Dada Masilo sprengt das klassische Ballett

Will klassisches Ballett in die heutige Zeit „transformieren“: Dada Masilo.
Will klassisches Ballett in die heutige Zeit „transformieren“: Dada Masilo. (c) Mirjam Reither
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Die südafrikanische Tänzerin und Choreografin Dada Masilo gastiert beim ImPulsTanz-Festival im Volkstheater mit dem Klassiker „Giselle“.

„Ich bewege mich weg von den Märchen, obwohl ich sie liebe“, sagt die südafrikanische Tänzerin und Choreografin Dada Masilo, die beim Wiener ImPulsTanz-Festival zwei klassische Ballette neu interpretiert: „Schwanensee“ und „Giselle“. Masilo stammt aus Soweto.

Mit elf Jahren entdeckte sie ihre Leidenschaft für den Tanz. Glück und Pech zugleich, ihre Familie hatte für Kunst rein gar kein Verständnis: „Sie dachten, das ist eine Spielerei, die sich bald geben wird“, erzählt Masilo. „Meine Mutter hat gehofft, dass ich einen richtigen Beruf ergreife. Heute nimmt sie meine Arbeit ernst und freut sich, dass ich so erfolgreich bin. Durch mich hat sie das erste Mal Südafrika verlassen und mich in Paris besucht.“

Die Kunstferne der Verwandtschaft, Dadas Schwester arbeitet beim Staat, hat auch einen Vorteil: „Ich konnte mich komplett selbst erfinden“, sagt Masilo. Aber sie musste sich durchbeißen, vor allem in Brüssel hatte sie großes Heimweh: „Ich sah 200 Leute in einem Café und wollte sofort nach Hause“, erinnert sich die kleine, zarte, sehnige Frau, die mit ihrem kahlen Kopf ein Zeichen gegen das klassische Ballett setzt. Was sich zufällig ergeben hat: Ihre Haare waren zu dünn, um sie in der traditionellen Weise mit einem breiten Band zusammenzufassen. Als sie mit rasiertem Kopf zum Unterricht erschien, wurde sie aus der Tanzklasse hinausgeworfen. Aber Talent und Zähigkeit setzen sich durch.

30 Plätze für 800 Bewerber

Masilo wurde an der renommierten P.a.r.t.s.-Akademie in Brüssel aufgenommen, 800 Tänzer meldeten sich für 30 Studienplätze, sie bekam einen davon. Ihre Leidenschaft für Ballett und Tanz ist disparat, die alten Geschichten von Prinzen, Prinzessinnen, Feen und Geistern, die Spuren, die von Europa, dem Westen, zu den afrikanischen Kulturen und Rituale führen, faszinieren sie. Andererseits zertrümmert sie mit Lust die melancholischen Idyllen. „Choreografie habe ich lang gehasst. Das macht so viel Arbeit“, sagt sie.

Jede Bewegung, jeder einzelne Schritt muss präzise festgelegt sein. Inzwischen hat sie ihre zwölfköpfige Kompanie und internationale Finanziers, wie das Sadler's Wells Theatre in London oder die Tanz-Biennale Lyon, denn in Südafrika gibt es keine Subventionen. Mit „Romeo und Julia“ fing sie an, dann kam „Carmen“, „Schwanensee“ und zuletzt „Giselle“. Die Tänzer sind barfuß, und spontan ist da nichts mehr. Schließlich trainiert auch die Chefin fünf Stunden täglich, um Kraft zu tanken und ihren Körper in Form zu halten.

„Ich versuche, die klassischen Ballette in unsere heutige Zeit zu transformieren“, beschreibt Masilo ihren Stil. „Ich will diese Geschichten aus der romantischen Kiste herausholen und sie mit Themen ausstatten, die alle interessieren. Ich raue die Stoffe auf, ich zeige die dunklen Seiten unverblümt, die Habgier, die Angriffslust, die Bösartigkeit, die sich hinter der schönen Fassade verbirgt.“ Und in „Giselle“ sind es die Bilder von Masilos Landsmann William Kentridge, Opernregisseur und bildender Künstler, der heuer bei den Salzburger Festspielen stark präsent ist, die sie für die Ausstattung gewählt hat. „Giselle“ spielt in einem afrikanischen Dorf.

Masilo will nicht die Welt verbessern, aber vorführen, dass es „Royals und Bauern, ein Oben und ein Unten, Reich und Arm in der Gesellschaft auf der ganzen Welt gibt“. Soweto, Symbol für die Unterdrückung der Schwarzen und das Apartheid-Regime in Südafrika, das 1994 endete, habe sich sehr verändert, wie auch Südafrika überhaupt. „In Soweto gibt es heute Nobelviertel, es kommen viele Touristen. Das Ganze wirkt auf mich ein wenig verrückt. Aber Südafrika geht es viel besser als früher, es ist noch viel zu tun, aber wir sind auf einem guten Weg in der Versöhnung von Schwarzen und Weißen“, ist Masilo überzeugt.

Glaubt sie selbst an Geister wie die Wilas in „Schwanensee“? Masilo: „Ich bin nicht religiös, und ich glaube auch nicht an Geister, die da irgendwo im Äther herumschwirren. Ich glaube an gute und böse Menschen bzw. an das Gute und das Böse im Menschen.“

Zur Person

Tänzerin. Dada Masilo wurde in Soweto geboren, sie studierte Ballett und mehrere moderne und zeitgenössische Tanzformen in ihrer Heimat, später an der P.a.r.t.s.-Tanzakademie in Brüssel. Besonders begeistern sie die ebenfalls dort stationierten Rosas von Anne Teresa De Keersmaeker.

Am 9., 10. und 11. August zeigt Masilo beim ImPulsTanz-Festival im Wiener Volkstheater mit ihrer Kompanie The Dance Factory „Giselle“. Derzeit arbeitet sie an einer Choreografie zu Strawinskys „Sacre du Printemps“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2017)

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