Emma Stone: „Du musst verwundbar sein“

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US-ENTERTAINMENT-WOMEN'S BREAKFASTAPA/AFP/VALERIE MACON
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Schauspielerin Emma Stone spricht über ihren neuen Film „La La Land“, ihren holprigen Karrierestart und die frühe Unterstützung durch ihre Eltern. Außerdem erklärt sie, warum es für sie so wichtig ist, beim Schauspielen loszulassen und die Kontrolle abzugeben.

Ach, verliebt sein – das kann der Beginn von etwas Wunderbarem sein. „Oder nur ein weiterer Traum, den ich nicht erfüllen kann“, singt Ryan Gosling als Jazzpianist Sebastian, der sich im betörend melancholischen Hollywood-Musical „La La Land“ in Schauspielerin Mia, gespielt von Emma Stone, verliebt. Am kommenden Freitag läuft der nostalgische Oscar-Favorit in den Kinos an. Emma Stone im Interview.

In „La La Land“ spielen Sie eine Jungschauspielerin, die von ihrem Durchbruch träumt. Haben Sie selbst je Castingmarathons erlebt und dauernd „Nein, danke“ gehört?

Emma Stone: Oh ja, und wie. Einige meiner eigenen Erfahrungen, von denen ich dem Regisseur erzählt habe, wurden sogar in dieses Drehbuch aufgenommen. Das Schlimmste war gar nicht ein „Nein“, sondern wenn man mir nicht wirklich zuhörte. Das habe ich nicht nur einmal erlebt, dass es gleich nach einem einzigen Satz von mir auf der Bühne hieß: „Vielen Dank! Die nächste bitte.“ Das tut weh.


In diesem Musical bezaubern Sie nicht nur mit Ihrer Tanzfertigkeit, sondern auch noch mit großartigem Gesang. Sie klingen sehr sanft – viel zarter als in natura.

Ich bin also keine Fehlbesetzung – das bedeutet mir wirklich viel (grinst). Aber ich schmettere hier auch längst nicht so rotzig, wie ich schon mal die Sally Bowles aus „Cabaret“ gesungen habe, sondern bin ganz zurückhaltend. Geradezu ladylike.

Dabei hieß es lang, Sie dürften gar nicht singen, weil bei Ihnen Stimmbandknötchen diagnostiziert wurden. Auch Sänger Justin Timberlake litt daran. Haben Sie sich auch operieren lassen – oder wie wurden Sie das Problem los?

Ich habe die Operation vermieden. Stattdessen habe ich sehr viel Gesangsunterricht genommen, bis ich damals am Broadway auch wirklich in „Cabaret“ auftreten konnte. Und das war direkt vor den Dreharbeiten von „La La Land“. Außerdem war ich bei einem wunderbaren Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten in Behandlung, der ganzheitliche Medizin praktiziert und mich wieder hingekriegt hat.

Sie sollen ja mit 15 Ihre Mutter überredet haben, mit Ihnen nach L.A. zu ziehen, weil Sie vor die Kamera wollten. Ist das wahr?

Klar. Ich wollte ernsthaft Schauspielerin werden. Wir wohnten damals in Scottsdale in Arizona, aber ich wollte unbedingt nach Los Angeles.

Wie haben Sie Ihre Eltern von Ihrem Plan überzeugen können? Jede 15-Jährige hat Flausen im Kopf.

Richtig. Und falls mir meine Tochter je mit so etwas kommen würde, würde ich sie in ihrem Zimmer einsperren. Ich habe meinen Eltern einen Powerpoint-Vortrag gehalten, mit Ausschnitten von den 16 Schultheaterstücken, in denen ich mitgespielt habe. Dadurch war ich ja so besessen von dem Wunsch, Schauspielerin zu werden. Mein Vater klatschte in die Hände und sagte nur: „Na klar. Wenn sie das so unbedingt will, muss sie auch da hin.“

Also ging es nach Hollywood. Und dann?

Wir hatten gar keinen Plan. Ich habe wie eine Verrückte für alles Mögliche vorgesprochen, habe aber keine einzige Rolle ergattert. Dann folgten sogar ein paar Monate, in denen ich nicht einmal mehr zu Castings eingeladen wurde – das ist noch schlimmer, als nur abgelehnt zu werden.

Haben Ihnen die vielen Ablehnungen nicht das Herz gebrochen?

Natürlich haben wir überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, wieder nach Hause zu fahren. Nach drei Monaten ganz ohne Casting ging ich dann zu einem Vorsprechen für „Die Partridge Familie“ – ohne Termin, so richtig mit stundenlangem Anstehen. Und ich bekam den Job. Zwar wurde aus der Serie nichts, aber ab dem Tag ging's aufwärts. Damals habe ich auch meinen Agenten kennengelernt. Er managt mich übrigens bis heute und wartet sogar vor der Tür auf mich.


Ihre erste Filmrolle war dann der Komödienhit „Superbad“ vor genau zehn Jahren.

