Wenn der Lkw Theater bringt

Czifer (l.) und Max Mayerhofer lassen neuerdings auch in Wien die Plane ihres Lkw aufgehen.
Czifer (l.) und Max Mayerhofer lassen neuerdings auch in Wien die Plane ihres Lkw aufgehen. (c) Lastkrafttheater
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Normalerweise tingeln Max Mayerhofer und David Czifer ja durch Niederösterreich. Heute macht ihr Lastkrafttheater in der Josefstadt Station.

Max Mayerhofer hat eine ordentliche schwarze Mappe dabei. Ein Schrieb der zuständigen Magistratsabteilung, der erlaubt, auf dem Piaristenplatz in der Wiener Josefstadt die Poller runterzulassen, einer für die temporäre Parkverbotszone, einer, der zusagt, dass sie mit dem Lkw auf den Platz dürfen, ein anderer, der bestätigt, dass die Veranstaltung generell genehmigt wurde. Ziemlich viel Papierkrieg für einen einzelnen Theaterabend, aber Mayerhofer beklagt sich nicht. Weil erstens alles glatt ging. Und weil er es sonst eh einfacher hat.

„Sonst“ heißt: In vielen kleinen Orten in Niederösterreich. Seit fünf Jahren tingelt der Schauspieler mit seinem Kollegen David Czifer hier im Sommer durch die Dörfer. Auf dem Hauptplatz stellen sie ihren Lkw ab, schieben die Plane zur Seite, rücken mit ein paar Handgriffen alles Nötige zurecht (45 Minuten braucht das maximal fünfköpfige Team am Anfang der Saison, inzwischen sind sie herunten auf 15). Und dann wird unter freiem Himmel gratis Theater gespielt, der Lkw ist die Bühne, mittlerweile gibt es davor auch ein kleines Podest, die Gemeinde stellt die Stühle (oder Bänke), ein lokaler Wirt das Bier.

Ein Drittel Neugierige, die eine Ankündigung gesehen haben, ein Drittel zufällige Passanten, ein Drittel Fans, so charakterisieren die beiden Theatermacher ihr Publikum. Ein Publikum, mit dem man durchaus ins Gespräch kommt – vor allem, wenn die Schauspieler nicht in ein Eck des Wagens „abgehen“, sondern hinter den Lkw. Und weil das Zuschauen gratis ist, sei der Zugang, so Mayerhofer, in jeder Hinsicht barrierefrei. In St. Pölten durfte eine neunköpfige irakische Flüchtlingsfamilie die Verpflegung übernehmen. Damit Integration gelinge, sagt Mayerhofer, „muss es auch Leute geben, die sagen: Schön, dass ihr hier seid“. Außerdem hätten die Menschen ja nicht nur Tragödien zu erzählen. „Sie sind froh, wenn man mit ihnen ein bisschen Schmäh führt.“

Ein Spediteur als Freund

Einander kennengelernt haben die beiden Chefs des Lastkrafttheaters, die auch ihre eigenen Bühnenarbeiter sind, 2009 bei einer Produktion von „Shakespeare in Mödling“ (im Konzerthof im Mödlinger Stadtamt; Czifer probt dort gerade „Was Ihr wollt“). Irgendwann fassten die beiden den Entschluss, künftig gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Zunächst wurde es eine Lesung journalistischer Texte von Joseph Roth, mit dem Ziel, den Schriftsteller selbst dem Publikum näherzubringen. Eher „als Luftschloss“ tauchte vor ihrem geistigen Auge dann die Idee des Lkw auf, in die Welt gesetzt von Autor Georg Biron. Mayerhofer machte sich also auf die Suche. Beim Militär blitzte er ab (ein Lkw sei „ein Gerät und kein Spielzeug“), bei der Feuerwehr ebenso. Glück hatte er letztlich bei der Wirtschaftskammer, über die er beim St. Pöltner Karl Gruber landete. Der hat nicht nur eine ganze Flotte an Lastwagen, sondern spielt seit 25 Jahren Theater in der Laiengruppe seiner Pfarre – und stellt dem Lastkrafttheater seither die wichtigste Zutat, den Laster. Als ihr „Friend on the road“ wird er im Gegenzug liebevoll hofiert.

Leicht, sagt Mayerhofer, sei es anfangs trotzdem nicht gewesen. Mittlerweile kennen Bürgermeister und lokale Vereine aber ihr Konzept, seither wird es merklich einfacher. Besonders beliebt ist das Lastkrafttheater im Waldviertel, „von dort rufen uns viele an“. Ein wenig herablassend seien die Reaktionen mancher „sogenannter reicher Gemeinden“, berichtet Mayerhofer. „Da hören wir immer wieder: ,Bei uns haben die Leute schon alles gesehen.‘ Da dürften die Leute die Lust am Staunen verloren haben“, mutmaßt er, „und glauben, dass sie dadurch weltgewandt scheinen.“

AUF EINEN BLICK

Das Lastkrafttheater wurde 2013 von Max Mayerhofer und David Czifer gegründet. In ihrer 5. Saison spielen sie heuer mit Jörg Stelling und Sandra Pascal zwei Stücke von Tschechow: „Der Heiratsantrag“ und „Der Bär“. Heute gastiert das Theater um 17.30 Uhr auf dem Wiener Piaristenplatz. Daneben machen die beiden im August und September Theater auf Schloss Artstetten, dort geht es um Knigge: „Der gute Ton“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2017)

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