Russische Melancholie von „Kalinka“ bis „Katjuscha“

Der Russian Gentleman Club: Georgij Makazaria, Roman Grinberg, Aliosha Biz, Alexander Shevchenko (von oben, im Uhrzeigersinn).
Der Russian Gentleman Club: Georgij Makazaria, Roman Grinberg, Aliosha Biz, Alexander Shevchenko (von oben, im Uhrzeigersinn).(c) RGC
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Mit dem Russian Gentlemen Club huldigt Georgij Makazaria der Nostalgie. Am Montagabend waren die Herren Teil der Austria-Gala der „Presse“.

Tscheburaschka hat braunes Fell, riesige Ohren, stammt vermutlich aus den Tropen und wurde in einer Orangenschachtel gefunden. „Eine Art russische Mickey Mouse“, sagt Georgij Makazaria, sei das Tier, und die Musik dazu sei „extrem lieb komponiert“ gewesen, irgendwie „Musik für die Gänsehaut“. Musik, die auch g'standene Herren im Anzug gern singen. Es sind Melodien wie jene der sowjetischen Kinderfernsehserie, die Georgij Makazaria, im Hauptberuf Sänger der „Willkommen Österreich“-Hausband Russkaja, mit den anderen Mitgliedern seiner Allstar-Band The Russian Gentlemen Club verbinden. Alle sind in der Sowjetunion aufgewachsen, teilen die gemeinsame Muttersprache. „Wir haben ja sonst wenig Möglichkeiten, Russisch zu sprechen.“ Dazu kommt das Gefühl, aus einem Land zu kommen, „das es nicht mehr gibt. Für uns gibt es kein Zurück.“

Ursprünglich, erzählt Makazaria, sei er allein mit seinem russischen Repertoire aufgetreten. „Ich wollte meine Passion für melancholische, pathetische, herzzerreißende Lieder stillen.“ Dann habe er sich den Geiger Aliosha Biz dazugeholt, den er im Weltmusikensemble Dobrek Bistro für sich entdeckt hat. Fix dabei sind inzwischen auch Roman Grinberg, in einem bessarabischen Schtetl geborener Pianist, Leiter des Jüdischen Chors und Wiener Fixgröße, und Alexander Shevchenko, gebürtiger Ukrainer – „in welchem Land sich sein Heimatort jetzt befindet, weiß nicht mal Osteuropa-Experte Hugo Portisch“, scherzt man bei den Gentlemen.

Reißende Schicksalsfäden

In der Band spielt Shevchenko musikalisch den „Gott am Knopfakkordeon“, gruppendynamisch den Stillen. Ab vier Personen gelten die Gesetze der Gruppendynamik, glaubt Makazaria, und jeder hat so seine Rolle. Er selbst, der einstige Metalsänger, gibt den Wilden, in Roman Grinberg sieht er den Weisen, „wir schauen alle zu ihm auf“.

Gemeinsam singen die vier Estrada-Lieder (das Äquivalent zum deutschen Schlager), Kosakenmelodien und Folklore („bei der man so schön leileilei mitsingen kann“), darunter ein Lied übers Anbandeln zwischen einem Hausierer und einer Dunkeläugigen, dessen Melodie man weltweit von „Tetris“ kennt. Ein Lied singt Makazaria sogar auf Georgisch, „da hab ich sehr lang üben müssen“, er stamme zwar aus einer georgischen Familie, habe die Sprache aber nie gelernt. Dazu kommen Zigeunerromanzen, Walzer oder Polka, Lieder mit traurigen Texten über reißende Schicksalsfäden und Geläufiges wie natürlich „Katjuscha“ (nach dem die Raketen benannt wurden) oder „Kalinka“, „das wohl bekannteste russische Lied aller Zeiten“. Es klinge vielleicht banal, sagt Makazaria, „aber es ist einfach schöne Musik, die wir gern am Leben erhalten“. Dabei habe man „eine ziemliche Gaude“, teilt Witze und Anekdoten und huldigt der Folklore, aber nicht jedem Klischee. „Die Sauferei zum Beispiel“, die sei ihm zuwider, er selbst trinke gar nichts mehr.

Im Dezember geben die Russian Gentlemen ein Weihnachtsgastspiel im Metropol. Wobei Weihnachten auf Kommunistisch zu Silvester stattgefunden hat, Väterchen Frost beschenkt hier in der Neujahrsnacht die Kinder. „Mit Religion war damals nix“, sagt Makazaria, man habe alles in einen Topf geworfen, in Summe aber durchaus weihnachtsartige Gefühle produziert. Bei seinen Großeltern, bei denen er in Moskau aufwuchs, sei jedes Jahr der gleiche Plastikbaum ausgepackt worden.

„Schrecklich“, wie man heute gern glaube, sei es damals für ihn nicht gewesen, sagt Makazaria, und als sein Jahrgang zum Militär (und in den Krieg in Georgien) eingezogen wurde, war er schon bei seiner Mutter in Österreich. Heute, in einer Zeit, in der Russland nur noch als geopolitischer Gottseibeiuns wahrgenommen werde, sei es ihm nun ein Anliegen, eine positivere Seite jenes Landes zu zeigen, aus dem er kommt. „Auch, wenn inzwischen Österreich meine Heimat ist.“

Auf einen Blick

The Russian Gentlemen Club besteht aus Georgij Makazaria (Russkaja, zuletzt Drittplatzierter bei den „Dancing Stars“), dem Pianisten und Dirigenten Roman Grinberg (Wiener Jüdischer Chor), dem Geiger Aliosha Biz, dem Akkordeonspieler Alexander Shevchenko und dem Klarinettisten Sasha Danilov in fließender Besetzung. Am Montagabend spielte die Band bei der Austria'16-Gala der „Presse“. Alles über die Österreicher des Jahres lesen Sie am 28. Oktober.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2016)

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