Schindler: Maschinen müssen menscheln

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Treue Kameraden, Sympathieträger und freundliche Helfer: Das machen Designer aus Maschinen – mit gestalterischen Mitteln.

Robotern kann man einfach nichts abschlagen. Vor allem, wenn sie so treuherzig schauen wie Welpen. Animationsstudios wie Pixar haben perfektioniert, was sie im Namen tragen: das Beseelen. Danke. Jetzt lieben wir lebloses Metall, das große Augen macht. Und noch dazu nur in Form von Pixeln existiert. Doch auch die Designer der konkreten Dinge vermenschlichen, wo sie nur können: Die Autos zeichnen sie schön sehnig und muskulös, formen ihnen Gesichter aus Kühlergrill und Scheinwerfern, mal aggressiv, mal so unschuldig-putzig, dass man sie nur noch streicheln will. Plumpes, routiniertes Funktionieren, das kauft keiner mehr. Deshalb lassen Designer kühl gebürstetes Aluminium mit Apple-Logo warmherzig atmen, machen aus Robotern liebenswerte Freunde und aus Industriemaschinen treue Kameraden.

Designer Dominic Schindler
Designer Dominic Schindler(C) Dominic Schindler

Auch Designer Dominic Schindler lässt in seinen Studios in Vorarlberg und in der Nähe von Zürich Maschinen viel freundlicher wirken, als sie noch vor ein paar Jahren waren. Vor allem zu jenen, die sie täglich bedienen müssen, sind sie inzwischen außerordentlich zuvorkommend, lassen sich dankbar und intuitiv steuern. Ein Ergebnis aus einem Bündel an Disziplinen, denen sich das Studio Dominic Schindler Creations verschrieben hat: Industrial-, Interaction- und Service-Design.
Wenn Maschinen freundlicher sind, benehmen sich auch die Menschen besser, hat Schindler bemerkt. Früher, meint er, wurden Maschinen und Industrieanlagen gestalterisch weitgehend ignoriert. Obwohl gerade in ihnen oft viel mehr Innovationen und Technologien stecken als in den schön gestylten Dingen, die sie produzieren. „Früher dachte man, irgendwann fährt man ohnehin mit dem Gabelstapler dagegen, das lohnt sich gar nicht.“ Heute gestaltet Schindler mit seinem Team die Maschinen so, dass Gabelstapler erst gar nicht dagegenfahren.

Wertschätzung. „Über das Design der Dinge kann man ihre Handhabung gut lenken“, sagt Schindler, „die Menschen werden durch hochwertige Gestaltung vorsichtiger und achtsamer.“ Und deshalb sollen die Formen und Linien auch etwas erzählen, in Kurzfassung natürlich. Etwa, „dass in der Maschine hunderttausende Ingenieursarbeitsstunden drinstecken“. Die tägliche Designaufgabe: innere Werte nach außen kehren. Die Attribute von CNC-, Druck-, Tablettenpressmaschinen, Indus­trierobotern und vielem anderen hat Schindler schon gestalterisch nach außen kommuniziert. Und häufig sind das nun mal Eigenschaften wie „innovativ“ oder „zukunftsweisend“. Das soll man den Dingen dann auch bitteschön ansehen. Das Formenvokabular dafür holt sich der Designer aus einer Zeit, in die man weit, weit vorausschauen muss, und in der man das vermutet, was man heute noch für Science-Fiction hält.

Die Ästhetik dieser Zeit hat vor allem den Kinomainstream geflutet. Oder besser: die Production Designer der Filme, die sich schon einmal stellvertretend für alle die Zukunft ziemlich konkret ausgemalt haben. Von Stanley Kubricks „2001 – Odysse im Weltraum“ über „Blade Runner“ bis hin zu „Star Wars“. Durch sie ist die Vorstellung des Designvokabels „futuristisch“ für Menschen fast schon so vertraut wie „rund“ und „eckig“. Einmal hat eine Produktionsfirma sogar schon bei Dominic Schindler angerufen, die Zukunft brauchte ganz dringend seine gestalterische Hand – für ein Raumschiffcockpit. Sowie ein paar Laserwaffen, die schließlich Stars wie Dennis Quaid durch den Film „Pandorum“ spazieren trugen.

Zukunft und Unbehagen. Aber auch konzeptionell richtet das Designstudio seine Antennen und Augen gern weit, weit vo­raus: „Wir geben uns manchmal selbst interne kreative Hausaufgaben auf“, erzählt Schindler. Dann überlegt das Team eifrig, wie man in Zukunft Menschen rettet, baggert, erntet oder Güter durch die Luft bewegt. Manchmal, meint Schindler, muss man eben ästhetisch und funktional weit vorausdenken, um sich wieder in die Realitität der Gegenwart zurückzuhanteln. Und schließlich doch zumindest einen wichtigen Schritt vorwärts gekommen zu sein. „Future Harvester“ und „Excavator“ heißen in den Studien dann die Maschinen, zu denen man heute noch Mähdrescher und Bagger sagen würde. In romantisierten „Vanilla Sky“-Renderings dürfen sie alsdann so einiges verheißen: mehr Effizienz und Produktivität und eine bessere Zukunft, die ja die meisten heute in der Vergangenheit sehen. Der Blick zurück scheint gerade populärer, auf das Vertraute und Bewährte, auf das, was sich Konsumenten im Gegensatz zur Hochtechnologie noch irgendwie erklären und zusammenreimen können.

Der Roboter, mein Kamerad. Abseits von Retro, Lowtech, Selberbacken und Blumenwiese sowie weit weg von Science-Fiction-Abendrot versucht Schindler, die Beziehung Mensch/Maschine neu auszubalancieren. Ein Verhältnis, das traditionell zwischen Furcht und Faszination pendelt. Hemmschwellen, Vorbehalte, aber vor allem Stolpersteine in der Bedienung soll da das Design ausräumen. „Wir versuchen den Graben zwischen Technologie und Mensch gestalterisch zu überbrücken.“ Schon Materialien wie Aluminium, die Hitze und Kälte weitergeben, können ein Anfang sein. Oder man bringt Maschinen bei, empathischer zu sein und auf andere einzugehen. „Das ist auch eine Eigenschaft, die man bei richtigen Freunden im Leben schätzt“, sagt Schindler.
Manche Geräte kommunizieren ohnehin schon subtil, dass „da jemand an mich denkt, mit mir lebt, auf mich reagiert“. Mit sanft atmendem Licht etwa, das im Stand-by-Modus an- und abschwillt. Der Mensch, behaupten Psychologen, möchte am liebsten ohnehin in allen Dingen beseelte Wesen sehen. Man muss ihm nur gestalterisch entgegenkommen.

Dann können auch Roboter Freunde werden. Wie der kleine, pummelige R2D2 aus den „Star Wars“-Filmen etwa. Der musste auch schon den Mood Boards von De­­signern wie Werner Aisslinger herhalten, als Beispiel dafür, wie man Maschinen sympathischer macht als viele Menschen.

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