Austropop: Mit Zorn gegen die Wutbürger

Wilfried (m.) mit seinen Mitstreitern, dem Brasilianer Carlos Barreto-Nespoli (l.) und seinem Sohn Hanibal.
Wilfried (m.) mit seinen Mitstreitern, dem Brasilianer Carlos Barreto-Nespoli (l.) und seinem Sohn Hanibal.(c) Regine Spielvogel
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Der schwer erkrankte Wilfried präsentierte sein überraschend vital klingendes Album „Gut Lack“ in der Vereinsmeierei zu Pressbaum.

Lächeln umspielt sein wettergegerbtes Gesicht. An der linken Seite des kahlen Schädels ist die Operationsnaht, die vom schweren Eingriff im Herbst herrührt, zu sehen. Seit vier Jahren kämpft Wilfried Scheutz gegen den Krebs. Der stets vor Kraft strotzende Austropopstar aus Bad Goisern, Pionier der Verschmelzung von volks- und popmusikalischer Sounds, bäumt sich gegen das Schicksal auf. Ungeachtet der für ihn ungewöhnlichen körperlichen Schwäche versammelte er Freunde und Musiker in seiner Vereinsmeierei zu Pressbaum, um sein neues Album „Gut Lack“ vorzustellen.

Die Musik haben der junge Brasilianer Carlos Barreto-Nespoli und Wilfrieds Sohn Hanibal Scheutz komponiert. Wilfried herzt die beiden coram publico. Besonders stolz ist er auf seinen Sohn, der hauptberuflich bei den 5/8erl in Ehr'n den Kontrabass zupft. „Er ist ein echter Musiker, nicht nur ein Talent wie ich.“ Und schon ertönt der Titelsong „Gut Lack“, ein Wortspiel aus dem Englischen „Good Luck“ und dem „Lack“ aus dem Halbstarkenjargon der Fünfzigerjahre.

Die Stimme hat immer noch eine Anmutung von rauer Herzlichkeit. „Von Anfang schon wieder aufgeb'n, das ist die Regel hierzuland. Nimm a Schaufel, grab dich aus, aus deinem tiefen Loch.“ Zu kämpfen hatte der 1950 in Bad Goisern geborene Sänger in seiner Karriere immer schon. Es begann mit Hits wie „Mary, oh Mary“ (Platz drei) und dem deftig erotischen „Ziwui Ziwui“ mit seinem unvergesslichen Refrain „Ziwerl Zawerl Zechnkas, es schlogt schon hoiwa druia“, das Platz vier der heimischen Charts eroberte. Mit der heute von DJs viel gesuchten Funknummer „S'Katherl“ und der steinerweichenden Ballade „Neonlicht Maria“ schuf er Kulthits. Genres zu wechseln war ihm stets ein Leichtes. Gemeinsam mit dem späteren Falco-Produzenten Robert Ponger schuf er 1979 das zeitlose Discoalbum „Nights In The City“. Und als Sänger der Ersten Allgemeinen Verunsicherung probierte er sich erfolgreich im Fachgebiet Popkabarett.

Stehaufmanderlqualitäten

Etwas über ein Jahr blieb er in der EAV. Bis heute hielt hingegen die Verbindung mit der damals auch mitwirkenden Marina Tatic, die sich an diesem lauen Sommerabend gastronomisch um die Gäste kümmert. Zuweilen musste sie auch seelsorgerisch wirken. Denn die Diskrepanz zwischen der kraftvollen Stimme Wilfrieds, die bei Songs wie „Lack“ und „Trottel“ wie in besten Zeiten vibrierte, und der derzeitigen, körperlichen Schwäche, zerrte an manch Freundes Nervenkostüm. Sie hoffen auf Wilfrieds Stehaufmanderlqualitäten. „Im Ernstfall rettet mich mein Hang zum Blödsinn“, sagt er. So wie in den Jahren nach 1988, als er beim Grand Prix D'Eurovision Letzter wurde. „Es war schrecklich. Dazu kam noch die Waldheim-Geschichte. Nur zwei Leute wurden von den Fernsehstationen interviewt: die Siegerin Céline Dion und ich zu Waldheim.“

Die Niederlage plättete ihn nur kurze Zeit. Er sah sich nach neuen Wegen um. Erst entdeckte er das Theaterspielen für sich, dann den Acapella-Gesang mit der Kombo 4Xang. Seine beständige Weiterentwicklung zeichnet ihn künstlerisch aus. Neue Facetten zeigt Wilfried auch auf „Gut Lack“. So zornig hat man ihn noch nie gehört. Im Lied „Mir reicht's“ wettert er gegen Gedankenpolizei und selbst ernannte Götter der Tirade, wie sie sich in den sozialen Medien inszenieren. „Wutbürger, beißt's euch selbst in Oasch, das wär gut, ihr seid's zu laut.“

In seiner rauen Tonart ist Wilfried heute gut mit dem britischen Singer-Songwriter Kevin Coyne vergleichbar, bei dessen legendärem Konzert, 1980 im Museum des 20. Jahrhunderts, er ganz vorn saß. „Das Alter hat auch Vorteile. Man weiß unweigerlich, wer man ist und dass die eigene Zeit auf Erden endlich ist.“ Seine Stirn kräuselt sich, wenn er an die Zukunft denkt. „In der Politik geht's im Moment nur um schöne Anzüge und Emmanuel-Macron-Klons. Da sehe ich eine große Krise auf Europa zukommen.“

ZUR PERSON

Wilfried Scheutz (66) wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren bekannt, als er Rock mit Elementen der Volksmusik kombinierte. 1988 wurde er beim Song Contest mit 0 Punkten Letzter. 1996 gründete er die A-Cappella-Band 4-Xang. Am Freitag erschien sein neues Soloalbum „Gut Lack“.

Web:www.wilfriedscheutz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2017)

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