Doris Lind: Buchbeseelte Räume

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Die Grazerin Doris Lind überzieht Räume mit Bilderwelten und
Geschichten: „Interieur-Design mit Büchern“ nennt sie das.

Es sei besser geworden, sagt Doris Lind. Sie renne nicht mehr leicht hysterisch durch die Wohnung, wenn sie „den Arno Geiger“ nicht mehr findet. Heute kann sie gar nicht mehr vergessen, wer ihre Lieblingsbücher gerade hat. „Ich borge einfach keine Bücher mehr her“, sagt Lind. Neue besorgt sie sich trotzdem regelmäßig. Auch wenn sie viele davon nicht selbst behält. Doris Lind legt, stellt und platziert Bücher nicht nur bei sich – von der Küche bis ins Bad –, sondern in erster Linie in den Räumen anderer. Vor allem in Hotels praktiziert die Grazerin ihr „Interieur-Design mit Büchern“. So richtet sie Räume mit ganzen Welten ein, die sich zwischen den Buchdeckeln erschließen. Auf Tischen, Fensternischen und Regalen installiert sie gleichsam Wurmlöcher aus Papier und Karton, die in die Tiefe eines anderen Kosmos führen. Räume haben definierte Grenzen, „aber Geschichten machen die Welt unendlich“, sagt Lind.

Tiefenstruktur des Raumes. „Das beste Gefühl ist es, die neuen Bücher auszupacken.“ Wie damals als die Lieferung von 200 Stück nach Zell am See kam, die Lind ausgesucht hatte. Bestellt wurden sie für die „Bibliothek des Glücks“, die sie für das Designhotel Wiesergut in Hinterglemm eingerichtet hat. Bevor sie dort Bilderwelten, Geschichten und Handlungsfäden auslegte, musste sie erst einmal die Geschichte ihrer Auftraggeber kennen: „Im Gespräch finde ich heraus, was die Menschen ausmacht, und was sie auf Ebene der Bücher widerspiegeln kann“, erzählt Lind. Daraus zieht sie einen roten Faden heraus und fädelt ihn in ein Interior-Buch-Konzept ein. Bei Marina und Josef Gröll vom Hotel Wiesergut war es das „Glück“ oder: „Bücher zu Themen, die glücklich machen“. Für die Hoteliers in Hinterglemm gehören dazu die Verbundenheit mit der Natur, das Leben in den Alpen, kulinarischer Genuss sowie Kreativität. Mit Beispielbüchern im Gepäck hat Lind schließlich im Designhotel eingecheckt. Gemeinsam suchte man Bilderwelten und Inhalte, in denen sich die Grölls und die Identität des Hotels wiederfinden konnten. „Bücher vertiefen die Welt, sie spiegeln sie wider und erweitern sie“, sagt Lind.

Eine Liste von Coffee Table Books, aber auch von Anthologien, Gedichtbänden und ausgewählten Romanen wurde daraus. Mit den Büchern kann man in die Persönlichkeit, in die Lebens- und Stilwelt der Hoteliers hineinblättern oder einfach das Buchcover auf sich wirken lassen, schließlich sind „Bücher ja auch immer Bilder“. Und diese kann man an die Aufgabe, die Räume und die Umgebung anpassen, in Hinterglemm war es etwa die Farbigkeit der archaischen Bergwelt. „Gerade von klassischen Geschichten gibt es ja ganz unterschiedliche Coveroptionen“, erzählt Lind.

Ausdrucksstark. „Bücher sind Ausdruck der Persönlichkeit und des Charakters. Und das auf ganz unterschiedlichen Ebenen“, meint Lind, „Bücher beseelen Räume.“ Fast 90.000 Bücher erscheinen im deutschprachigen Raum jedes Jahr, keine leichte Wahl, welches Buch sie jemandem auf das Fensterbrett legen würde, oder auch zur gemütlichen Ofenbank, wie etwa im Hotel Wiesergut. Inzwischen arbeitet sie nicht nur für andere, sondern auch an sich selbst: „Ich versuche jetzt, Bücher als Gebrauchsobjekte zu sehen. Nicht mehr als Heiligtümer.“ Jetzt dürfen sie auch Eselsohren haben. Und wenn sie nicht gefallen, spätestens bei der Hälfte, müssen sie sogar gehen, weil „Lesezeit ist Lebenszeit“. Trotzdem tun ihr die Bücher manchmal leid, „wenn sie so allein herumstehen müssen mit mir in einem Raum“, in einem so begrenzten Universum, obwohl doch zwischen ihren Buchdeckeln eine neue, unbegrenzte Welt beginnt.

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