Der Life Ball will seine Botschaft besser kommunizieren – etwa mit „Heute Leben“-Moderatorin Verena Scheitz und einer Kampagne von Peter Lindbergh.
Auf den ersten Blick war vieles wie immer: Die Pressekonferenz im Untergeschoß des Le Méridien, ausladend mit all den Info- und Goodie-Ständen der Sponsoren und der Zeit, die man haben muss (zwei Stunden). Aber dann gab es diese Momente, wo klar war, dass in so mancher Hinsicht neue Zeiten angebrochen sind. Etwa, wenn sich Verena Scheitz, die mit Conchita durch den Abend des Life Ball führen wird, vorstellt, indem sie erklärt, normalerweise mache sie Bügelfernsehen.
Wolfram Pirchners „Heute Leben“-Kollegin, die dem Life Ball skeptisch gegenüberstand? Keszler hat sie bei den „Dancing Stars“ kennengelernt; sie ist eine Antwort auf die Selbstkritik, die er sich neuerdings auferlegt. Der Life Ball sei zuletzt zwar voller Lebensfreude, aber auch nicht frei von Dekadenz gewesen. „Und mir war nicht bewusst, wie komplex wir waren.“ Während man inhaltlich über Möglichkeiten der Verringerung der Mutter-Kind-Übertragung in Afrika gesprochen habe, „gibt es in Österreich immer noch Leute, die den Unterschied zwischen HIV und Aids nicht kennen“.
Ersteres bezeichnet den Immunschwächevirus, Letzteres das Vollbild der Erkrankung, der Unterschied ist wichtig. Wer infiziert ist, muss behandelt werden, um den Ausbruch der Krankheit zu verhindern. Wer behandelt wird, kann ein normales (Arbeits-)Leben führen – und ist selbst praktisch nicht infektiös. Weshalb es heuer also kein mehr oder weniger provokantes Ballplakat gibt, sondern eine langfristige Kampagne, die darauf abzielt, Menschen anzuregen, sich testen zu lassen. „Know Your Status“ lautet die Botschaft, die zugehörigen Bilder hat Peter Lindbergh geliefert, Begründer des Supermodel-Phänomens der Neunziger und selbst eine Ikone der Fotografie.
Zu Jahresbeginn habe das lang ersehnte Treffen mit ihm in New York stattgefunden, berichtete Keszler. Fünf Sujets sind geplant, drei gibt es bereits. Darauf zu sehen sind die US-Schauspielerinnen Uma Thurman und Kate Winslet und mit Tatjana Patitz eines von Lindberghs besagten Supermodels – alle mit Pflaster in der Armbeuge als Zeichen eines absolvierten HIV-Tests. Lindbergh habe sie im Anschluss an kommerzielle Shootings für den Life Ball vor die Linse gebeten, so Keszler. Kostenlos, ein Lindbergh-Shooting wäre „unfinanzierbar“. Die Pause, die der Life Ball 2016 eingelegt hat, sei im Übrigen keine gewesen, man habe die Zeit zur Neuaufstellung genutzt. Ganz friktionsfrei dürfte es hinter den Kulissen aber nicht zugegangen sein. Der Ausfall habe auch bei Mitarbeitern zu Verunsicherung geführt, gestand Keszler, ein Gutteil des Teams scheint ihm abhandengekommen zu sein. Jedenfalls bedankte er sich – dann doch noch emotional – bei zwei Verbliebenen, Strategin Judith Wieltschnig und Künstlermanager Amir Salar Sirdjani.
Swarovski-Preis fällt aus
Und nicht nur Mitarbeiter sind dem Life Ball abhandengekommen, auch Sponsoren: Zwölf an der Zahl, besonders schmerzt der Verlust von Swarovski: Der Tiroler Kristallhersteller hatte zuletzt über Jahre hinweg den „Crystal of Hope“-Preis an ein internationales HIV-Projekt gespendet. Keszler richtete einen „Appell an Swarovski, es sich doch noch zu überlegen. Wir brauchen die Unterstützung“.
Die Show selbst wird übrigens heuer auch ohne Modeschau daherkommen, eher wie eine Kabarettshow der Zwanzigerjahre. „Die Spannung und Erwartung sind heuer besonders groß“, formulierte Kulturminister Thomas Drozda. Kommen werden etwa Naomi Campbell und Joss Stone; weitere Namen wollte Keszler nicht nennen. Er werde aber die Berichterstattung verfolgen – und „dem Medium, das am ernstesten berichtet, einen neuen Star verraten“.
AUF EINEN BLICK
Der Life Ball findet nach einem Jahr Pause heuer am 10. Juni statt. Erwartet werden u. a. Naomi Campbell und Joss Stone. Das Motto lautet „Recognize the danger“, es will auf gesundheitliche wie politische Gefahren aufmerksam machen. Schon am 6. Juni findet das Life + Celebration Concert im Burgtheater statt. Im Hintergrund wurde aus dem Trägerverein Aids Life die Dachmarke Life Plus, die sich verstärkt um Aufklärung bemühen will, etwa mit dem Life Ball Next Generation für 16- bis 18-Jährige (11. Juni) und einer von Peter Lindbergh fotografierten Kampagne.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2017)