Wanderscheinungen der Architekturbiennale

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Krähenperspektive, fundamentale Erkenntnisse und symbolische Vollversammlungen: Die Architekturbiennale in Venedig mäandert um die Moderne.

Vollversammlung. Fast 200 Parlamente haften an der Wand. Im  österreichischen Pavillon.
Vollversammlung. Fast 200 Parlamente haften an der Wand. Im österreichischen Pavillon. (c) Beigestellt

Selbst der Pazifik ist nicht weit genug weg. Auch dort war es nicht ganz selbstverständlich, pazifisch zu bleiben, wenn das Globale gar so einfach einfallen kann. In der Architektur zumal. Doch deren Leichtigkeit und Flexibilität konnte auch die Moderne gänzlich überformen. Pritzerpreisträger Shigeru Ban zeigte zuletzt in Christchurch, was schon die Maori unter zielgerichteter Einfachheit verstanden: mit seiner temporären „Kartonkathedrale“, die nach dem letzten schweren Erdbeben entstand. Neuseeland ist als Neuling bei der Architekturbiennale in Venedig artig dem ausgegebenen Motto gefolgt: „Absorbing Modernity. 1914–2014“. Nur dass man im Pazifik von der Architekturmoderne nicht allzu viel aufgesaugt hat, wie der neuseeländische Pavillon zeigt. „Modernisierung ist etwas, was jede Nation durchgemacht oder angestrebt hat“, begründet Rem Kohlhaas das Thema, das er als diesjähriger Kurator den 65 nationalen Pavillons als inhaltliche Handreichung anbot. 

Dankbar zeigten Länder wie Brasilien, wie viel sie über die Moderne großflächig zu erzählen wissen, bis hin zum modernen Kastendenken der „Superquadras“ von Brasilia. Mexiko fühlte sich sogar „Condemned to Modernity“. Und Frankreich wollte zwischen Segen und Fluch eines Architekturideals Diskussionsraum lassen: Was als „Versprechen“ begann, für mehr urbane Lebensqualität und leistbares Wohnen, endete oft als dunkle Drohung für die Zukunft der Städte. Das Land von Le Corbusier, Jean Prouvé, ihrer Konsorten und Epigonen, hat mehr „Moderne“ ausgegeben als rezipiert.

Auch die USA wurden architektonisch zum Globalisierungsbüro. „OfficeUs“ heißt der Pavillon diesmal. Auf den Regalen fädeln sich die Architekturprojekte in Prospektform auf, die von den USA aus architektonisch die Welt und vor allem auch ihre Hochhäuser gleich geschaltet haben. In anderen Ausstellungen und Installationen sind die Vorreiter des modernen Planeten die Hauptdarsteller. Der slowenische Pavillon widmet sich etwa Hermann Potocnik, einem Visionär der Raumfahrt. Der niederländische Pavillon spürt Jacob Bakema und seinen Ideen für eine „Open Society“ nach. Ein „vielstimmiger Chor“ sei es geworden, wie Biennale-Präsident Paolo Baratta meinte; ein Chor, der sich harmonisch auf die Moderne einschwingt. Doch Gleichklang, architektonischer zumindest, stößt spätestens an den abgeflachten Enden der Weltkugel an ihre Grenzen, wie der kanadische Pavillon und die arktische Perspektive zeigen.

Zur Universalsicht und dem Helikopterblick auf das Ganze bemühten sich auch einige Pavillons abzuheben. Die „Crow’s Eye View“ der koreanischen Ausstellung lässt den architektonischen Norden und den Süden einer gemeinsamen Halbinsel gegenübertreten. Dafür gewann Korea den Goldenen Löwen der diesjährigen Architekturbiennale.

Österreich pinnte dagegen die Vogelperspektive an die Wände seines Pavillons. Und der sei, laut Christian Kühn, dem Kommissär des diesjährigen Beitrags, selbst schon Ausstellungsobjekt. 1934 hat ihn Josef Hoffmann gebaut: „Als Ansage gegen alles Moderne.“ Drinnen kippt Kühn gemeinsam mit Ko-Kurator Harald Trapp den Blick auf alle Parlamente dieser Welt in einen 90-Grad-Winkel. Und in die Totale: „Eine internationale Vollversammlung der nationalen Parlamente“, formuliert es Trapp. Als Modelle, weiß auf weißer Wand, geraten die Parlamente zu dreidimensionalen Ornamenten.

Hinter den wenigsten Monumentalbauten stehen tatsächlich echte Demokratien, auch das haben die Kuratoren gelernt, genauso wie die 60 Studenten der TU Wien, die zu Beginn ganz andere Daten über die Häuser aus vielen Quellen extrahiert haben. Mit überraschenden Erkenntnissen, etwa dass die meisten Parlamentshäuser nach 1950 gebaut wurden. Und, weniger verblüffend, dass der Klassizismus samt Säulen und Giebeln der Moderne kaum Chancen ließ. Das Thema der Demokratie und ihrer Räume fächert der österreichische Beitrag pluralistisch auch in seinem Katalog auf. Aber auch in einer Klanginstallation des Kollektivs Rauschen, die die Stimmen der digitalen Demokratie via soziale Medien im Hof des Pavillons sprechen lässt.

Elemente. Österreich blitzt auch im „Padiglione Centrale“ der Giardini in Venedig durch. Die Burg Hochosterwitz etwa demonstriert dort wandgroß, was „Tür“ und „Tor“ bedeuten können. Unweit davon reiht sich die „Blue Diversion Toilet“ von Eoos Design in den Bereich einer anderen fundamentalen Anforderung an viele Architekturen: der Toilette. Insgesamt zwölf Basics der gestalteten Umwelt legt Rem Kohlhaas in der Ausstellung „Elements of Architecture“ enzyklopädisch dar. Von der linksgewendelten Wendeltreppe mit Spindelzylinder bis zur Türklinke aus der Hand von Philippe Starck. Alles da. „Nicht die aktuelle Situation der Architektur, sondern zurück in die Geschichte und in die Zukunft gleichzeitig blicken.“ Das will Rem Kohlhaas, wie er sagt. Zwei Richtungen also, für die er sich dann schon das Doppelte ausbedingen wollte: Nun läuft die Architekturbiennale sechs statt drei Monate. Und für sie nahm er sich zwei Jahre Vorbereitungszeit. „Es ist eine Ausstellung nicht über das, was wir verloren haben, sondern darüber, was wir gewonnen haben“, sagt Kohlhaas.

Verloren hat der heilige Georg in Venedig auch etwas Elementares. Auf der Kuppel der Basilica di San Giorgio Maggioro stand er dem Himmel doch zu nahe. Ein Blitz schlug ihm die Hand ab. Da sprang die Swarovski Foundation ein, um ihn wieder zu komplettieren. Wie auch den Eingang zur Schau „Monditalia“ mit der Lichtinstallation „Luminaire“ aus Glühbirnen und Kristallen. In der zweiten Ausstellung von Kohlhaas führt er durch ein für ihn für die Architektur prototypisches Land, von Lampedusa bis in den Norden. 

Tipp

„Fundamentals“. Die Architekturbiennale 2014 in Venedig findet noch bis zum 23. November statt. www.labiennale.org.
Mehr über den österreichischen Beitrag: www.labiennale.at

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