Vienna Design Week: Gedacht, getan

(c) Michele Pauty (Michele Pauty)
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Die Vienna Design Week beginnt. Doch in den Werkstätten,
Köpfen und Notizbüchern der Protagonisten
hat sie schon vor Wochen angefangen.
Produktion und Text: Norbert Philipp Fotos: Michèle Pauty

Das hört man gern. Als Konsument wie als Designer. „Alles geht“, sagt Stanislaw Wisniowski. Egal, ob Kunden mit dem zerschlissenen Polstersessel kommen, auf dem hundert Jahre Mensch und Zeit gewetzt haben. Oder ob das Desginduo Mathak + Mahlknecht mit seinen Entwürfen in der Tür steht. Die Polsterei Stani im dritten Bezirk ist eine lösungsorientierte: Dort hört man häufiger ein Ja als sonstwo. „Wir waren das gar nicht gewohnt“, erzählt Peter Mahlknecht, „normalerweise machen wir ein paar Varianten, reden darüber und scheiden dann aus.“ Für ihr Projekt, das sie während der Vienna Design Week zeigen, mussten sie sich trotzdem entscheiden.

Im Souterrain in der Gärtnergasse haben Wisniowski und sein Team auch schon Sitzflächen neu aufgepolstert, die man aus dem Fernsehen kennt: die Chesterfield-Couch aus dem legendären Club 2 etwa. Gerade bekommt die Eckbank aus dem Café Westend eine Lebensdauerverlängerung. Mit Schaumstoffimplantaten. Gleich daneben haben Designer und Chefpolsterer ein Millimeterproblem. Wisniowski kommt mit der Schiebelehre. Die Murmeln, die wollen nicht so recht sitzen. Dabei sollen sie doch, so die Idee der Designer, die Verbindungsstücke auf der Holzplatte sein, auf der die Polsterteile Halt finden. Magdalena Akantisz beschreibt die große Idee, die sich über die kleinen spannt: „Eine Sitzlandschaft soll es sein, die so aussieht, als würde man sie aus dem Flugzeug betrachten.“ Mit dem Sitzen und Sesshaftwerden hätten sie sich intensiv beschäftigt, sagt sie. Und das Sitzen, das sei traditionell etwas sehr Bodennahes. „Mit dieser Polsterlandschaft kann man selbst den Raum eingrenzen, Teile umklappen, neue Bereiche schaffen.“ Und auf immer neue Weise sesshaft werden.

Kernkompetenz. Die Vienna Design Week startet am 27. September. Für die Organisatoren hat sie bereits am ersten Tag nach dem letzten Festival begonnen. Auch mit der Überlegung, welche Designer sie beim nächsten Mal in die traditionellen Wiener Manufakturen schicken werden, um dort gemeinsam Projekte zu entwickeln – auf die „Passionswege“. Und die machen heuer auch eine Abzweigung in die Weyrgasse 6 im dritten Bezirk, zur Glaserei Stiefelmeyer. Seit 1917 wird hier Glas zu Spiegeln, Möbeln, Auslagenscheiben, Vitrinen. Und seit ein paar Wochen auch zu etwas kleineren Objekten. Auf dem großen Tisch in der Mitte der Werkstatt nehmen sie Formen an. Irene Stiefelmeyer kennt jedes Glas bei der Nummer. In den unzähligen, raumhohen Holzfächern warten die Scheiben auf Verwendung und Ideen – die dicken, dünnen, schmuckvollen, extraverstärkten, bruchfesten. Manche Fächer werden sich nicht mehr so schnell füllen, jene mit Guss- und Strukturgläsern oder mundgeblasenem Glas etwa. „Die werden heute zum Teil gar nicht mehr produziert“, erzählt Stiefelmeyer. Für die Kollektion, an der das Studio Pedrita, Rita João und Pedro Ferreira aus Lissabon, werkt, ist noch genug da. „Wir haben noch nie mit solchen Glasscheiben gearbeitet“, sagt Ferreira, „eine echte Herausforderung für uns.“ In der Glaserei entsteht eine Kollektion aus Tischobjekten, die gleichzeitig Spiegel und Aufbewahrungsboxen sind. Die kleinen Dinge des Alltagslebens könnten dort in den Glasbehältern ihren Platz finden. Auf grellgelbem Filz. „Damit ein markanter Kontrast entsteht, zur Transparenz des Glases und seiner glatten Oberfläche“, sagt Ferreira.

