In Hugo von Hofmannsthals Sog: Zwei Briten und eine Ausstellung

(c) Katharina F.-Roßboth
  • Drucken

Galerie Winter. Popmusikautor Michael Bracewell stellt Bilder des Malers Dexter Dalwood vor. Sie bringen das Krisenhafte der Kreativität auf den Punkt.

Stil hat er immer noch, aber das strenge Styling der Mod-Generation, der er angehört, hat der britische Autor und ehemalige Musikkritiker Michael Bracewell in den vergangenen Jahren etwas zurückgefahren. Mit seinem vor zwanzig Jahren verfassten Kultbuch „England Is Mine: Poplife in Albion from Wilde to Goldie“ hat er den Popbegriff entscheidend erweitert. „Großbritannien hat keine Avantgarde. Was wir haben, ist ein interessanter Zugang zum Humor und zur Exzentrizität. Englishness wird meist im Modus der Ironie ausgedrückt. Mit meinem Buch wollte ich disparate Aspekte von britischem Außenseiterdenken aus vielerlei Genres zusammendenken. Das Buch sollte die Specials genauso inkludieren wie die Brontés, W. H. Auden genauso wie das Lied „Panic“ von The Smiths. Im Grunde ging es um den Traum von einem England, das es so nie gab.“

Seinen, auch von ihm selbst nicht vorausgesehenen Schritt zum Ausstellungskurator hat er bislang nicht bereut. „Die Kunst ist im Gegensatz zum Großteil heutiger Popmusik immer noch ein großartiges Vehikel für unangepasste Ideen.“ Nun hat Bracewell im Rahmen der heurigen von der Kreativagentur Departure ausgegebenen Losung „Image/Reads/Text – Sprache in der zeitgenössischen Kunst“ erstmals eine Ausstellung in Wien kuratiert. Seine Wahl fiel auf den britischen Maler Dexter Dalwood. Einen Künstler, der ganz im Sinn des berühmten „Chandos“-Briefs gewisse Brüche in seinem Schaffen dazu nützte, sich immer noch sublimer auszudrücken.

Bilder im Zeichen der Krise

„Ich habe mich mit einem Nachfahren von Hofmannsthal, der für eine Galerie in London arbeitet, intensiv über diesen Brief, der schon 1902 das Problem der künstlerischen Artikulation in der Krise behandelt hat, intensiv ausgetauscht. Manche verstummen, andere machen nach einer Pause weiter.“ Dexter Dalwoods in der Galerie Winter gezeigten Bilder sind in Zeiten einer Krise entstanden. Der Tod wütete in seinem persönlichen Umfeld, aber auch in der Welt der Kultur. Bracewell wählte Malereien, die mit Abwesenheit zu tun haben. „Früher habe ich gern Collagen gemacht, bevor ich mit dem Malen begonnen habe“, sagt Dalwood. „Diesmal konfrontierte ich mich tatsächlich mit der weißen Leinwand und dachte über den Tod nach. Über den von David Bowie und den von Andy Warhol.“ Der Rückzug Bowies auf dem Gipfel seines Ruhms lässt an Hofmannsthal denken, aber auch an Glenn Gould. Kurze Zeit tändelte auch Dalwood damit, fand aber dann doch recht rasch wieder zur Malerei zurück.

Mittlerweile sind die Bezüge zur Popmusikkultur, wie sie in früheren Ausstellungen wie „Remix“ exzessiv vorgeführt wurden, diskreter geworden. In der aktuellen Ausstellung ist aber das Bild mit dem Titel „Isle of the Dead“ auffällig. Der eingemalte schwarze Stern ist eine Hommage an David Bowie. „Es ist ein emotionales Bild, obwohl es von kalter, industrieller Anmutung ist. Bowie selbst wollte seinen Körper nach dem Tod auf ganz billige Weise entsorgt wissen“, sagt Bracewell. Mit dem Tod in der Popkultur hat sich Dalwood schon früher intensiv beschäftigt: etwa in Bildern wie „Paisley Park“, „Kurt Cobain's Greenhouse“ und „Sharon Tate's House“.

Bracewell ist dabei von einem Paradoxon fasziniert. „Das, was nicht im Bild ist, entfaltet bei Dalwood genauso viel Kraft wie das, was abgebildet ist. Das erinnert mich an ein Prinzip von Jazzikone Miles Davis. ,Spiel das, was nicht da ist‘, sagte ser gern zu ratsuchenden Sessionmusikern.“ Dalwood, der einst Bass in der Punkband The Cortinas spielte, die es bis ins Vorprogramm der Stranglers schaffte, war als Punk zunächst von der Unordnung angezogen, die man als Maler in einem Raum schaffen kann. „Nach all den Jahren fasziniert mich an der Malerei, dass es bei ihr keinen Rückwärtsgang gibt. Jeder Pinselstrich muss ein Aufschrei sein.“

AUF EINEN BLICK

Ausstellung. Im Rahmen der heurigen Curated by Vienna von Departure zeigt die Galerie Winter in der Breite Gasse 17, 1070 Wien, von Michel Bracewell ausgesuchte Werke von Dexter Dalwood, die einen Bezug zu Hugo von Hofmannsthals berühmtem „Chandos“-Brief haben.

„Ein Brief – New Paintings from Dexter Dalwood“ läuft noch bis 14. Oktober.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.