Holon: Katapult für Kreative

Gelungen. Briefmarkentauglich sollte Ron Arads Entwurf sein.
Gelungen. Briefmarkentauglich sollte Ron Arads Entwurf sein.(c) Beigestellt
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Das Design Museum in der israelischen Stadt Holon entfaltet seine Wirkung weit über die Grenzen des Landes hinaus.

Kopflastig. Galit Gaon ist die Chefkuratorin des Holon Design Museums.
Kopflastig. Galit Gaon ist die Chefkuratorin des Holon Design Museums.(c) Beigestellt

Wenn Sie ein Taxi zum Museum nehmen, dann nennen Sie lieber die Adresse des Einkaufszentrums auf der anderen Straßenseite; das ist bekannter“, rät ein beflissener Mitarbeiter einer Besucherin des Design Museum Holon in Israel. Zu übersehen ist die von Ron Arad zu dem prägnanten Briefing „Entwerfen Sie ein Gebäude, das man auf einer Briefmarke zeigen kann“ geplante Struktur freilich nicht. Doch ein bisschen beschämt gibt auch die Chefkuratorin des Ausstellungshauses zu: „Es kann wirklich passieren, dass ein Fahrer nicht zu uns findet.“ Doch dann ergänzt sie: „Das ist aber alles im Begriff, sich zu verändern.“

Insel-Feeling. Und zwar ist es nicht zuletzt eben dieser, für das Programm des erst vier Jahre alten Hauses verantwortlichen Kuratorin, Galit Gaon, zu verdanken, dass das Museum selbst und auch die vor den Toren von Tel Aviv gelegene Stadt Holon als Design-Hotspots immer bekannter werden. Schon zum dritten Mal hat heuer die international positionierte Holon Design Week stattgefunden, eine eigene Sammlung ist im Entstehen, zwischen drei und vier Wechselausstellungen zeigt man im Jahr. Bei diesen ist entweder Galit Gaon selbst federführend, oder sie lädt prominente Gastkuratoren aus dem Ausland ein. Schon in der Vergangenheit und auch für eine demnächst eröffnende Schau wurde etwa das auch in Wien bestens bekannte Kreativorakel Li Edelkoort (ihre nächste Stippvisite in Wien findet übrigens am 10. Juni im Mak statt, siehe www.mak.at) eingeladen, ihre Kenntnisse zu kanalisieren.

„Für Designer gibt es in Israel wenig Entwicklungsspielraum. Darum versuchen die meisten, Kontakte ins Ausland zu knüpfen – und da versteht sich das Museum als Sprungbrett“, unterstreicht Gaon und fügt hinzu: „Der zweite wichtige Part ist natürlich, das Publikum vor Ort über das, was im Design möglich ist und passiert, zu informieren und hinzuleiten.“ In einem kinderreichen Land (durchschnittlich 2,9 Kinder gebe es pro Familie, sagt Galit Gaon) müsse einer der Schwerpunkte in der Design­vermittlung auf Aktivitäten für die ganz Kleinen liegen: „Oft interessieren sich dann auch die Eltern über diesen Umweg für die Themen, die wir präsentieren.“

Als einen lebendigen Ort möchte Galit Gaon das Designmuseum also verstanden wissen und als einen, von dem ernstzunehmende Impulse, die der gesamten Kreativszene zugute kommen, ausgehen. „Israel ist in der Region wie eine Insel. Und was das Design betrifft, darf man nicht vergessen: Vor 1967 gab es hier nichts, keine Industrie, und das wenige, was danach aufgebaut wurde, ist in den letzten Jahren hier ebenso zurückgegangen wie in anderen Ländern.“

Umso beeindruckender findet auch sie selbst die notwendigerweise recht junge Kreativszene im Land: „Früher war der klassische Weg nach dem Abschluss eines Designstudiums in Tel Aviv oder Jerusalem, sich einen Job in der Entwurfsabteilung einer großen Firma zu suchen. Heute starten diese jungen Leute ihre eigenen Labels, betreiben Materialrecherche, entwickeln eigene Produkte.“

Gipfeltreffen. Phänomene wie die weltweit beobachtbare Rückbesinnung auf Herstellungsprozesse – Stichwort „Maker Movement“ – kommen dieser lokalen Tendenz zugute. Stimmigerweise achtet Galit Gaon darauf, bei Ausstellungen in Holon israelische und internationale Positionen zueinander in Beziehung zu setzen. Zugleich unterstreicht sie: „Niemand wird ausgestellt, nur weil er aus Israel ist, wenn die Qualität nicht stimmt.“

Da das Museum von den Verantwortlichen dezidiert als ein Ort des Austausches verstanden wird, fand hier auch das erste österreichisch-israelische Designforum im Frühling 2014 seine logische Verortung. Eine von der Kreativwirtschafts-Beauftragten der AWO, Reanne Leuning, zusammengestellte Gruppe (Simone Springer von Rosa Mosa, Rainer Mutsch, Vera Wiedermann, Maik Perfahl und Wolfgang List von Most Likely,  Jan Mathis und Nik Pelzl von Studio Novo, Dejana Kabiljo, Thomas Feichtner, Robert Rüf und Talia Radford) traf auf israelische Designer, die von Galit Gaon ausgesucht worden waren.

Die jeweils miteinander in Kontakt tretenden Positionen waren vielfältig und gut aufeinander abgestimmt. Neben etablierten israelischen Branchengrößen wie Alon Razgour oder dem auf Upcycling spezialisierten Designtrio von Hu.Be-Studio stellten auch Shay Nifusi und Andrey Grishko ihre Arbeiten vor: Die beiden Gründer des blutjungen Labels „Andrey and Shay − Young Craftsmen“ sind mit ihrem Ansatz dem Maker Movement zuzuzählen und entwickeln auch gleich die Produktionsgeräte für ihre Entwürfe.

Globale Wirkung. Faszinierend waren auch die zum Teil konzeptuellen Ansätze des Industriedesigners Itay Ohaly: Ein von ihm entwickelter, non-linearer Entwurfsprozess, an dem verschiedene Kreative ohne die Möglichkeit des kommunikativen Austausches beteiligt sind, erinnert etwa ein wenig an das bekannte, von den Surrealisten entwickelte Wortspiel des „Cadavre exquis“.

Veranstaltungen wie dieser bilaterale Kreativgipfel, wenn man so will, passen ausgezeichnet zu Galit Gaons Bild von dem Designmuseum als einem Katalysator oder eben, wie eingangs erwähnt, Katapult: „Indem wir Designer, Kuratoren oder Festivalveranstalter aus dem Ausland holen, ergibt sich daraus genau die Außenwirkung, die ich als zentralen Teil unserer Mission sehe.“ Und wenn die von Holon ausgehenden Anstrengungen in der Zukunft ähnlich rasant wie in den letzten vier Jahren weitergehen, wird die Stadt wohl aus der kreativen Weltkarte bald nicht mehr wegzudenken sein.

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