Design für jede Stimmungslage

Teambildung. Armand Louis, Aurel Aebi und Patrick  Reymond (v. l.) formen Dinge und gemeinsam das Atelier Oï in der Schweiz.
Teambildung. Armand Louis, Aurel Aebi und Patrick Reymond (v. l.) formen Dinge und gemeinsam das Atelier Oï in der Schweiz.(C) Jo l von Allmen, beigestellt
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Nicht nur die Bühne braucht die Szenografie: Das Atelier Oï aus der Schweiz inszeniert Räume mit Möbeln und ihren Geschichten.

Wo Menschen sind, da ist auch Bühne. Und diese kann gut und gern auch das Wohnzimmer sein, das Restaurant, die Straße. Die Menschen folgen der Dramaturgie, die die Designer mit ihren Produkten und Entwürfen vorzeichnen. Auch das Atelier Oï scribbelt, skizziert und kritzelt fleißig mit an den Räumen und den Dingen, die sie prägen. Für renommierte Hersteller wie B & B Italia, USM, Laufen oder zuletzt Moroso. Mit großen Installationen genauso wie mit kleinen Parfumflacons für Bulgari etwa. Manchmal, erzählt Armand Louis, einer der drei Gründer, im Gespräch mit dem „Schaufenster“, nehmen die Dinge ihren Anfang, wie ein Filmplot seinen Lauf nimmt – wenn zunächst ein Storyboard die Geschichte sich entfalten lässt, die das fertige Objekt letztendlich erzählen soll.

Das Atelier Oï umfasst drei Gründer und unterschiedliche Zugänge, das Bühnenbild, die Architektur, das Design. Wie verbinden sich alle diese in der gestalterischen Arbeit?

Was wir machen, egal, ob Szenografie, Architektur oder Design, haben wir nicht streng aufgeteilt. Jedes Projekt gehört jedem und entsteht durch Interaktion innerhalb des Studios. Manchmal ist die Interaktion zwar nur punktuell, aber es gibt keinesfalls eine strenge Aufteilung. Wir arbeiten gestalterisch zusammen wie eine kleine Patchwork-Familie, bei der eben verschiedenste Hintergründe zusammenkommen.


Welche Rolle spielt die Szenografie in Ihrer Arbeit? Ist in Ihrem Verständnis jeder Raum, in dem Möbel stehen, auch eine Bühne?

Szenografie ist bei unserer Arbeit eher eine Einstellung als eine Disziplin. Das ist, wenn alle Dinge und Zugänge zusammenkommen und sich zu einem Gesamtbild fügen. Im Endeffekt geht es im Design um Emotionen und ihren Kontext. Es geht darum, wie man sich in einem Raum fühlt und was die Dinge dazu beitragen können. Das ist die Szenografie dahinter.


Ein Weg, der Sie zu neuen Entwürfen führt, nimmt seinen Ausgang in der Materialrecherche. Auch deshalb, weil physische Räume sich immer mehr mit den virtuellen messen müssen?

Natürlich haben viele Menschen den Kontakt zur materiellen Welt etwas verloren, daran ist das Universum der Bilder schuld, das immer größer wird. Wir experimentieren mit unterschiedlichsten Materialien, schauen uns an, was sie können, leisten, wohin sie uns führen, aber auch, wozu sie nicht in der Lage sind. Aber ein anderer Ausgangspunkt für neue Projekte ist die Geschichte. Dann beginnen wir so, wie man an einen Film herangeht. Es beginnt mit einem Storyboard.
Vor lauter visueller Kommunikation sprechen manche ja schon von haptischen Analphabeten. Uns fehlt das Vokabular für taktile Erfahrungen. Wie reagieren Sie als Designer darauf?

