Armie Hammer: "Bist du verrückt geworden?"

Der US-amerikanische Schauspieler Armie Hammer spielt in seinem neuesten Streifen „Final Portrait“ den Journalisten James Lord, der dem chaotisch-genialen Maler und Bildhauer Alberto Giacometti Portrait sitzt.
Der US-amerikanische Schauspieler Armie Hammer spielt in seinem neuesten Streifen „Final Portrait“ den Journalisten James Lord, der dem chaotisch-genialen Maler und Bildhauer Alberto Giacometti Portrait sitzt.(c) imago/Independent Photo Agency (Simona Chioccia / IPA)
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Schauspieler Armie Hammer über seinen neuen Film "Final Portrait", sein Nomadenleben als Kind und die erste Reaktion seiner Eltern auf seinen Berufswunsch Schauspieler.

Armie Hammer, der Hollywood-Hüne von 1,96 Meter, besitzt so viel Charisma wie Körperlänge. Schön ist er auch noch: Seine Gesichtszüge sind so fein wie von einem Bildhauer gemeisselt, die Augen strahlen blitzblau, sein Lächeln hat etwas Lausbubenhaftes – erstmals zu sehen 2009 in „The Social Network“ in der Doppelrolle als Zwillingsbrüder. Im Biopic „Final Portrait“ spielt er jetzt den amerikanischen Journalisten James Lord, der dem chaotisch-genialen Maler und Bildhauer Alberto Giacometti Porträt sitzt.

Die Presse: Wieso begeistert sich ein Schauspieler für eine Rolle, für die er über Wochen auf einem Stuhl sitzen muss?

Armie Hammer: Das ist doch eine ganz entspannte Haltung für einen Film. Leichter, als auf einem Pferd zu sitzen! Der Grund war, dass Stanley Tucci Regie führte und Geoffrey Rush mir zu 90 Prozent gegenübersaß.

Hatten Sie eine Ahnung, wie fabelhaft Stanley Tucci auch als Regisseur ist?

Ich dachte mir schon, dass es grandios sein muss, von einem Schauspieler seines Kalibers angeleitet zu werden.

Und Geoffrey Rush - was haben Sie erwartet und wie war er wirklich?

Er hat all meine Erwartungen in den Schatten gestellt. Ich bin noch keinem Kollegen begegnet, der sich so intensiv einbringt wie er.

Wie war es, von einem Schauspieler-Regisseur angeleitet zu werden?

Als Schauspieler weiß Tucci, mit welchen Gesten man schnell kommuniziert und welche Darstellung man sich wünscht. Und ich kann einschätzen, welche Art von Feedback ich von ihm als Regisseur brauche, um das aus meinem Spiel herauszuholen, was ihm vorschwebt. Die Arbeit mit ihm war sehr effizient.

Wie haben Sie sich vorbereitet – außer mit strapazierfähigem Sitzfleisch?

Giacometti bat Lord einen Tag Modell zu sitzen. Daraus wurden Wochen! Meine Figur basiert auf dem Schriftsteller James Lord, daher hatte ich genug Material: seine Bücher, seine Tagebucheinträge, seine Briefe.

Verließ Lord nie die Geduld? Wollte er die Sitzung nie von sich aus beenden?

James Lord hat Giacometti zwar nicht manipuliert, aber er hat entscheidend dazu beigetragen, dass Giacometti das Bild wirklich fertigstellte.

Giacometti sagte selbst, es wäre ihr gemeinsames Kunstwerk. Sonst würde er wohl immer noch daran sitzen?!

Er war ja ein ungeheurer Perfektionist und fand selten von allein den Schlusspunkt. Künstlern geht es nie um das Ergebnis, sondern um die Suche nach dem perfekten Ausdruck.

Passt Giacomettis These auch zum Film?

Klar! In vielen künstlerischen Berufen kommt es gar nicht zu einem Endergebnis. Das Streben nach Perfektion ist das erklärte Ziel. Wenn du je meinst, Dein Ziel erreicht zu haben, hörst du auf dich weiterzuentwickeln. Nicht umsonst hat Kubrick jede Szene unendlich oft wiederholt, er wollte die möglichst perfekte Version einfangen.

Durch Ihre Doppelrolle in „The Social Network“ wurden Sie zur Sensation. Fühlten Sie sich immer zum Schauspieler berufen?

Ich wollte auf jeden Fall Filme machen. Als ich zwölf war, habe ich mich in dieses Medium verliebt.

Tun das nicht alle Kids in dem Alter?

Ich schaute mir aber jeden Film bis zu 20 Mal an, um jedes Detail aufzusaugen. Das war wie ein Zwang. Da wusste ich noch nicht, dass es Produzenten gibt, einen Regisseur und dann erst Schauspieler.

