Modeschmuck: Falscher Alarm

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Modeschmuck gilt unter Liebhaberinnen als wichtige Stilansage – ob echt oder unecht, kümmert sie wenig.

Nun gilt die überaus exzentrische Stylistin Anna dello Russo nicht unbedingt als geeignetste Stilratgeberin der durchschnittlichen Textilkonsumentin. Dem zehnten von ihr in dem schaurig-schönen Lied „Fashion Shower“ eingesungenen Modegebot ist aber beizupflichten: „Fashion jewels personalize your style.“ Ganz uneigennützig war diese Verszeile freilich nicht. Schließlich hatte die dello Russo selbst gerade für H & M eine Gold-Glitzer-Plastikkollektion entworfen, die sie singenderweise unter das Modevolk bringen wollte.



Tand oder Accessoire?
Es hat Anna dello Russo bestimmt gefreut, sich mit dieser Ansage in der Tradition von Coco Chanel positionieren zu können: Sie war nämlich die erste Modemacherin, die unechten Schmuck, ein zuvor für wertlos erachtetes, derivatives Erzeugnis, in den Kontext der Luxusmode einschleuste. „Die Chanel war in Europa ausschlaggebend dafür, dass Modeschmuck salonfähig wurde. Zuvor wertete es den Status der Trägerin ab, wenn sie sich mit Unechtem schmückte“, bestätigt Regina Herbst. Sie ist als „Vintage Costume Jewellery“-Expertin im Auktionshaus Dorotheum für das einstige Orchideenthema zuständig. Während nämlich in der Vergangenheit Modeschmuck oft gemeinsam mit anderen, zum Beispiel Jugendstilobjekten versteigert wurde, richtete das Dorotheum im Herbst 2013 erstmals eine Modeschmuckauktion aus – für 2014 ist Ähnliches geplant. Doch ist Unechtes keineswegs mit Preiswertem gleichzusetzen, wie Regina Herbst unterstreicht: „Wirklich guter alter Modeschmuck ist selten. Rare Stücke haben ihren Sammlerwert, und frühe Bakelitarbeiten aus den USA kosten einige tausend Dollar.“

Die leidige Gegenüberstellung echt oder unecht hat für Frauen, die Modeschmuck schätzen und auch selbst gern tragen, wahrscheinlich geringere Bedeutung, als oft angenommen wird. Schließlich bemühen sich die auffälligsten Kreationen zumeist nicht darum, die Anmutung des echt Kostbaren zu imitieren. Originalität der Formgebung geht vor. Oft waren übrigens von Couturiers in der Frühphase der „Costume Jewellery“ die unechten Teile als Dekoration bestimmter Outfits gedacht – erst die Käuferinnen verliehen den für ein Kostümjackenrevers gedachten Broschen dann ein Eigenleben als Teil ihrer Accessoiresammlung.

„Ich glaube gar nicht, dass Frauen unbedingt Schmuck tragen wollen, der so aussieht, als wäre er sagenhaft kostspielig“, meint der amerikanische Designer Oscar de la Renta. „Viele suchen einfach nach Schmuck, der außergewöhnlich aussieht und besonders, aber dennoch vielseitig ist. Genau für diese Frauen ist Modeschmuck die richtige Wahl.“ De la Renta hat gerade für die Swarovski-Tochtermarke Cadenzza eine eigene Kollektion entworfen und sollte also wissen, wovon er spricht.

Stil-Statement. Von Bedeutung ist Modeschmuck – ob von aktuellen Designern oder aus Vintagekollektionen – auch für den italienischen Onlinehändler Yoox. „Es gibt viele Sammler von Vintageschmuck“, bestätigt die Yoox-Geschäftsführerin Alessandra Rossi. „Bei uns können sie manch seltenes Stück direkt über das Tablet kaufen, ohne zu einem Auktionshaus nach London oder New York fahren zu müssen.“ Außerdem kooperiert man immer wieder mit zeitgenössischen Designern: Delfina Delettrez, die Tochter von Silvia Venturini Fendi, ist eine gefeierte Schmuckgestalterin und entwarf für Yoox unlängst eine Kollektion namens „Frozen Garden“. Solche Projekte dürften den Nerv von eingeschworenen Aficionadas treffen. „Unsere Kundin kauft Modeschmuck nicht als billigere Alternative zu kostbaren Juwelen, sondern als ein spezielles Stück, mit dem sie ihren Stil ausdrücken kann“, fasst Alessandra Rossi zusammen.

Und auch Regina Herbst vom Dorotheum unterstreicht: „Wer bei uns Modeschmuck kauft, will gar nicht, dass er für Echtschmuck gehalten wird. Da geht es um persönliche Statements.“ Auch Anna dello Russo würde dem, wie man eingangs gesehen hat, wahrscheinlich beipflichten. Und Coco Chanel wäre ohnehin d’accord. Wie schön zu sehen, dass ein so funkelnder Nebenaspekt der Mode so viel Einvernehmen zu generieren vermag.

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