Meinen Eltern bin ich bis heute dankbar, dass sie nie darauf bestanden haben, dass ich mich auf meinen Schulabschluss konzentriere. Neben Mom und Dad gab es eine Person, die an mich glaubte und damit alles änderte: Casting Director Alison Jones. Drei Jahre war ich mehrfach bei ihr zum Vorsprechen, ohne je eine Rolle zu bekommen. Aber sie hat mich immer im Auge behalten. Und an einem Freitagnachmittag klingelte das Telefon und sie bat mich, zu einem Kameratest zu kommen, weil sie das Gefühl hatte, dass ich perfekt zu der einen Rolle passe. Und das war „Superbad“.

Haben Sie je daran gedacht, aufzugeben und Ihren Traum ad acta zu legen?

Doch, häufiger. Aber ich hab's dann doch nie durchgezogen (lacht). Der Gedanke kam mir besonders oft mitten in Dreharbeiten. „Also nach diesem Film steige ich aus . . . Für so ein Leben bin ich nicht geeignet, das lass ich lieber.“ Gerade jetzt macht mir mein Beruf unendlich viel Spaß. „Cabaret“, „La La Land“ und „Battle of the Sexes“ waren drei unglaublich tolle Erfahrungen. Ich könnte nur noch jubeln.

Sind Sie kompromisslos, was Ihre Ansprüche an den Beruf angeht?

Ich bin schon streng. Ich versuche, mich nicht davon beeinflussen zu lassen, wie groß und aufwendig die Produktion ist. Bei Riesenproduktionen neige ich dazu, richtig Angst zu haben, daher liegen mir kleinere mehr. Aber ich hatte nie das Gefühl, aus kommerziellen Gründen meine Seele zu verkaufen. Ich habe keinen einzigen Film gedreht, der mir künstlerisch gegen den Strich ging, aber andere Vorteile einbrachte – nie. Das heißt nicht, dass jeder Film am Ende so geworden ist, wie ich mir das erhofft habe. Aber ich könnte nie bei einem Projekt mitwirken, das mich nicht irgendwie inspiriert und begeistert.

In „Battle of the Sexes“ sind Sie demnächst als Tennislegende Billie Jean King zu sehen. Was reizte Sie an dieser Rolle?

Selbstverständlich der Kampf der Geschlechter (lacht).

Mit 70er-Jahre-Brille und blondem Pagenschnitt sind Sie kaum wiederzuerkennen.

Danke. Für diese Rolle musste ich erst einmal Tennis lernen. Zum Glück wurde ich von einer Profispielerin gedoubelt, denn so eine Sportskanone bin ich nun wirklich nicht. Aber ich habe versucht, zumindest ihren Aufschlag und die charakteristische Rückhand so hinzukriegen wie sie. Und habe nur einen einzigen Schläger zerstört (lacht). Der Film spielt 1973, als King nicht mehr ganz oben mitspielte und in einem legendären Match gegen den Weltranglistenersten Bobby Riggs antritt. Sie hat die Womens' Tennis Association mitgegründet, nachdem sich herausstellte, dass es große Unterschiede in den Preisgeldern zwischen Spielerinnen und Spielern gab.

In „La La Land“ sind Sie so hinreißend, dass jeder wettet, dass nun ein Oscar fällig ist. Eine wichtige Trophäe haben Sie schon in Venedig für Ihre Rolle bekommen . . .

(Lacht.) Der Preis war eine totale Überraschung. Ich konnte es gar nicht fassen, als ich morgens nach dem Aufwachen das E-Mail las. Herrlich.

Wann sind Sie denn einmal richtig stolz auf sich selbst? Erst mit einem Oscar – oder gibt es auch kleinere Situationen, in denen Sie sich leise zuflüstern: „Gut gemacht!“?

Ja. Ich bin stolz, wenn ich alles in mir für die Rolle mobilisiert habe. Wenn ich nichts zurückgehalten und alles, was ich in mir trug, vor die Kamera getragen habe. Einer der Gründe, warum ich Schauspielerin werden wollte, war, dass es in mir nicht nur die selbstbewusste Emma gibt, sondern auch die sehr vorsichtige, ängstliche, zurückhaltende Emma. Sie mag es, die Kontrolle über die Dinge zu bewahren. Aber dieser Beruf erfordert, dass du genau das ablegst. Du musst stattdessen verwundbar sein und dich loslassen. Wenn ich das schaffe, bin ich mit mir wirklich zufrieden.

Steckbrief

1988
wurde Emma Stone in der Kleinstadt Scottsdale in Arizona geboren. Ihre Großeltern väterlicherseits wanderten aus Schweden in die Vereinigten Staaten ein.

2007
spielte sie ihre erste große Rolle an der Seite von Jonah Hill und Michael Cera in der Komödie „Superbad“. Es folgten Erfolgsfilme wie „The Help“, „Freunde mit gewissen Vorzügen“, „The Amazing Spider-Man“, „Magic in the Moonlight“, „Birdman“ und „Irrational Man“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2017)

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