Außenräume. Für andere Gestalter, die Projekte für die Vienna Design Week vorbereitet haben, ist die Stadt als Werkstatt gerade groß genug. Die Programmschiene „Stadtarbeit“ schickt Designer und ihre Ideen los, um vor Ort auch soziale Veränderungen zu aktivieren. Etwa dort, wo der dritte Bezirk an den elften grenzt. Und wo alles neben- und übereinander zu liegen scheint: Land, Stadt, Industrie, Wohnen, ein wenig Freiraum. Und genau den sondieren Miriam Pollak und Daniel Mikolajcak besonders genau – beide studieren Architektur an der Akademie der bildenden Künste. Die „Zwischenstadt“ ist ihr Terrain, also Räume, für die „urban“ zu hoch gegriffen wäre und „rural“ auch noch nicht ganz passt. Im Bezirk Donaustadt haben Pollak und Mikolajcak bereits die „Fabulous Zwischenstadt“ ausgerufen. Jetzt erkären sie die Brache hinter dem Hyblerpark zum „Fabulous Zwischenwald“. Dort spüren sie zwischen Disteln, Büros, Kränen und Altwiener Wirtshaus einem Merkmal nach, das die verdichtete Stadt im Zentrum oft nur vorgaukelt: der Diversität. Das Tolle: Die U3 fährt mitten in dieses Dazwischenstadium, bei der Station Zippererstraße steigt man aus. Unweit davon wird die wilde Wiese zum Picknickareal, zum städtischen Naturlehrpfad, zur Plattform urbaner Utopien und zur Werkstatt: „Wir bauen in Workshops Möbel aus Schalholz und Solarlaternen“, erzählt Mikolajcak.

Auch zentrumsnah erschließt die Vienna Design Week Stadträume, die schon lebhaftere Zeiten gesehen haben: Einige Hektar davon gehören der Familie Schwarzenberg, seit Jahren liegen sie teilnahmslos und ungenutzt in bester Lage. In den Prunkräumen des Palais Schwarzenberg und in seinen Nebengebäuden sollen sich währen der Vienna Design Week jetzt zahlreiche Menschen und Ideen über den Weg laufen. Zwischen Marmor, rostigen Nägeln und hölzernen Provisorien schaute sich in der Vorbereitungsphase auch der Kommunikationsdesigner Erwin K. Bauer ganz genau um. Schließlich kuratiert er gemeinsam mit Lilli Hollein traditionell das „Labor“. Einen Ort und eine Gelegenheit für Designer, von ihrem Tagesgeschäft ins Experiment abzuzweigen. Diesmal führt sie Bauer in die ehemalige Orangerie des Palais Schwarzenberg und schwört sie auf das Arbeitsthema ein: „Cut/Reset“ heißt es programmatisch. „Durch bewusste Einschränkung soll eine neue Vielfalt im Arbeiten entstehen“, erklärt Bauer. Inspiriert vom neuen Minimalismus möchte er die Designer zu einem „Offline-Experiment mit ganz wenigen vorgegebenen Mitteln“ herausfordern.

Papierwerk. Auch in verschiedenen Showrooms der Stadt tauchen neue gestalterische Ansätze auf: Der Papierhersteller Fedrigoni etwa lud sieben Designer ein, Mode aus Papier zu schneidern. Auch Christiane Gruber, ihr Label heißt Awareness & Consciousness, knetete, zähmte und nähte in ihrem Atelier in der Lindengasse 25 ein Material, mit dem sich Modedesigner nicht täglich auseinandersetzen: „Sirio 115 g Ultra Black“ von Fedrigoni.
Ein schwarzes Papier, das sich recht widerspenstig gibt, erzählt Gruber. Samt papierinhärenter Tendenz zu brechen, wenn man daraus ein Kleid machen will. Was natürlich, so Gruber, auch eine ästhetische Qualität hat. „Schließlich habe ich es mit Latex eingeschmiert“, sagt sie. So wurde es weicher, das Nähen leichter und die Shilouette fließender. „Eine spannende Erfahrung“ für eine Designerin, die ihre Entwürfe gern dem Material und seiner Charakteristik unterordnet. Ihre neueste Papierkreation ist nun im Fedrigoni-Showroom in der Kirchengasse zu sehen. 

Tipp

Passionswege I. Das Designerduo mathak + mahlknecht bei der Stani-
Polsterei. Bis 3. 10. in der Gärtnergasse 5.
Passionswege II. Studio Pedrita aus Portugal bei der Glaserei Stiefelmeyer,
Weyrgasse 6, bis 3. 10.
Fabulous Zwischenwald. Work in Progress bis 5. 10, Bürgerspitalwiese 11, U3, Station Zippererstraße
Labor. In der Festivalzentrale im Palais Schwarzenberg experimentieren Kommunikationsdesigner: Viktor Matic aus Italien, Viktor Suszter, Rita Koralevics aus Ungarn sowie
Les Avignons aus Graz.
Bis 5. 10.
Paper Couture. Im Fedrigoni-Showroom zeigen
sieben Modedesigner ihre Entwürfe aus Papier. Stiftgasse 21/13. Bis 3. 10.

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