Gemeinsam gegen die Leinwand: Jugendliche malen mit Managern

Ákos Burg
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Beim Projekt Artrium greifen arbeitslose Jugendliche gemeinsam mit Erwachsenen zum Pinsel. Das ist für beide Seiten nicht immer leicht.

Ein Bild von einem Berg, eine weiße Spitze, blauer Himmel, am Fuße grüner Wald, braune Straßen – und ein dicker, grauer Weg, der sich den Berg hinaufschlängelt und dann aufhört, als ob der Berg ihn aufgesaugt hätte. Es ist ein Bild vom K2, dem höchsten Berg Pakistans, gemalt von Post-CFO Walter Oblin und Abu. Der dicke, graue Weg, erzählt Abu, führe zu einem Dorf: „Es ist das schönste Dorf der Welt, glaube ich.“ Er sei ein Mal dort gewesen, seither müsse er immer wieder daran denken.

Oblin und Abu lernten sich an einem Nachmittag im Atelier des Künstlers Oliver von Feistmantl in der Wiener Leopoldstadt kennen – beide als Teilnehmer des Projekts Artrium, bei dem junge Menschen, die Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt haben, mit Leuten aus der Wirtschaft Bilder malen. Das Ziel des Projektes ist Bewusstseinsbildung – für das, was es da draußen noch gibt außer der eigenen Realität. Durch die gemeinsame, kreative Betätigung fallen recht schnell Barrieren weg. Bei der Motivsuche werden Gemeinsamkeiten entdeckt – so wie Abus und Oblins Liebe für die Berge. „Interessant ist auch, dass immer einer von den beiden Malenden den Prozess dominiert“, sagt Feistmantl. Am Dienstagabend wurden auf der FH Wien der WKW die aktuellen Kunstwerke präsentiert. Es ist sozusagen der siebte Jahrgang der Artrium-Bilder. Anwesend waren viele mitwirkende Jugendliche und zahlreiche ihrer Malpartner aus der Wirtschaft, die Stimmung war heiter, eine Band spielte. Es ist ein Projekt des Austausches, des Auslotens von Berührungspunkten, des Sichtbarmachens zweier Welten.

Die Gleichheit vor der Leinwand

Vor allem ist es aber ein Projekt des gemeinsamen Kampfes gegen eine weiße Leinwand. Denn, und da seien offenbar alle Teilnehmer gleich: „Beide haben keine Ahnung, was sie tun“, meint Feistmantl, der die künstlerische Leitung des Projekt innehat. Der erste Griff zum Pinsel sei ein schwieriger: „Vor allem bei den Erwachsenen ist die Hemmschwelle sehr hoch.“ Dazu überwinden konnten sich neben Oblin in den vergangenen sieben Jahren etwa auch schon Moderatorin Miriam Hie, ORF-III-Geschäftsführer Peter Schöber, ÖBB-Vorstandsmitglied Silvia Angelo, Trzesniewski-Geschäftsführerin Sabine Weiß oder Helmut Kern, Geschäftsführer des Krankenhauses Barmherzige Brüder Wien.

Zusammen mit den Jugendlichen, die über das AMS zu Artrium finden, wird dann gemalt. Bei Oblin und Abu war das Gemälde des K2 in 25 Minuten fertig, wie Abu stolz zu Protokoll gibt, bei anderen dauert das länger. Zum Beispiel bei Melike, Sunny, Malte Andritter und Nils Rovira-Muñoz: „Wir haben demokratisch damit begonnen, dass jeder von einer Ecke weg gemalt hat“, erzählt Andritter, der als Theaterpädagoge am Wiener Volkstheater arbeitet. Rovira-Muñoz ist dort Schauspieler, Melike möchte später in der Medizin arbeiten – und Sunny würde gerne einmal Maler und Anstreicher werden. Sie sind seit über einem halben Jahr beim AMS in Betreuung.

Beim Malen probiert man aus

Zwei oder drei Stunden hätten die Vier dann für das Bild gebraucht: Entstanden ist ein Mosaik in verschiedenen Farben, durchsetzt mit den Spuren unterschiedlicher Techniken. Das Bild haben sie „So hab ich mir das nicht vorgestellt“ genannt: „Beim Malen probiert man Sachen aus, Techniken, Farben – und oft steht man dann davor und sagt: ,So hab ich mir das nicht vorgestellt.' So ist es uns auch ergangen“, sagt Andritter. „Das ist auch ein Symbol für einen Lebenslauf: Der ist nicht immer geradlinig, Sachen passieren oft anders, als man sich das zuerst denkt.“

ZUM PROJEKT

Artrium ist die künstlerische Schiene des Vereins Training, Integration & Weiterbildung (TIW). Der Verein vermittelt über Programme des Arbeitsmarktservice sozial benachteiligte arbeitslose Jugendliche an Unternehmen, in denen sie Ausbildungen, Lehren oder Praktika absolvieren können. 2014 wurden 600 Jugendliche betreut, 385 Betriebe arbeiten mit TIW zusammen. TIW gibt es seit 2004, das Projekt Artrium seit sieben Jahren.

Web:www.verein-tiw.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2017)

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