Wechselhaft. Je nach Wetter und Laune. Drinnen oder draußen. „Oasis“ von Moroso.
Wechselhaft. Je nach Wetter und Laune. Drinnen oder draußen. „Oasis“ von Moroso.(C) Beigestellt

Wenn wir zeichnen und skizzieren, geschieht das immer in Bezug zur physischen, reale Welt. Man muss von Anfang an mitüberlegen, welchen Impact, welche Auswirkung jeder Strich, jedes Material auf den Benutzer später hat. Der erste Eindruck ist immer ein visueller, das ist ganz klar. Aber wenn man den Möbeln näherkommt, dann begreift man sie auch haptisch, ob sie warm oder kalt, hart oder weich sind. Auch bei der Kollektion „Oasis“ für Moroso war das ein Thema. Dabei ging es ebenso um den Kontrast von der Weichheit des Stoffs und der Härte der Struktur.


Welche Idee steckt noch hinter der „Oasis“-Kollektion?

Es geht dabei um Stimmungen, um Jahreszeiten, darum, wie man sich fühlt und wie man sich fühlen will. Und natürlich, wie man mit Möbel darauf reagieren kann. Dazu haben wir die verschiedenen Ebenen eines Möbelstücks voneinander getrennt, daraus wurden Objekte, die man spontan wieder zusammensetzen kann, je nach Stimmungslage. Mit unterschiedlichen Farben und Bezügen, für drinnen und draußen. So wie man eben auch die Kleidung wechselt, wenn das Wetter oder die Stimmung einmal umschlägt.


Also werden wir in Zukunft auch eine Garderobe brauchen, in der wir die Kleider für unsere Möbel aufbewahren?

Keine schlechte Idee eigentlich. Tatsächlich sollen Möbel wie „Oasis“ sich unterschiedlichen Kontexten anpassen können, dem Wetter, der Jahreszeit. Man könnte auch jedes Jahr eine neue Kollektion entwerfen, die Möbel auf den Catwalk schicken (lacht). Das Wichtigste ist bei diesen Möbeln aber, die Option zu wechseln.


Apropos Mode. Die Angst vor dem eigenen Geschmack bestimmt auch das Design der Dinge, mit denen man sich umgibt.

Ja durchaus. Auch in der Entwicklung eines solchen Projekts ist es schwierig, jemanden zu finden, der sprichwörtlich Farbe bekennt, ein Commitment für eine bestimmte Farbe abgibt. Viele entscheiden sich da lieber für das Neutrale, aus einem generellen Hang zur sicheren Lösung. Aber es gibt wiederum Menschen wie Patrizia Moroso etwa, die Farben über alles lieben. Wenn man zu Moroso kommt, weiß man, dass man sich auch als Designer bekennen muss. Wenn man zu Moroso kommt, ist das eigentlich schon ein Bekenntnis. Nämlich, etwas machen zu wollen, was nicht dem Mainstream entspricht.


Die Benutzer treten in ganz verschiedene Beziehungen mit Möbeln, die man für sie entwirft. In welcher Beziehung stehen die Entwerfer zu den Möbeln? Sind sie nur Geburtshelfer?

Das Verhältnis, das wir als Gestalter zu unseren Möbeln haben, ist natürlich das Verhältnis, das man zu seinem Kind hat. Wir schauen, dass es erwachsen wird, dass es gut wächst, sich entwickelt und schließlich so weit ist, ohne uns selbstständig zu sein. Es gibt derartig viele Etappen während der Entwicklung eines Möbelstücks, so viele Menschen sind beim Herstellungsprozess involviert, dass man sich schon gut überlegen muss, wem man sein Baby anvertraut. Man überlässt es ja nicht gern irgendjemandem. Sondern nur jenen, die auch gut für sie sorgen. Und manchmal ist es auch wie in der richtigen Kindererziehung: Manchmal nimmt man sie an der Hand und führt sie. Dann ist es wiederum Zeit, sie gehen zu lassen.


Damit andere sie lieben, als wären sie ihre eigenen Babys?

Der emotionale Zugang ist im Design ein sehr wichtiger. Wenn wir an Projekten arbeiten, spielen wir zunächst einmal alle Szenarien durch, in denen Menschen mit Dingen in Kontakt treten, sich ihnen nähern. Das kann natürlich über das Gefühl funktionieren. Das kann auch über die Haptik sein. Aber manchmal sind die Zugänge auch so pragmatisch wie einfach der Preis.

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