Der geizige Geiger

Er ist auf die Rolle des sympathischen Neurotikers abonniert. Schauspieler und Komiker Dany Boon im Gespräch über Geld und wahre Werte.

Als Dany Boon an einem nasskalten Wintertag die Suite in einem Hotel in Berlin betritt, ist von seiner überschwänglich guten Laune, die er auf der Leinwand versprühen kann, zunächst nichts zu spüren. Routiniert beantwortet er die ersten Fragen. Doch dann taut der 50-jährige Schauspieler, Komiker und Regisseur auf. Und so witzig und charmant wie in seinen Filmen erleben wir ihn nun im Interview. Weltweit bekannt wurde Dany Boon mit seiner Erfolgs-Komödie „Willkommen bei den Sch’tis“, mit über 20 Millionen Zuschauern der erfolgreichste Film in Frankreich aller Zeiten. In seiner neuen Komödie „Nichts zu verschenken“ spielt Dany Boon einen begnadeten Geiger, der schon Schweißausbrüche bekommt, wenn er nur die kleinste Rechnung bezahlen muss. Doch als er sich verliebt, versucht er seine Marotte in den Griff zu bekommen.

Warum wollten Sie ausgerechnet diesen zunächst unsympathischen Geizhals spielen?

Mich hat die Geschichte sehr berührt, als ich das Drehbuch gelesen habe. Alle großen Emotionen kommen darin vor. An einigen Stellen musste ich lauthals lachen, dann wieder hatte ich Tränen in den Augen. So soll es sein, genau das macht eine gute Geschichte aus. Aber ich hatte Bedenken, ob man mir den Violinisten abnimmt. Mir war klar, dass ich kein Profi mehr werde. Aber für die Rolle musste ich das Instrument zumindest einigermaßen überzeugend spielen können. Ich habe dann mit der ersten Geigerin des Rundfunk­orchesters Orchestre Philharmonique de Radio France geübt. Wahrscheinlich habe ich sie an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht.


Sie selbst sind mit wenig Geld aufgewachsen. Kam Ihnen irgendetwas am Verhalten dieses Mannes bekannt vor?

Er könnte sich einen angenehmen Lebensstandard leisten, tut es aber nicht, weil er geizig ist. Er kauft zum Beispiel abgelaufene Lebensmittel, weil sie günstiger sind. Und seine Speisekammer ist voll mit Sonderangeboten. Auch bei uns zu Hause gab es immer das billigste Essen. Aber nicht, weil meine Eltern geizig waren, sondern weil sie so wenig Geld hatten. Ich bin beispielsweise zu Fuß zur Schule gegangen, weil wir es uns nicht leisten konnten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.


Heute verdienen Sie viel Geld. Wie fühlt sich das an?

Am Anfang war das gar nicht so einfach. Da habe ich immer Vergleiche angestellt, wie es in meiner Kindheit war und wie wenig wir da hatten. Ich musste mich erst an die neue Situation gewöhnen. Irgendwann brauchte ich sogar Leute, die sich um meine Einnahmen kümmern. Ein Albtraum, aber ich muss das machen. Mit diesen Typen hast du dann lange Meetings, die mich immer sehr ermüden. Und am Ende bin ich der Einzige, der nicht bezahlt wird. Doch meine erste Reaktion, als ich dann Geld verdiente, war, dass ich mich schuldig fühlte.


Wie meinen Sie das?

Zu Beginn meiner Karriere bin ich als Stand-up-Comedian in großen Theatern aufgetreten, und da habe ich an einem Abend manchmal mehr Geld verdient als meine Eltern in einem Jahr. Das ist doch verrückt! Ich bin in einem kleinen Haus aufgewachsen, das meine Eltern damals für umgerechnet 10.000 Euro gekauft hatten. Dafür mussten sie ein Darlehen aufnehmen. Und diese Raten haben sie ihr ganzes Leben lang abbezahlt. Ich spreche bis heute nicht mit meiner Mutter darüber, was ich verdiene. Wir könnten darüber reden. Aber wir wollen es nicht. Natürlich helfe ich meiner Familie finanziell. Ich habe meiner Mutter beispielsweise ein schönes Haus geschenkt. Eigentlich hätte ich ihr gern ein größeres gekauft, aber das wollte sie nicht.


Mit welchen Werten sind Sie aufgewachsen?

Mein Familie war zwar arm. Aber der Rest stimmte. Wir haben immer zusammengehalten und ich mochte vor allem die Einstellung meiner Eltern, mit der sie uns Kinder erzogen haben. Sie haben uns zum Beispiel beigebracht, dass es wichtig ist, zu teilen. Darum geht es ja auch im Film. Sie haben immer zu mir gesagt: Du bist dann reich, wenn du erfüllte Beziehungen zu Menschen hast, die dir wichtig sind. Das ist der wahre Wert, und nicht, dass du möglichst viel Geld auf deinem Konto hast. Ich werde meine Herkunft nie vergessen und mich immer daran erinnern, woher ich komme und wie ich aufgewachsen bin.


Was ist Ihnen bei der Erziehung Ihrer Kinder wichtig?

Anders als ich damals wachsen meine Kinder in wohlhabenden Verhältnissen auf. Aber ich will nicht, dass sie den Bezug zur Realität verlieren. Sie sollen ihre privilegierte Situation zu schätzen wissen. Es sind einfache Regeln, die ich ihnen beibringe, zum Beispiel, andere Menschen mit Respekt zu behandeln.


Wie sah Ihr Leben damals in Paris aus?

Ich erinnere mich noch sehr genau daran. Es gab eine Zeit, da reichte mein Geld gerade einmal aus, um mir einen Liter Milch und ein Baguette am Tag zu kaufen. Mehr war nicht drin. Übernachtet habe ich bei Freunden, eine Wohnung hatte ich damals nicht. Die konnte ich mir nicht leisten. Aber ich habe einfach immer weitergemacht.


Warum haben Sie nicht aufgegeben?

Das hat bestimmt mit meiner Kindheit zu tun. Ich wusste ja, wie es ist, mit sehr wenig Geld auszukommen. Ich kannte also nichts anderes.


Der Mann, den Sie im Film spielen, hasst es, Geld auszugeben. Für welche Dinge geben Sie nicht gern Geld aus?

Als Kind konnten wir uns keine Ferien leisten. Und wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass ich Hotels immer noch als teuer empfinde. Und bis heute fällt es mir schwer, einfach so Urlaub zu machen. Deshalb gebe ich dafür auch nicht gern Geld aus. Doch natürlich brauche ich Ferien, ich arbeite sehr viel, man könnte mich fast schon als Workaholic bezeichnen. Und inzwischen kann ich einem Urlaub auch etwas abgewinnen, denn da habe ich endlich einmal richtig Zeit für meine Frau und meine Kinder. Aber ich denke jedes Mal, so ein Urlaub ist doch ganz schön teuer.

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