Der gute Rauch und seine Wirkungen

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Das Ritual des Räucherns hat nicht nur religiöse oder traditionelle Gründe, sondern wird auch als hygienische Maßnahme und Stimmungsaufheller eingesetzt.

Selbst so manch eingefleischter Schulmediziner, der die Pflanzentherapie gern ins esoterische Eck schob, gibt mittlerweile zu, dass Pflanzen mehr können als blühen und wachsen. Lavendel beispielsweise wirkt – schon wenn man ihn riecht – beruhigend, entspannend und stresslindernd. Und während die Wirkungen von Lavendel- und anderen ätherischen Ölen bereits gut erforscht sind und die Aromatherapie bereits in etlichen Krankenhäusern Einzug gehalten hat, hinkt die Forschung bei der Wirksamkeit des Räucherns hinten nach. „Das heißt aber noch lang nicht, dass es nicht wirkt“, sagt Friedrich Kaindlstorfer, Räucherexperte und Autor des Buches „Die Heilkraft des Räucherns. Mit heimischen Blüten, Kräutern und Harzen“.

Faktum ist: Beim Verbrennen und Verglühen von Kräutern und Harzen werden Rauch, Duft- und Wirkstoffe sowie feinstoffliche Energien freigesetzt, die Geist und Körper beeinflussen. Wie genau das passiert, ist noch nicht genügend erforscht. Bekannt und erwiesen ist indes: Duftsignale gelangen über die Nase in das limbische System, den Hypothalamus, den Thalamus und in andere Gehirnzentren und beeinflussen unsere Gefühle sowie viele Körperfunktionen. Auf diesem Weg können seelische und körperliche Heilreaktionen hervorgerufen werden. „Unbestritten ist auch die Wirkung verräucherten Fichtenharzes“, betont Kaindlstorfer, „das wirkt desinfizierend, reinigend.“


Rosmarin, Weihrauch und Wacholder. Diesen Effekt hat auch Weihrauch, der gerade rund um Weihnachten Hochsaison hat. Er wirkt antiseptisch, desinfizierend und entzündungshemmend. Beim Räuchern von Weihrauch werden unter anderem Monoterpene freigesetzt, die das Immunsystem stärken können. Weihrauch enthält mehr Ester als andere Stoffe und sorgt für seelische Ausgeglichenheit.

Apropos Seele: Gerüche gehen sofort ins Gemüt, erinnern uns, berühren uns, rufen Gefühle hervor. „Mit Weihrauch kann ich auch schmerzende Gelenke direkt beräuchern, das fördert die Durchblutung und hilft etwa bei Arthritis“, erklärt Kaindlstorfer. Man nehme dazu ein rauchgetränktes Tuch und reibe die entsprechenden, schmerzenden Körperstellen damit ein. Bei Spannungskopfschmerz empfiehlt Kaindlstorfer einen Räuchermix aus Angelikawurz, Mädesüß, Tannenharz und Veilchen.

Mit rauchgetränkten Tüchern könnte man auch Hund und Katze behandeln – etwa bei Parasitenbefall, bei Unruhe und Nervosität, bei Appetitlosigkeit. „Ein Schwerpunkt in meinem Buch sind Heilräucherungen für Nutz- und Haustiere, das gibt es erstmalig in einem Buch.“
Schutz von Haus und Hof. Im Hinblick auf seine Ausbildung ist er Diplom-Betriebswirt, ist in seiner Kindheit mit dem Großvater durch Stall und Bauernhaus gezogen, wo „mein Opa jedes Jahr Gebäude und Tiere geräuchert hat“. Räuchern ist ja nichts Neues, seit die Menschen das Feuer kennen wird dieses Ritual gepflegt, aus religiösen oder traditionellen Gründen, bei Zeremonien und Festen, als hygienische Maßnahme, zum Schutz von Haus und Hof, als Heilmittel – Räuchern ist heute noch in vielen Kulturen wichtiger Bestandteil eines ganzheitlichen medizinischen Ansatzes. Die Geschichte, aber auch die Praxis des Räucherns mit vielen Anwendungstipps beschreibt Kaindlstorfer ausführlich.

Seit neun Jahren ist er Betriebsleiter des ersten Zentrums für Traditionelle Europäische Medizin (TEM) in Bad Kreuzen. Ein Wort nur zu diesem Zweig der Alternativmedizin, in dem Pflanzen eine sehr wichtige Rolle spielen: Hier wird die Pflanze gemäß der Signaturlehre als Ganzes verwendet. Im Unterschied zur modernen Medizin, in der meist einzelne Inhaltsstoffe der Pflanze extrahiert werden. „Man weiß aber heute, dass die Wirkung von Phytopharmaka oft nicht auf einzelne Substanzen zurückzuführen ist, sondern dass erst das Zusammenspiel mehrerer Inhaltsstoffe wirklich effizient und für die gesunde Wirkung einer Pflanze verantwortlich ist.“


Stimmungslage verbessern. Im Laufe seiner Ausbildung auf der TEM-Akademie stieß Kaindlstorfer erneut auf das Räuchern. „Das hat mich so fasziniert und interessiert, dass ich in Deutschland einige Seminare dazu besucht und intensiv recherchiert habe.“ Seit fünf Jahren räuchert er regelmäßig, hält Vorträge dazu, bietet im Gesundheitszentrum gemeinsam mit Ärzten Räucherungen an. „Da begleiten wir Gäste auch, zum Beispiel bei Trauer, Trennung oder Traumen.“ Mit Wacholder ließe sich etwa ein seelischer Selbstschutz aufbauen, Rosmarin helfe beim Loslassen. Das mögen rein wissenschaftlich orientierte Naturen vielleicht nicht glauben, er habe aber an Hunderten von Menschen diese Wirkung erlebt, sagt er. Und in Kindergärten, in die er immer wieder zum Räuchern gerufen wird, hat er auch schon vielmals beobachtet, „dass Mädchen und Buben, die stark überdreht sind, sehr gut auf Rose, Lavendel, Zirbenholz und Alantwurzel reagieren und viel gelassener werden.“ Babys und Kleinkindern sollte man keiner Räucherung unterziehen, erst ab vier, fünf Jahren sind Räucherungen angeraten. „Bei Kindern verwendet man am besten ein Räucherstövchen, das raucht nicht so stark“, empfiehlt der Experte.

Jetzt in Grippezeiten empfiehlt er folgenden Mix: „Jetzt räuchere ich mit Rosmarin, Weihrauch, Thymian und Salbei präventiv mein Gewand und mein Haus.“ Die desinfizierende Wirkung von Weihrauch und erwähnten Kräutern ist wissenschaftlich belegt. „Ich füge noch Tannen- oder Fichtenharz dazu und bin so vor den Viren ziemlich gut geschützt“, sagt er und betont abschließend aber doch: „Ich kann mit Räuchern Viren abtöten, ich kann die Stimmungslage verbessern und die körpereigenen Heilkräfte anregen, aber heilen kann ich nicht.“ ?

Neu erschienen

„Die Heilkraft des Räucherns.Mit heimischen Blüten, Kräutern und Harzen“, von Friedrich Kaindlstorfer, 128 Seiten,
17,99 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2016)

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