcel Hirscher hat sicher genügend Anhänger“, meint Sandro Schmid. „Aber wir wollen ja gerade jemanden unterstützen, der nicht vorn mitfährt.“

Das hat im Fall von Pleisch natürlich auch persönliche Gründe: „Wir sind aus einem Tal in der Schweiz, wo man sich kennt. Und bei uns gibt es nicht so viele bekannte Menschen.“ Wenn da jemand im Weltcup mitfahre, sei das schon etwas.

120 Mitglieder hat der Fanclub. Wenn Pleisch startet – oder auch, wenn er nicht startet, wie jetzt in Sölden –, versuche man, immer dabei zu sein, vorausgesetzt „man kann mit Autos oder mit einem Bus hinfahren“. Schmid sagt es leicht lachend: „Es gibt schon geografische Grenzen für unsere Begeisterung.“

Für andere weniger, sie fliegen sogar zu Rennen in die Vereinigten Staaten, wie etwa die Mitglieder des Ted-Ligety-Fanclubs, der eigentlich mehr aus Mitleid und beinahe zur Irritation von Ligety gegründet wurde. Denn in den USA, wo Ligety zu Hause ist, spielt der Skisport so gut wie keine Rolle, und Fanclubs gibt es dort auch keine.

„Ich habe damals für einen Skiausrüster gearbeitet und war ziemlich überrascht, dass Ligety keinen Fanclub hat“, erzählt Lutz Ebert aus Zwickau in Deutschland. Ligety weniger, weil er Fanclubs gar nicht kannte. „Aber er war der Idee gegenüber sehr aufgeschlossen.“ Also gründete man 2012 den Fanclub, der mittlerweile 60 Mitglieder hat – in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Kein einziges in den USA.


Parade für Fanclubs. Die Veranstalter der Skirennen wissen, was sie an Fanclubs haben. Im Gegenzug zur Stimmung, die sie bringen, erhalten sie vergünstigte Eintrittspreise und manchmal sogar spezielle Tribünen. Nirgendwo betreut man sie aber so gut, wie beim Skiopening in Sölden, wo sie sogar für ihr Auftreten prämiert werden und entsprechend viele Fanclubs anreisen: 23 sind es heuer.

„Wir haben früh gesehen, dass man sich um die Fans kümmern muss“, erklärt Ernst Lorenzi. 1996 gab es erstmals spezielle Fanveranstaltungen. Damals teilte man die Fanclubs auf die verschiedenen Lokale in Sölden auf, die Wirte spendierten die erste Runde, und später schaute vielleicht auch noch der Skifahrer selbst bei seinem Fanclub vorbei.

Seit man Kalorien zählt, Kohlenhydrate meidet und sogar die Tiefe des Schlafs misst, ist ein biertrinkender Skifahrer am Vorabend eines Rennens eine Seltenheit. Jetzt gibt es eine große Party für alle in Sölden. Geblieben ist die Parade der Fanclubs, die auch gestern Abend wieder durch das Ortszentrum von Sölden führte.

„Am einfallsreichsten bei der Parade sind meistens die Franzosen“, erzählt Lorenzi. „Die haben sich einmal alle als Präsident Sarkozy verkleidet, einmal sind sie als Asterix und Obelix aufgetreten.“ Die Ted-Ligety-Fans fuhren heuer in einem dicken Dodge durch die Straßen – „amerikanisch halt“, erklärt Ebert.

Fünf Juroren beurteilen das Auftreten, kombinieren das mit dem Fanjubel beim Skirennen „für alle Fahrer, nicht nur für den eigenen“ (Lorenzi), und am Ende werden die besten Fanclubs gekürt: 2050 Euro teilte man heuer auf die ersten drei auf.

Geld, das man gut brauchen kann, vor allem, wenn der eigene Skifahrer entsprechend gut ist und man daher zu vielen Rennen reisen muss. Wie etwa die Anhänger von Marcel Hirscher, der zumindest in der vergangenen Saison ziemlich alles gewann, was man gewinnen kann. „Bis nach Val d'Isère fahren wir auf jeden Fall“, sagt Alex Hirscher („nicht verwandt, bei uns heißen viele so“), Obmann des Marcel-Hirscher-Fanclubs. Das sind knappe zehn Stunden Anreise. „Alles darunter ist überhaupt keine Frage.“

Hier spielt man natürlich in einer anderen Liga. 450 Mitglieder zählt der Fanclub, der sogar Sponsoren hat – die lokale Raiffeisenbank etwa und Gösser-Bier. Aber man ist dem Idol auch nicht mehr so nahe, wie etwa die Fans von Manuel Pleisch, der nach jedem Rennen zu seinem Club kommt und den man abends in den Lokalen im heimischen Prättigau treffen kann.

Wie auch den Villacher Marco Schwarz, der in der vergangenen Saison überraschend Dritter in Madonna di Campiglio wurde (achter im Slalomweltcup). „Ich kenn ihn von klein auf“, sagt Beatrix Kerschbaumer, die den Fanclub leitet. Erst nach seinem Überraschungsplatz habe man heuer im Jänner den Fanclub gegründet, der bereits 150 Mitglieder hat. Bis in den März hinein hat man die Teilnahme an Rennen geplant. „Wir jubeln auch, wenn er nur den 20. Platz macht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2016)

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