Schmuck: Nah am Körper

Tobias Gutlederer, Philipp Missaghi und Susanne Hammer.
Tobias Gutlederer, Philipp Missaghi und Susanne Hammer.(c) Christine Pichler
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Sie leisten Aufklärungsarbeit, erforschen Materialien – und
lassen sich nicht von ihrem Weg abbringen: Protagonisten der alternativen Wiener Schmuckszene im Porträt.

„Ich habe schon immer Schmuck gemacht.“ Ob aus Wasserkocherteilen oder Glasperlen. Schmuck sei noch persönlicher als Mode, findet Philipp Missaghi. Er ist derzeit im zweiten Ausbildungsjahr des Schmuckkollegs Herbststraße, studiert außerdem Deutsch und Kunstgeschichte. Tobias Gutlederer ist anders zum Schmuck gekommen: Er hat Skandinavistik studiert, im Sozialbereich gearbeitet. Und hat etwas Handwerkliches gesucht. Nun steht er kurz vor dem Abschluss der dreijährigen Ausbildung, die es erst seit 2009 gibt, hat etwa Schmuck aus dem 3-D-Drucker entwickelt und will gemeinsam mit Klassenkollegen ein Atelier gründen.

Die Wege der Absolventen seien vielfältig, sagt Susanne Hammer, die das Schmuckkolleg Herbststraße initiiert hat. „Eine macht im Dorotheum eine Ausbildung zur Schätzmeisterin, eine ist Teil des Schmuckkollektivs Alja & Friends, andere sind in anderen Gemeinschaftsateliers.“ Hammer, selbst preisgekrönte Schmuckdesignerin, unterrichtet an der Herbststraße unter anderem das Fach „Theorie des modernen Schmucks“, das bei der Abschlussprüfung Pflichtfach ist. „,Wege zu einer Theorie‘, müsste man eigentlich sagen“, räumt sie ein, „eine Theorie des modernen Schmucks gibt es so noch nicht.“ Für Hammer gehört zu einer fundierten Schmuckausbildung, wie es sie in Österreich nach Schließung der Schmuckklasse auf der Angewandten lang nicht mehr gegeben hat, unbedingt auch theoretischer Background. Nur Werkstättenarbeit sei zu wenig, auch wenn diese auf dem Abendkolleg auf der Herbststraße auch nicht zu kurz kommt. Neben den Theoriefächern Edelsteinkunde oder Broschierung wird auch BWL unterrichtet, erzählt Philipp Missaghi mit leisem Stöhnen. Er hat mit Kollegen eine Charity-Schmuckkollektion erarbeitet, der Verkaufserlös kommt Flüchtlingen zugute. Diese Stücke sind im Rahmen der Ausstellung Werk 16 zu kaufen, die von 13. bis 23. Dezember im Quartier 21 im Museumsquartier stattfindet.

Eva Tesarik, Heike Wanner, Michelle Kraemer, Izabella Petrut, Astrid Siber, Caroline Ertl.
Eva Tesarik, Heike Wanner, Michelle Kraemer, Izabella Petrut, Astrid Siber, Caroline Ertl.(c) Christine Pichler




„Man kauft ein Stück Künstlerin mit.“ Vielleicht lässt sich damit das beschreiben, was den Schmuck des Kollektivs Stoßimhimmel ausmacht, vielleicht
lässt sich so mit knappen Worten das vielseitige Schaffen der derzeit acht Schmuckkünstlerinnen unter einen Hut bringen. Autorenschmuck, meint etwa Eva Tesarik, die sich für ihre Stücke vor allem mit dem Faktor Zeit beschäftigt, sei nämlich ein wackeliger Begriff. Das Kollektiv Stoßimhimmel besteht seit 20 Jahren, Tesarik ist von Anfang an durchgängig dabei, Caroline Ertl mit Pausen. Zuerst war man „im zweiten Hinterhof“ im siebenten Bezirk beheimatet, „dabei wollten wir gar nicht im Hinterhof sein“, sagt Tesarik. Heute hat jede Künstlerin im alten Gewölbe-Atelier an der eher versteckten Adresse Stoß im Himmel ihren eigenen Arbeitsplatz. Man sieht sich als offene Gruppe, kommt einmal wöchentlich für eine Besprechung zusammen, aber jede geht aus der Gruppe auch heraus, nimmt etwa an Wettbewerben oder Ausstellungen teil. Lena Grabher etwa wurde vor Kurzem der renommierte Eligius-Preis verliehen.

