Joachim Bißmeier: "Lesen ist wie eine Rolle"

Joachim Bißmeier
Joachim BißmeierReinhard Werner Burgtheater
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Schauspieler Joachim Bißmeier über seine späte Rückkehr ans Burgtheater und Stefan Zweig, dessen Schachnovelle er am Donnerstag liest.

Am Vormittag des 21. Februar 1942, es war ein Samstag, ging Stefan Zweig im brasilianischen Petropolis auf die Post, um drei Texte aufzugeben. Drei Mal hatte seine Frau Lotte die „Schachnovelle“ abgetippt, adressiert waren sie an zwei Verleger in New York und einen Übersetzer in Buenos Aires. Ein weiteres Exemplar blieb in Petropolis. Am Abend des selben Tages hatten die Zweigs einen befreundeten Berliner Journalisten und dessen Frau zu Gast. Stefan Zweig spielte mit ihm Schach und schenkte ihm zum Abschied seine Schreibmaschine. Am Sonntagabend nahmen Zweig und seine Frau Lotte eine Überdosis des Schlafmittels Veronal.

So berichtet Klemens Renoldner, Leiter des Stefan Zweig Centre Salzburg, über die letzten Tage des Schriftstellers und dessen letztes Werk. Vor vier Jahren hat er dessen originale Version als Reclam-Heft erstmals herausgegeben. Joachim Bißmeier hat damals bei der Präsentation daraus gelesen. Doch lieber als nur einzelne Ausschnitte wollte er die ganze Schachnovelle lesen. Er begann, sich damit zu beschäftigen, „bis ich herausgefunden habe, dass man auf gewisse Teile verzichten kann“. Auf eineinhalb Stunden ohne Pause hat er sie nun selbst gekürzt: Die Geschichte sei so dicht und voller Wendungen, „dass die Spannung bis zum Ende hält“.

Kein Wort über die Peymann-Ära

75 Jahre nach dem Tod Zweigs liest Bißmeier die berühmte Geschichte über die Partie zwischen einem Schachweltmeister und einem Wiener Emigranten auf einem Passagierschiff nun am Donnerstag im Theater Akzent – im Rahmen des Schwerpunkts „Ach, Sie sind mir so bekannt“ widmet sich das Theater zum 5. Mal Legenden mit jüdischen Wurzeln. Dabei, sagt Bißmeier, sei er „gar kein begabter Vorleser“, zumindest bewundere er jene Kollegen, die „sich einfach hinstellen und das vom Blatt lesen können. Für mich ist das wie eine Rolle, auch wenn die Buchstaben vor mir auf dem Blatt stehen. Es ist genauso schwierig.“

Eigentlich, sagt der 80-Jährige, der fast drei Jahrzehnte am Burgtheater gespielt hat, versuche er ja schon seit Jahren, sein Arbeitspensum zu reduzieren. Doch er habe die kleinen Dinge, die mit ein, zwei Aufführungen, unterschätzt. „Weil für mich die Vorbereitung das Wichtige ist. Und die ist immer gleich lang. Selbst wenn ich nur lese, brauche ich eine gewisse Zeit, um mich der Sprache zu nähern und die Struktur zu verstehen.“

Daneben spielt der gebürtige Deutsche, der in den Sechzigerjahren für vermeintliche zwei, drei Jahre nach Wien kam, auch am Burgtheater. Wieder. Über seinen Abgang damals, seine freiwillige Karenzierung 1992 mitten in der Peymann-Ära, möchte er dabei gar nicht sprechen, zu viele falsche, eindimensionale Geschichten würden kursieren. Er habe jedenfalls seine Gründe gehabt, eine mögliche Rückkehr habe sich nie ergeben. Bis „aus heiterem Himmel“ der Anruf kam mit dem Angebot, in Peter Steins Inszenierung neben Klaus Maria Brandauer als König Lear den Grafen von Gloucester zu spielen. Ursprünglich, sagt Bißmeier, hatte er ja nicht vorgehabt, an „sein“ altes Theater, „das in der Zwischenzeit einen weiten Weg zurück gelegt hat“, je zurückzukehren. „Aber so ein Gastspiel ist schön.“ Zumal es sich nun schon seit Jahren hinzieht – im April feiert man die 50. und (vorläufig) letzte Vorstellung. Daneben spielte er in Professor Bernhardi und, neben Ofczarek und Maertens, in Becketts „Endspiel“, als Hamms beinloser Vater Nagg, der mit Nell in einer Mülltonne vegetiert.

Auch Film und Fernsehen hat er noch nicht abgeschworen, auch wenn gerade kein Projekt spruchreif ist. Gern erinnert er sich an den „Überfall“ mit Düringer und Hader, eine intensivere Arbeit als sonst, „wo man für ein paar Drehtage kommt und schon wieder fertig ist, bevor man sich noch orientiert hat“. Gemocht habe er letztlich aber auch die Rolle als Konrad Adenauer – das Doku-Drama über Deutschlands ersten Bundeskanzler wird am 18. April zu dessen 50. Todestag wiederholt. Er habe gezögert, „jemanden zu spielen, der einer ganzen Zeit seinen Namen aufgedrückt hat“. Doch genau dieses Zögern habe ihm letztlich den Part verschafft. Ansonsten ist Bißmeier froh, dass der Winter vorbei ist. Er brauche die körperliche Arbeit im Haus in der Oststeiermark, da sei er „nicht geschickt, aber bemüht. Ich bin froh, dass ich wieder Holzhacken kann“. Schach spielt er übrigens nicht.

ZUR PERSON

Joachim Bißmeier wurde 1936 in Bonn geboren und lebt in Wien und der Oststeiermark. Von 1965 bis 1992 war er am Burgtheater engagiert. Im Kino war er u. a. in „Der Überfall“, „Napola“, „Vielleicht in einem anderen Leben“ und zuletzt „Jeder stirbt für sich allein“ mit Brendan Gleeson, Emma Thompson und Daniel Brühl zu sehen.

„Ach, sie sind mir so bekannt“: Das Theater Akzent veranstaltet zum 5. Mal Abende zu musikalischen und literarischen Legenden mit jüdischen Wurzeln. Bißmeier liest die Schachnovelle, 30. März, 19.30 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2017)

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