Fuori Salone: Die Stadt, ein Schaukasten

(c) Andrea Affaticati
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Der Fuori Salone, die Mailänder Designwoche, glitzerte wieder vor lauter innovativer Ideen.

Ippolita Rostagno hegt einen großen Traum: dem italienischen Kunsthandwerk wieder auf die Beine zu helfen. „Die ganze Welt beneidet uns Italiener um unsere Kunst- und Handfertigkeit“, sagt sie, „nur wir selbst schätzen sie eher gering.“ Die gebürtige Florentinerin arbeitet seit über 30 Jahren als Schmuckdesignerin in New York. Vor einem Jahr hat sie den gesamten italienischen Stiefel nach Kunsthandwerkern abgeklappert. Beim Fuori Salone hat sie schließlich in einer Mailänder Galerie eine Auswahl der Werke vorgestellt, auf die sie gestoßen ist, darunter auch einen riesigen holzgeschnitzten Spiegel vom Florentiner Daniele Nencioni, der ihn nach Michelangelos Meisterwerk „Tondo Doni“ benannt hat. Oder auch die in ihrer Detailtreue fast schon rührenden Glasblumen der Mailänderin Lilla Tabasso.

Das Kunsthandwerk war eines der großen Themen des Fuori Salone, jener Events und Ausstellungen, die jedes Jahr die Mailänder Möbelmesse begleiten. Von ehemaligen Fabrikhallen bis zu den Palazzos des Brera-Viertels – kaum eine Location bleibt ungenutzt. „Das Verlangen nach identitätsstiftenden Produkten hat in letzter Zeit enorm zugenommen“, meint Giacomo Moor, einer der aufstrebenden jungen italienischen Designer, der zugleich gelernter Tischler ist, als er bei Slow Wood seine Kommode „Clip“ vorstellt. Auch bei den österreichischen Design Pioneers, die sich wieder einmal in der legendären Sporthalle La Pelota präsentierten, waren das Handwerk und seine Qualitäten einer der roten Fäden, die die Objekte österreichischer Designer und Hersteller inhaltlich zusammenhielten. Von den Neuen Wiener Werkstätten über Wittmann, Team 7, die Tischlerei Forcher aus Tirol bis zu Lobmeyr waren Hersteller, ihre Produkte und deren Schöpfer vertreten, die traditionelle Handwerkskunst gern in ihren Projekten mitverarbeiten.

(c) Andrea Affaticati

Startschuss. Die Designwoche gehört ganz Mailand, die Eröffnung des Fuori Salone diesmal jedoch einzig und allein den ehemaligen Fabrikhallen des Superstudio im Süden des Tortona-Viertels. Schließlich war es „Superstudio, das vor 15 Jahren diese grandiose Designparty ins Leben rief“, bemerkte Giulio Capellini, Grandseigneur der italienischen Möbelindustrie. Ohne Superstudio würde es heute keinen Fuori Salone geben. Damals griff man das Motto von Ettore Sottsass, Alessandro Mendini und Andrea Branzi auf: „Der Fantasie freien Lauf lassen“. In diesem Jahr wurde bei Superstudio Asien groß gefeiert: Japan mit filigran anmutenden Holzmöbeln sowie China. Studenten der Tsinghua University School of Architecture zeigten Prototypen eines fantastischen „1 Km-High Urban-Rural Habitat“, einen Vorschlag, wohin sich die chinesischen Städte entwickeln könnten: in Richtung Himmel, wie gehabt, dafür aber mit neuen ländlichen und ökologischen Qualitäten.

So manches gezeigte Projekt wurde auch von der Mailänder Weltausstellung Expo 2015, die unter dem Motto „Feeding the Planet, Energy for Life“ steht und am 1. Mai startet, inspiriert. Wie etwa „Terzo Paradiso“ vom Künstler Michelangelo Pistoletto, der sich schon seit Längerem der Umgestaltung urbaner Räume in Grünflächen widmet. Diesmal pflanzte er auf dem Dach des Superstudio-Gebäudes ein Reisfeld in der Form von drei elliptischen Ringen. „Der Mensch ist zwar zu Großem fähig“, erklärte der Künstler, „aber auch zu unglaublichen Desastern. Der mittlere Ring soll das mäßigende Bindeglied sein.“

Im Lauf der Jahre ist der Fuori Salone in immer mehr Stadtteile Mailands hineingewachsen. Auch das Viertel Lambrate, das im Nordwesten der Stadt liegt, gehört inzwischen zu Bezirken, die Designinteressierte während des Salone del Mobile kaum auslassen. Hier wurde einst eine der Ikonen unter den Motorrollern produziert: die Lambretta. Heute präsentieren die jungen Designer sowie Designstudenten in diesem Ambiente gern ihre experimentierfreudigen Ansätze und Zugänge. In diesem Jahr waren es über 900 Designer aus 36 Ländern.

(c) Andrea Affaticati

Liaisonen. Vom Pizza-Pappkarton, der sich in eine Do-it-yourself-Lampe verwandelt (www.fattelo.com), zum „Blow Sofa“ aus recycelbarem Papier der Polen Agata Kulik und Pawel Pomorski konnte man die außergewöhnlichsten Ideen bewundern. Großes Interesse erweckte das deutsche Designduo Gutedort – Jennifer Hier und Eva Schlechter –, das Objekte und Schmuck aus Tierinnereien schuf. Andere gingen wiederum der Liaison zwischen Mode und Design nach, wie Davide Dell’Acqua für Craaft, ein Unternehmen, das normalerweise für die Labels Chanel und Givenchy arbeitet. Auch Louis Vuitton beschäftigte sich mit dem Thema. In einem Jugendstilpalazzo im zentral gelegenen Corso Venezia stellte man äußerst inspirierte „Objets Nomades“ vor: Darunter „Maracatu“, eine aufhängbare Reisegarderobe aus Restlederstreifen der Brüder Campana, sowie den „Swing Chair“ der spanischen Designerin Patricia Urquiola.

Von frühmorgens bis spätabends pilgerten die Menschenmengen durch die Stadt, auf dem Weg in die Ausstellungen, zu den Partys und den Installationen, die die Stadt überzogen. Wie auch im Ehrenhof der Università Statale. Dort erinnerte das Werk des Bühnenarchitekten Valerio Maria Ferrari, „Opera Food“, sehr an Pop-Art. Es hatte die Form eines gigantischen feuerroten Mundes, ausgestattet mit Bildschirm und Tasten. Wählen konnte man unter verschiedenen Opernausschnitten. Am häufigsten hörte man Puccinis „Libiamo ne’ lieti calici“. Wer weiß, vielleicht sollte es ein Toast auf die Expo 2015 sein, die am 1. Mai startet.

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