Stilfigur: Refugium

Die Telefonzelle als urbane Nische des gepflegten Ferngesprächs.

Gesichter verbringen fast mehr Zeit am glatten Handydisplay als auf dem kuscheligen Polster. Früher war das Telefonieren ja noch generell eine kuschelig-cosy Angelegenheit. Ein bequemer Sessel zu Hause, ein Beistelltischchen. Draußen hatte man eine Hütte, in die man sich hineinstellte, von der man auch wildfremde Menschen anrufen konnte, die Nummern standen ja in dicken Büchern. Erinnern Sie sich? Jetzt wird das Mobilsein als Segen gefeiert, obwohl es ein Fluch ist. Taekwondo-Training, Supermarktkassa, jeden Tag kommen hundert ungünstige Gelegenheiten dazu, bei denen man anrufen könnte. Und dann muss man noch hilflos im Kreis marschieren, wenn man ausnahmsweise nicht dringend wo hinmuss. Im Stadtbild ziehen die Menschen Kreise, wie früher die Kugelschreiber auf dem Kritzelblock. Dabei stehen doch noch 13.500 Telefonzellen in ganz Österreich, in die man sich verkriechen könnte. In fast jeder Gemeinde zumindest
noch eine, brüstet sich A1. An 30 kann man sogar Strom tanken, an vielen auch E-Mails verschicken. Die Nutzer sind u. a. „Handybesitzer mit leerem oder defektem Akku“, sagt A1. Aha. Müssten halt wieder die Designer gestalterisch zu den Menschen sprechen: Geht in die Hüttln! Da rauscht kein Wind, da bleibt man trocken, da hört man den anderen besser, und kein anderer hört’s. Da ist man unbeobachtet. Da ist man garantiert nicht beim Taekwondo.

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