Neben Sammlern, die ganz gezielt kaufen und auch ausladende Stücke ausführen, sind Touristinnen wichtige Kunden; die Kirche Maria am Gestade ist nicht weit. „Entdeckerinnen der Seitengassen“ nennt Caroline Ertl diese Zufallskundinnen. Innerhalb jedes Oeuvres macht jede Schmuckkünstlerin auch kleine, verkaufstaugliche Stücke. Ohne sich aber dabei zu verbiegen, das ist etwa für Michelle Kraemer wichtig, für die derzeit Wolken und Weltall Inspiration für ihren Balsaholzschmuck sind. „Kleine Stücke sind einfach eine Essenz.“

Im Galeriealltag sind die Schmuckgestalterinnen immer wieder mit Fragen wie „Warum kostet das so viel, das ist doch ein billiges Material?“ konfrontiert. „Wir müssen schon viel Aufklärungsarbeit leisten.“

Letizia Plankensteiner (l.) und Renate Slavik in der Galerie.
Letizia Plankensteiner (l.) und Renate Slavik in der Galerie.(c) Christine Pichler


Gerade hat man in der Galerie Slavik das 25-jährige Bestehen gefeiert: Auf einem Podest hinter den Glasvitrinen des Ladens steht noch ein Korb mit Schoko- und Zimtmandeln, Reste des großen Geburtstagskuchens, den eine Freundin Renate Slavik zum Anlass in die Galerie gebracht hat. 1990 war Slavik in den Laden in der Himmelpfortgasse im ersten Bezirk eingezogen – durchaus mit einer Mission, nämlich jener, „anderen“ Schmuck anzubieten als die bekannten Häuser. Der Esprit für die Sache ist nach wie vor nicht aus dem Gewölbe verflogen, das Slavik damals von den Architektenbrüdern Hoke gestalten ließ: Schlicht und hell ist es in der Galerie, in den Glasregalen liegen Kreationen gewunden wie goldene Schnecken, wabernd wie silberne Schlangen, wuchernd wie rote Korallen, und Renate Slavik läuft zwischen den Kästen hin und her, liebkost die Stücke und erzählt Geschichten.

„Jedes Stück erzählt aus einer Welt“, sagt Slavik, „jeder Mensch und jeder Künstler lebt auf einem eigenen Planeten.“ Der Dialog mit Künstlern und Kunden steht in der Galerie im Zentrum; Slavik begeistert sich für Persönlichkeiten – und fragt auch gleich einmal nach dem Sternzeichen. Die Schmuckstücke – der Einstiegspreis liegt bei 500 Euro – sind Unikate; ihre Macher sind Schmuckkünstler aus aller Welt. Der Anspruch: das Unikat möge sein menschliches Pendant finden. „Wenn ich ein Schmuckstück mache, stelle ich mir immer die Person vor, die es tragen würde“, erzählt Letizia Plankensteiner, eine österreichische Künstlerin, deren Werke in Slaviks Galerie erhältlich sind. „Dann verkauft Renate ein Stück, erzählt mir vom Käufer, und es ist die Person, an die ich gedacht habe.“

Renate Slavik ist hochaktiv in ihrer Position, die von der Werbung für die Schmuckkunst in Österreich weiterführte: Mittlerweile stiftet die Galerie einen Grassi-Preis, Slavik ist Mitglied von Wettbewerbsjurys. Die vielen Jahre, die es die Galerie nun schon gibt, seien dieser Aktivität geschuldet, meint Slavik: „Wir wollen kein Geschäft machen. Wir wollen Schmuckkunst verbreiten. Es war nicht einfach und ist nicht einfach.“

Veronika Schwarzinger (l.) und Christina Werner.
Veronika Schwarzinger (l.) und Christina Werner. (c) Christine Pichler


Schmuck braucht Raum. Physisch meist nicht allzu viel, wenn er dort ist, wo man ihn vermuten würde, am Körper. Oder zumindest sehr, sehr nahe am Körper. Doch auch Diskursraum oder Schauraum für die kreativ-künstlerische Produktion von Schmuck kann es gar nicht genug geben, meinen Veronika Schwarzinger und Christina Werner. Gemeinsam stellten sie die Wiener Schmucktage auf die Beine, konzeptiv. Und als Event zuletzt Anfang November. Schwarzinger hat ihre Galerie V & V seit 1990 erfolgreich am Wiener Bauernmarkt im ersten Bezirk etabliert, vor acht Jahren auch erstmals die „Lange Nacht der Schmuckkunst“ initiiert. Doch die Nacht war ihr selbst und den Besuchern allmählich auch nicht lang genug, da mussten schon Tage her, um das Spektrum zu zeigen, das Schmuckschaffende aufspannen, selbst in der „kleinen, feinen Szene Wiens“. Gut, dass Schwarzinger und Christina Werner, sie ist in der Kunst- und Kulturkommunikation umtriebig, zueinander- und so auch die Wiener Schmucktage ihren Anfang fanden.
Schmuckkünstler sind dabei vertreten, denen ihre eigene Inspiration Auftrag genug ist, um Schönes und Ungewöhnliches zu schaffen. Aber auch Gold- und Silberschmiede, die als Unternehmen natürlich auch ganz andere Aufträge annehmen, finden bei den Wiener Schmucktagen eine Plattform. Genauso wie Gestalter, die die scharfe Trennung von Kunst- und Designdisziplinen ohnehin nie so ernst genommen haben. „Ich verstehe Schmuckstücke als Skulpturen am Körper“, sagt Schwarzinger, die an der Angewandten studiert hat, als man dort noch „Schmuck“ studieren konnte. Auch Werner empfindet Schmuck als Kunstform, die einen Maßstabssprung gemacht hat: vom Ausstellungsraum an den Körper des Menschen. „Das ist räumliches Denken en miniature“, sagt Werner. Wie bei der Kette des Künstlers Helmut Gsöllpointer, die sie für den Fototermin umgehängt hat.

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