Weinstein: Das Klima ist in Deutschland das Gleiche

Reuters
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Chauvinismus beim Casting oder am Set ist kein Einzelfall. Schauspielerinnen müssen auch in Deutschland oft die "Weibchen-Schiene" bedienen, erzählen Betroffene.

Im Skandal um den US-Produzenten Harvey Weinstein wird immer deutlicher, dass Sexismus und Übergriffe auch in der deutschen Film- und Fernsehbranche ein Thema sind. Schauspielerin Nina Brandhoff (43) sagte "Spiegel Online", sie schätze die meisten ihrer Kollegen sehr, "aber leider gibt es auch welche, die ihren Status als Hauptdarsteller ausnutzen". Einer habe ihr während einer Drehpause das T-Shirt hoch gezogen, um drunter zu schauen. "Einer anderen Schauspielerin steckte er einfach seine Zunge ins Ohr. Er belästigt fast jede Frau am Set. Alle bekommen es mit. Aber keiner sagt etwas, dazu ist er für die Serie zu wichtig."

Zuschauer kennen Brandhoff aus Auftritten in Serien wie "Um Himmels Willen", "SOKO München" und "Die Rosenheim-Cops". Erst vor Kurzem habe sie von einem Regisseur, der ihr eine Rolle in Aussicht gestellt habe, den Satz zu hören bekommen: "Ich würde jetzt gern deine Brüste aus deinem Ausschnitt holen und daran herumspielen." Bei "Spiegel Online" meldeten sich dem Bericht zufolge Dutzende Frauen, die Ähnliches erlebt haben, aber nicht mit Namen darüber sprechen wollten.

Der Weinstein-Skandal war nach einem Bericht der "New York Times" ins Rollen gekommen, wonach der einflussreiche Hollywood-Produzent ("Pulp Fiction", "The King's Speech") über Jahrzehnte Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen seiner Firma belästigt und in einigen Fällen missbraucht hat. Der Zeitung zufolge hielt Weinstein mindestens acht Frauen mit Schweigegeld davon ab, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Weinstein bestreitet, Frauen zum Sex gezwungen zu haben. Im Internet melden sich seit dem Skandal unter dem Schlagwort "#metoo" ("Ich auch") zahlreiche Frauen in aller Welt zu Wort, die belästigt oder missbraucht wurden.

"Das erstaunt keinen, der in der Branche tätig ist."

Die Schauspielerin Brigitte Zeh (42, "Magda macht das schon", "Tatort") sagte der Deutschen Presse-Agentur zum Fall Weinstein: "Das erstaunt keinen, der in der Branche tätig ist. Das Klima ist das gleiche." Die sprichwörtliche Besetzungscouch, bei der es Jobs gegen Sex gibt, habe sie nicht erlebt - wohl aber ein Klima von Sexismus und Chauvinismus.

Schauspielerinnen müssten demnach oft die "Weibchen-Schiene" bedienen. So hätten sich schon Produzenten zurückgezogen, wenn sie erfahren hätten, dass sie liiert sei, erzählte Zeh. "Du musst eine scheinbare Verfügbarkeit vortäuschen. Wenn du nicht als Projektionsfläche dienst, mindert das deine Chancen." Oft sei das Erlebte schwer messbar. "War die Hand auf dem Rücken oder schon auf dem Hintern?" Oder: Ein Regisseur, der etwas von ihr wollte, habe sie nach der Abfuhr am Filmset schlecht behandelt.

Kein Chauvinismus in Schweden

Chauvinismus beim Casting oder am Set sei kein Einzelfall, sagte Zeh. "Du kriegst mehr Aufmerksamkeit, wenn du sexy bist. Ich finde das wahnsinnig anstrengend." Anders sei das Klima in Schweden, wo die Berlinerin Theater spielt. Dort reiße niemand chauvinistische Sprüche. Was sich ändern muss? "Wenn einer einen doofen Spruch reißt, muss es den Leuten peinlich sein", sagte Zeh. "Ist es zu viel, wenn dir jemand den Kopf tätschelt? Ja, ist es!"

Der Weinstein-Skandal schlägt auch außerhalb der Filmbranche Wellen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, forderte das künftige Kabinett auf, sich stärker gegen sexuelle Gewalt zu engagieren. "Die Debatte zu sexueller Gewalt kann gar nicht laut genug geführt werden. Ich fordere die künftige Bundesregierung auf, jetzt ein neues Kapitel im Kampf gegen sexuelle Gewalt aufzuschlagen."

Bericht im "Spiegel"

(APA/dpa)

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