Happy hinter Stacheldraht: Wie Aktionskunst Angst entlarvt

Peter Tappler tritt als Geschäftsführer auf - Verdacht schöpfen die wenigsten.
Peter Tappler tritt als Geschäftsführer auf - Verdacht schöpfen die wenigsten.(c) Akos Burg
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„Happy Homes“. Wie weit geht man, um sein Haus zu sichern? Die Gruppe stahlglatt & blumeenweich bietet auf der Baumesse Stacheldraht unter Strom.

"Happy Homes“. HH. Schon das Logo könnte den Schwindel aufdecken. Oder der Stacheldraht „Modell Secession“ mit einem Preis von 249,90 Euro pro fünf Metern – und beim Stand auf der Messe Bauen und Energie zeigt ein Künstler noch die Luxusvariante: Nato-Draht, der vor Ort von Hand mit Blattgold verziert wird. Sicherheit für einen goldenen Käfig? Selbst der lässt viele Messebesucher, die am ersten Tag zum Stand kommen, nicht skeptisch werden. Die einen schauen irritiert, machen einen Bogen, andere kommen näher, erkundigen sich nach Preisen, der Rechtslage – und wenn sie sich länger unterhalten, fallen bei vielen schon sehr bedenkliche Aussagen, erzählt Peter Tappler.

Er, der Initiator der Aktion „Happy Homes“ und Mitglied der Künstlergruppe stahlglatt & blumeenweich, gibt im Anzug den Geschäftsführer der Firma. Mit ihrem Logo, einem Werbevideo, Prospekten, Mitarbeitern im Firmen-Overall oder Drahtrollen, wie Kunstobjekte unter Plexiglas ausgestellt, wirkt der Stand täuschend professionell. „Wir sind ein Familienbetrieb seit 1939, auf Zäune und Grenztechnologie spezialisiert. Wir bieten eine Einfriedung des Grundstücks mit Nato-Draht an. Sicherheit pur. Auf Wunsch handvergoldet und mit angelegter Hochspannung“, erklärt Tappler, was er den Messebesuchern erzählt.

Tatsächlich ist diese Firma eine Kunstaktion, ein „unsichtbares Theater“, mit dem sich die Gruppe in den Diskurs um Verfallstheorien, ein wachsendes Sicherheitsbedürfnis, Abschottung und Überwachung einschaltet. „Wir bieten eine Dienstleistung an, die so unwirklich nicht ist, wie sie auf den ersten Blick scheint“, sagt Tappler. Auch bei den Messebesuchern teilen sich – zumindest in den ersten Stunden – die Meinungen. Eine Gruppe von Männern bliebt stehen, sie wirken angetan, lassen sich beraten. „Unter Strom setzen? Das dürfen S' nicht. Da zeigt Sie der Einbrecher auch noch an, wenn Sie ihn stören.“ Andere unterhalten sich lang, schnell geht es um Unsicherheit, Einbrüche, Zuwanderung usw.

Eine Frau etwa sagt, sie lebe in der Nähe von Traiskirchen, wolle sich so einen Zaun anschaffen – wegen der Migranten. Ein anderer Interessent will den Zaun nur, wenn unter den messerscharfen Klingen genug Platz bleibt, dass sich Marder und Igel nicht verletzen. „Es ist ein Experiment mit nichts ahnenden Menschen, aber auch ein Kunstprojekt mit unsicherem Ausgang“, sagt Tappler. Er will austesten, wie weit das Sicherheitsbedürfnis der Besucher geht. So lenkt der vermeintliche Geschäftsführer die Gespräche schnell in eine „fatale Richtung“, wie er sagt. Spricht die Möglichkeit an, den Zaun unter Strom zu setzen, weist darauf hin, dass das tödlich sein kann – und wundert sich, wie ungerührt das manch einen Interessenten lässt.

Der überwiegende Teil der Besucher erkennt den Schwindel nicht, auch die Künstler lösen ihn nur selten auf. „Wir gehen künstlerisch-soziologisch heran, haben aber kein pädagogisches oder politisches Ziel.“ Die Auflösung findet man etwa versteckt auf der Website der Fake-Firma. Oder auf Info-Zetteln über das Projekt, die aber nur auf Nachfrage am Stand ausgeteilt werden. Der Großteil wird nicht aufgeklärt. Ob die Messebesucher es herausfinden und wie sie reagieren, ist offen. So wie auch, wie die Messe Wien auf den Stand reagiert – der wurde nämlich ohne Hinweis auf das Kunstprojekt gemietet. All das ist Teil der Performance.

Spiel mit Neugier und Voyeurismus

Die Gruppe stahlglatt & blumeenweich hat Erfahrung mit Aktionen dieser Art. Bekannt wurde etwa der „Österreicher-Test“, bei dem 2005 und 2010 überraschend viele Menschen vermeintlich wissenschaftlich testen ließen, ob sie „echte Österreicher“ sind. Die Gruppenmitglieder aus unterschiedlichen Bereichen – von Kunst, Soziologie, Technik bis Naturwissenschaft – spielen so immer wieder mit Neugier, Voyeurismus und Exhibitionismus der Zuseher. Auch im nächsten Projekt, einer geplanten Schimpf- und Wut-Hotline. Wozu? „Wenn diese Frage nach dem Wozu auftaucht“, meint Tappler, „ist das Ziel schon erreicht.“

AUF EINEN BLICK

Die Fake-Firma „Happy Homes“ und ihr Messestand für „Super Security Systems für Glück und Entspannung im Eigenheim“ ist noch bis zum 19. Februar am Stand A0527 bei der Bauen-und-Energie-Messe auf dem Wiener Messegelände zu sehen.

Die Gruppe hinter dieser Aktion nennt sich stahlglatt & blumeenweich – eine aktionistische Künstlergruppe, die bereits mit ähnlichen Aktionen aufgefallen ist, etwa dem „Österreicher-Test“ 2005 und 2010.

Web: happy-homes.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2017)

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