Wann haben Sie entdeckt, dass es Spaß macht, vor anderen aufzutreten?

Beim Schultheater, als mir das Adrenalin in die Adern schoss. Selbst später, als ich in der Schauspielschule fast an mir verzweifelte, spürte ich so viel Leidenschaft, dass ich den Beruf nie, nie, nie hätte aufgeben können.

Sie sind als Kind auf den Cayman Islands aufgewachsen - klingt schön exotisch.

Es war ein Traum. Nach der Schule sah ich mich vor die schwierige Wahl gestellt: Gehe ich jetzt angeln oder pflücke mir mit meiner Machete eine Papaya oder Kokosnuss? Es hatte schon etwas von Robinson Crusoe.

Wie hat es Ihre Eltern dorthin verschlagen?

Wir sind viel umgezogen. Erst lebten wir in Los Angeles, dann in Texas, Oklahoma. Nach den Caymans ging's zurück nach Kalifornien.

Hat Sie das dauernde Umziehen, das flexibel sein müssen, charakterlich geprägt?

Ich bin in dieser Branche auf viele gestoßen, die als Kind ein Nomadenleben geführt haben. Daher vermute ich, dass es einen sehr wohl beeinflusst. Im Grunde wirst du mit jedem Umzug wieder vor die Aufgabe gestellt, dich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden und auf neue Leute einzugehen.

War es leicht, immer das „New Kid on the block“ zu sein?

Ich kannte nichts anderes. Kinder sind aber extrem anpassungsfähig. Wenn sie groß sind, landen sie halt beim Therapeuten. (lacht) Nein, ich mochte es. Wahrscheinlich macht mir meine Arbeit auch so viel Spaß, weil ich es genieße zu reisen, um zu drehen.

Ihr Urgroßvater war ein Ölmagnat, Sie kommen aus einer alteingesessenen Familie. Wie reagierten Ihre Eltern als Sie die Schule abbrachen, um Schauspieler zu werden?

Bist du verrückt geworden? Das ist ein hartes Geschäft und stürzt dich immer wieder in Selbstzweifel, haben sie gesagt. Ich habe dann all das erlebt. Es ist nicht einfach, mit der Ablehnung umzugehen, immer wieder vorzusprechen und über lange Strecken fast ohne Geld durchzuhalten.

Entscheiden Sie sich heute für andere Rollen als zu Anfang Ihrer Karriere?

Mir ist es wichtig, mit talentierten Leuten wie David Fincher, Luca Guadagnino oder eben Stanley Tucci zu arbeiten. Das ist interessanter als Superheldenfilme zu drehen. Nach zwei Jahren Nonstop-Arbeiten werde ich jetzt erstmal zu Hause bleiben und nur Ehemann und Daddy sein.

Sie sind seit acht Jahren verheiratet und im Januar zum zweiten Mal Vater geworden. Wie kommt's, dass Sie mit 31 schon so reif sind – für einen Mann?

Meine Frau würde sicher erzählen, dass ich noch sehr unreif bin! Oder eine Mischung aus einer weisen, alten Seele und einem Kind. Meine Familie ist für mich das Wichtigste überhaupt. Die Schauspielerei ist nur mein Beruf, aber die Familie ist mein Leben!

Würden Sie empfehlen so früh zu heiraten - mit 23?

Nein! Bei uns war es etwas ganz Besonderes. Ich wusste schon beim ersten Sehen, dass sie diejenige ist, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Ich war auch nicht darauf vorbereitet und musste erstmal eigene Ängste überwinden, weil ich mich viel zu jung für so eine Bindung fand.

Haben Ihre Eltern nicht protestiert?

(lacht) Nachdem sie Elizabeth kennengelernt hatten, haben sie mich gewarnt, dass sie mich auch verlassen würden, falls ich unsere Beziehung je an die Wand fahren sollte!

Gibt es irgendjemanden, der Sie bei Ihrem vollständigen Namen nennt, Armand?

Nein, alle nennen mich Armie. Mein Urgroßvater lebte noch, als ich zur Welt kam, er hatte das Anrecht auf den Namen Armand. Ich wurde von Anfang an Armie genannt. Außer ich hatte etwas Übles angestellt, dann kam es schon vor, dass ich laut mit Armand gerufen wurde! (lacht)

Werden Sie den Namen auch weitergeben?

Ja, ich habe einen Sohn und Armand ist sein zweiter Vorname. Diese Tradition gibt es bei uns Hammer-Männern schon zu lang, als dass ich damit hätte brechen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2017)

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