Jubiläum

Wo der Bass wirklich wichtig ist: Ein Ball für alle Bedürfnisse

Monika Haider lädt zum Diversity Ball.
Monika Haider lädt zum Diversity Ball. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Monika Haider lädt am Samstag zum 10. Mal zum Diversity Ball. Noch im Kursalon, denn eine größere barrierefreie Location zu finden ist schwierig.

Vormittags gegen halb elf ist Zeit für eine Pause. Eine Gruppe junger Leute steht hinter dem gelben Biedermeierhaus unter Bäumen in der Sonne, raucht und tratscht. Still, mit vielen Gesten. Wer Monika Haider besucht, landet schnell in ihrer Welt, „die aber vielen erst einmal fremd erscheint“, wie sie wenig später bei einem Kaffee in ihrem Büro erzählt.
Rund um sie herrscht an diesem Vormittag die Betriebsamkeit eines normalen Arbeitstags, manche Mitarbeiter sprechen miteinander, andere tauschen sich in Gebärdensprache aus, zweisprachig sind alle, das ist in Haiders Schulungszentrum Equalizent am Wiener Augarten Pflicht. Aber wo ist die Hektik, die man von Organisationsbüros kurz vor dem Tag X kennt?

Monika Haider winkt ab. Im Grunde sei ihr dreiköpfiges Organisationsteam schon eine Woche vor dem Ball mit den planbaren Vorbereitungen fertig. Jetzt müsse man sich nur noch um das Unvorhergesehene kümmern. Und mittlerweile habe man ja auch eine gewisse Routine: Zehn Jahre ist es her, dass Haider den Diversity Ball erfunden hat. Gebärdensprache war damals erst frisch anerkannt, „und es war an der Zeit, das Thema Gehörlosigkeit in alle Ecken zu bringen.“ Sozialpolitisch sei darüber zwar berichtet worden, „aber in Wirtschaft oder Society kaum“.

Anfänge am Steinhof

Der erste Ball fand mit 300 Besuchern im Jugendstiltheater Steinhof statt, nach drei Jahren übersiedelte man in den Stadtpark in den Kursalon. Zuerst feierte man dort nur im Untergeschoß, später auch oben, dann auch auf den Terrasse, heute platzt das Haus quasi aus allen Nähten. Eine größere Location zu finden ist allerdings schwer. Dank neuer Veranstaltungsgesetze, die zwar Barrierefreiheit vorschreiben, aber den Zugang damit gleich auch wieder reglementieren. Ins Palais Niederösterreich etwa, für das sie sich interessiert hätte, dürfen demnach nur sechs Rollstuhlfahrer, schildert Haider. „Aber zu uns kommen 50 oder 60.“

Dass sich ihr Ball nicht nur an Gehörlose richten dürfe, das sei ihr nämlich immer klar gewesen. Alle anderen Bälle würden sich ohnehin an Zielgruppen wenden, „aber keiner Beschäftigt sich mit dem Miteinander in der Gesellschaft“. Auf dem Diversity Ball gibt es für Blinde ein 3-D-Modell des Kursalons, den sie sich so vorher einprägen können, das komplette Programm wird in Gebärdensprache übersetzt, Communication Angels helfen, Brücken zu bauen. Dass je zwei Besucher ein Einlassband mit der gleichen Nummer bekommen, soll beim Anbandeln, sprich Kennenlernen, helfen. „Wer sich findet, wird auf ein Getränk eingeladen.“ Es gehe darum, Berührungsängste zu überwinden, sagt Haider, die in den Neunzigern schon den Integrationsball organisiert hat. „Egal ob jemand behindert oder gehörlos ist, aus einer anderen Kultur kommt oder anders gekleidet ist.“ Apropos: Ihr Kleid (aus einem Tischtuch, einem Vorhang und Lkw-Planen) kommt vom Upcycling-Projekt Gabarage, das ehemals Suchtkranken beim Wiedereinstieg hilft – und auf dem Ball sein 15-Jahr-Jubiläum feiert. Insgesamt arbeitet Haider für den Ball mit 120 Organisationen zusammen.

In ihrem eigenen Unternehmen bietet sie Weiterbildung für Gehörlose, abends wird das Haus zu „einer Art Volkshochschule“ für die gleiche Zielgruppe. Gerade gab es den ersten Vorbereitungslehrgang für Assistenzpädagoginnen – in zwei Jahren werden die ersten gehörlosen Pädagoginnen in Kindergärten arbeiten. Nicht zuletzt deshalb, „weil gehörlose Kinder Vorbilder brauchen“. Auch ein geeignetes Instrument für die Kindergärtner ist gefunden: Das Akkordeon.

Auf dem Ball spielt hingegen der Bass eine wichtige Rolle. Auch gehörlose Menschen tanzen gern, versichert Haider. Und ein guter Bass sei dabei durchaus hilfreich. Aufspielen werden etwa die Polizeimusikkapelle oder die Krumbacher Damenschuhplattler, Tamara Mascara und Zoe wirken mit, und Mario Soldo organisiert mit Secondhand-Kleidern eine Modenschau mit Models, die eher nicht den Normen entsprechen. Zumal für das Motto die Bundeshymne umgedichtet wurde: „Heimat bist du großer Vielfalt.“

Zur Person

Monika Haider ist Sozialarbeiterin, Pädagogin und hat ein Postgraduate-Studium in Management. Ihre erste Stelle war in einem Gehörloseninstitut, danach erwirkte sie mit Eltern die Integration behinderter Kinder ins Regelschulwesen, seit 2004 führt sie das Schulungs- und Beratungszentrum Equalizent. Es bietet u. a. Berufsorientierung und Beratung zu Diversity Management und arbeitet daran, Gehörlosen neue Berufe zu ermöglichen. Am Samstag findet im Kursalon zum 10. Mal der Diversity Ball statt. www.diversityball.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2017)

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