Souvenirs: Design-Denkanstöße

(c) Rainer Fehringer
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Souvenirs: billiger Trash mit schmalziger Kitschfüllung. Oder doch intelligente Geschichtenerzähler.

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Noch mehr Mitbringsel

Schlau, diese Menschen. Schöne Momente halten sie mit selbst gebauten Verewigungsmaschinen fest. Denn auf Datenträger, glauben sie, lassen sich Eindrücke besser brennen als ins Gehirn. Und noch dazu kann man die digitalisierten Erinnerungen so gleich an die globale Pinnwand im Internet hängen. Schaut her: Wahnsinn, wo ich überall war! Doch das Gedächtnis klammert sich auch gern an greifbare Stützen und Anker: vor allem wenn die Welt plötzlich so klein und übersichtlich scheint wie eine Kühlschranktür. Und man in den Magneten speichern kann, was Bits und Bytes nicht fassen können: tiefe Emotionen. Souvenirs sind in der Welt der Dinge eine eigene Kategorie; und sie sind zu außerordentlichen Dingen fähig.

Sie werden geliebt und gehätschelt, obwohl sie nicht schön sind. Nicht gut gemacht. Schon gar nicht wertvoll. Oder einzigartig. Millionenfach kommen die meisten von den immer selben Fließbändern in Fernost. Und trotzdem: Die Tower Bridge in der Schneekugel, der drei Zentimeter hohe Eiffelturm transportieren Werte – emotionale, meint der Kognitionswissenschaftler Donald A. Norman in seinem Buch „Emotional Design“. Selbst wenn er sie auf Englisch „schmaltzy“ nennt, selbst wenn die Dinge nicht mehr als Objektschnulzen sind. Menschen horten, sammeln, lieben sie. Das muss auch guter Gestaltung und anspruchsvollem Design erst einmal gelingen. 

Scheinwelt. Die Souvenirs haben es leichter als andere Objekte: Die Bedürfnisse, die sie befriedigen, müssen nicht erst geschaffen werden. Ein Stückchen vom Tempel hat man sich in der Antike schon gern mitgenommen. Und mit den winzigen Spänen vom Kreuz Jesu Christi haben auch Könige und andere mittelalterliche Weltenbummler gern geprahlt. Doch vom Anspruch des Authentischen ist in der Ära von Massentourismus und -ware nicht mehr viel übrig. Was etwa aus Wien in die Welt hinausgeht, ist ein enges Klischeerepertoire, das selbst von weit weg angeliefert wurde. 

Neue Souvenirs. Die ewig gleichen Geschichten kleben beharrlich an den Kühlschranktüren und sitzen in den Setzkästen fest. Dabei hätte gerade Wien von viel mehr zu berichten als nur von Kaiserinnen, Künstlern und den Küssen, die sie malten. „Viele, vor allem junge Leute, kommen aus ganz anderen Gründen hierher. Wegen Dingen, über die kaum Geschichten erzählt werden“, sagt Marcus Bruckmann von der Universität für Angewandte Kunst. Die Donauinsel etwa ist auch einzigartig genug für eine gute Story. Das zumindest fand Designstudentin Lis Eich aus Luxemburg, die eine aufblasbare Inselminiatur für Pools und sonstige Wasserstellen entwarf.

Auch ihre Kollegen aus der Industrial-Design-Klasse von Paolo Piva an der Angewandten lieferten im letzten Jahr ganz neue Wien-Denkanstöße ab. Desiree Heusl  etwa fädelte Wiener Wahrzeichen, traditionelle Speisen und andere Wien-Symbole auf ein Armband auf. Emanuel Gollob und Johanna Riedl entwickelten eine Luftmaschen-Häkelmaschine, vom Wiener Wind betrieben im öffentlichen Raum, damit sich so jeder kostenlos ein simples Stück „lokaler Produktion“ mit nach Hause nehmen kann. Auch Schneekugeln, längst in jeder Klimazone souvenirtauglich, waren unter den Studentenprojekten, schließlich sind sie eine Wiener Erfindung. In dem Entwurf von Marie Steinacher rieselt zwar nicht der Schnee, und schon gar nicht auf klassische Sehenswürdigkeiten, sondern die goldene Panier auf einen anderen Klassiker: das Wiener Schnitzel.

Die Wirtschaftskammer Wien hatte angeregt, „Wien Souvenirs“ neu zu denken. Marcus Bruckmann betreute die Projekte: „Mir ging es vor allem auch um die Frage, ob man nicht auch Souvenirs auf neuere Geschichten aufsetzen könnte.“ Da half es auch, einmal die Eigenwahrnehmung der Wiener mit der Außenwahrnehmung der Studenten, vor allem auch der zahlreichen ausländischen, einzutauschen. Das „Wienerische“ Element haben sie zum Teil auch in der lokalen Produktionskultur wiederentdeckt. Denn: Der Ursprungsgedanke, etwas von einem Ort mitzunehmen, habe sich gänzlich aufgelöst, wenn alle Dinge von demselben Ort kommen, der China heißt, meint Bruckmann.

Bespielbar. Auch Andrea Trimarchi und Simone Farresin, zusammen sind sie das Designduo Formafantasma, wollten die lokale Produktionskultur bemühen, als
sie beim Souvenir-Gestaltungswettbewerb von Wien-Tourismus teilnahmen. Farresin stammt aus Vicenza. Wer dort auf Besuch ist, erzählt er, nimmt gern Spielkarten als Andenken mit nach Hause. „In Italien hat jede Region ganz typisch gestaltete Spielkarten“, sagt Farresin. Und auch in der  Linzerstraße in Wien-Penzing haben sie Tradition: Das Unternehmen Piatnik produziert sie dort seit 1824. Formafantasma und die Druckmaschinen von Piatnik prägten den Spielkarten eine subtile wienerische Linie auf: mit Zitaten aus dem Archivschatz Wiener Museen, mit Anleihen an Josef Hoffmann, Adolf Loos, an das berühmte Wiener Geflecht und andere typische Wiener Produkte.

The Viennastore. Sibylle und Kurt Hamtil machen im Hochhaus in der Herrengasse in Wien mit ihrem Metro-Verlag Bücher über die Stadt. Im Erdgeschoss verkaufen sie auch ein Wienbild, abseits von Klischees womöglich: Im Shop mischen sich Lobmeyr-Gläser, Augarten-Porzellan, Naber-Kaffee und Piatnik-Spielkarten mit ausgefallenen Eigenproduktionen. theviennastore.bigcartel.com

„Wien Souvenir“. Im Metroverlag ist der Katalog erschienen, der die Ergebnisse der Kooperation der Wirtschaftskammer Wien und der Universität für Angewandte Kunst in Wien zeigt: Studierende der Klasse Industrial Design von Paolo Piva extrahierten neue Geschichten aus Wiens Erbe und Gegenwart. Hg. von Marcus Bruckmann. Metroverlag, 12 Euro

Wiener Schneekugel. Eine Wiener Erfindung für das globale Souvenirgeschäft: Erwin Perzy hüllte Ende des 19. Jahrhunderts erstmals die Mariazeller Basilika in Glas und Schnee. Noch heute produziert die Manufaktur in Wien Hernals. www.viennasnowglobe.at

Das goldene Wiener Herz. Das Wiener Wirtshaus, der Wiener Heurigen, der Wiener Jugendstil samt Linker Wienzeile und Kirche am Steinhof: Das Label bringt sie auf Porzellan, auf Gläser und auf den Tisch. www.dgwh.at

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