Magie des Schattens

„Auch die Absenz von Licht ist wichtig“, sagt Thomas Hauser. Er hat das schwarze Edelmetall Niellium entwickelt.

Wo das Licht flutet, wird am Schatten gefeilt. Ausgerechnet in einem verwunschen gelegenen alten Salettl, dessen neu eingebaute seitliche Fensterscheibe so groß wie nur möglich sein musste, geht es um die Absenz von Licht, um die Magie des Schattens, wie man sie aus der japanischen Kultur kennt. In Form eines schwarzen Metalls und bisweilen von Oberflächen, die so ausgefeilt gefeilt sind, dass sie noch einmal matter erscheinen. Schmuckdesigner Thomas Hauser, mit seinem Label Atelier Allure international mehrfach preisgekrönt, hat mit dem Salettl in einem Wiener Innenhofgarten einen denkbar idyllischen Arbeitsplatz. Reduziert möbliert, hellgrauer Terrazzoboden, japanische Teekeramik. Steckdosen auf dem Dach des Salettls machen Hauser bei schönem Wetter bisweilen zum Freiluftgoldschmied.

Licht. Thomas Hauser in seinem Wiener Atelier-Salettl.
Licht. Thomas Hauser in seinem Wiener Atelier-Salettl.


Anders als vielen anderen Goldschmieden geht es ihm allerdings nicht um größtmöglichen Glanz. Hauser hat sieben Jahre an einem schwarzen Metall gefeilt. Genauer gesagt feilt er jetzt daran, sieben Jahre hat die Entwicklung der Edelmetalllegierung gedauert, die er Niellium nennt. Gemeinsam mit dem Forschungszentrum Seibersdorf hat er aus Silber, Palladium und Platin eine durchgängig schwarze Masse entwickelt, deren dennoch gleichsam unschwarze Farbigkeit so neuartig ist, dass „manche sie außerirdisch nennen“. „Schwarzes Schwarz finde ich unsexy“, sagt der Designer. Fotos fangen die neue Metallfarbe nur bedingt ein, „Sie können mir glauben, da leide ich“, kommentiert Thomas Hauser die Schwierigkeiten bei der Abbildung des Lichtschluckens.

Massiv. Nicht nur oberflächlich schwarz: das Niellium.
Massiv. Nicht nur oberflächlich schwarz: das Niellium.

Schwarze Einzelgänger. Zwei Kollektionen aus seinem Niellium hat der Schmuckgestalter lanciert: „Massive Champagne“, fünf verschiedene Ringe mit krappenlos gefassten schwarzen Diamanten, „ein freudvolles Sparkling, es perlt aus dem Schwarz“. Und die „Choreuten“, ein zwölfteiliges Aufgebot an rein schwarzmetallenen, unterschiedlich breiten Einzelgängern, die dennoch imstande sind, sich zivilisiert zusammenzuraufen. Manchmal vermittelt zwischen den ähnlichen und doch so unterschiedlichen Charakteren ein Ring aus geschmiedetem Feingold, einem ungeahnt goldenen Gold, manchmal reihen sich auch zwei Choreuten direkt an einem Finger aneinander. Allen zwölf Choreuten – der Name bezieht sich auf den griechischen Chor – liegt eine einzige Basisform zugrunde. „In der Tradition des Bildhauens werden davon für jedes Modell andere Flächen heruntergefeilt“, beschreibt Thomas Hauser den Arbeitsprozess. „Die Formen sind ein Spiel aus Symmetrie und Asymmetrie, sie sollen auch einem zweiten Blick noch standhalten können.“ Das Feilen an der Oberfläche sei eine Arbeit, die höchste Konzentration fordere. „Sonst dreht man sich quasi ewig im Kreis, bis nichts mehr vom Ring da ist.“ Hauser verwendet japanische Feilen, die ohne Holzheft, also Griffummantelung, auskommen. „Diese Feilen verschlucken – so wie bei Hundertmeterläufern, die keine Socken anhaben – keine Information meiner Hand.“ Verschluckt wird bei Thomas Hauser nur Licht.

Gefeilt. Die „Choreuten“-Kollektion: Aus einer Basisform werden Flächen weggefeilt.
Gefeilt. Die „Choreuten“-Kollektion: Aus einer Basisform werden Flächen weggefeilt.

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