Design Miami in Basel: Der letzte Schliff

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In der Kunst- und Kreativhochburg Basel gastierte zum zehnten Mal die Design Miami. Swarovski stellte bei der Gelegenheit seine Designer der Zukunft vor.

Im Eingangsbereich der Unlimited, der kuratierten Begleitausstellung zur Art-Basel-Kunstmesse, drehte sich zuletzt der deutsche Physikerkünstler Julius von Bismarck zentrifugalstabilisiert auf einer mit Holztisch und -stuhl karg möblierten Scheibe im Kreis. Die schöngeistigen Scharen hielten inne und ließen sich von Bismarcks schwindlig stimmender Darbietung am Rand einer Verkaufsveranstaltung, auf der Kunst mit einem Gesamtwert von über drei Milliarden Euro angeboten wurde, bereitwillig unterhalten. Geschäftemachen ermüdet eben.

Ein paar Meter weiter, in einer anderen Halle des Messegeländes, konnte man zwar nicht ganz so viel Geld ausgeben wie auf der Art Basel, dafür hätte von Bismarck dort mühelos etwas weniger spartanische Möbelstücke auftreiben können: Parallel zur Kunstmesse fand nämlich, zum mittlerweile zehnten Mal, die Design Miami Basel statt, also der Schweizer Ableger der in Florida beheimateten Designmesse. Und während es zumindest von den zu Investitionszwecken auf der Art Basel gekauften Kunstwerken heißt, sie würden bloß in einen der großen Schweizer Kunstspeicher übersiedeln, werden die Designobjekte in ihrer überwiegenden Mehrzahl wohl tatsächlich in einem Wohnraum Einlass finden.

(c) APA/EPA/GEORGIOS KEFALAS (GEORGIOS KEFALAS)

Ein Haus aus Papier. Das Publikum ist aber anspruchsvoll, und so kam auch die Design Miami Basel nicht ohne artig kuratiertes Begleitprogramm aus. So verantwortete der amerikanische Immobilien- und Hoteltycoon André Balazs, im Begleitheft origineller- und nicht ganz unrichtigerweise als „architecture collector“ ausgewiesen, die Ausstellung „Design at Large“: Diese versammelte sehr großformatige Objekte an der Schnittstelle zwischen (Fertigteil-)Architektur, Design und Kunst, oft mit Pavilloncharakter. Mit dabei war etwa das „Original Dwelling“ des Ateliers van Lieshout, das im Designkontext von der in London und Paris beheimateten Carpenters Workshop Gallery vertreten wird. Notiz am Rande, zum Thema mitunter verschwimmender Grenzen zwischen Kunst und Design passend: Auf der Art Basel war Atelier van Lieshout ebenfalls zu finden, da aber am Stand der Wiener Galerie Krinzinger.

Ebenfalls bei „Design at Large“ zu sehen waren ein papierenes Teehaus von Pritzker-Preis-Gewinner Shigeru Ban und die „Total Filling Station“ von Jean Prouvé, vertreten von der Pariser Galerie Patrick Seguin. Einen Stock höher dann die Verkaufsausstellung – wenn man das schnöde Wort gebrauchen möchte: Beim Stand von Seguin war nochmals ein Prouvé-Pavillon mit Möbeln von Charlotte Perriand zu sehen; ein Reminder, dass die von Balazs kuratierten Stücke auch käuflich sind (ganz wie auf der Unlimited der Art Basel übrigens). Insgesamt 45 Designgalerien stellten auf der Design Miami Basel aus, vielerorts gab es in erster Linie Klassiker des 20. Jahrhunderts zu sehen. Ab und zu, etwa bei Carpenters Workshop, auch zeitgenössische Arbeiten, zumeist Editionen oder Einzelstücke – unter anderem von dem in Paris lebenden Österreicher Robert Stadler. Gleich daneben standen Sessel von Franz West, während, apropos Österreich, die Ausstellungsfläche der New Yorker Patrick Parrish Gallery zur Gänze dem Atelier Carl Auböck gewidmet war.

Wer sich für Designimpulse aus Fernost interessierte, wurde etwa beim Stand der in Los Angeles und Peking ansässigen Gallery All fündig: Mit Zhoujie Zhang, Naihan Li und Chen Lu werden drei junge Kreative ausgestellt, die allesamt ihre Ausbildung in Europa oder Amerika absolviert haben und nun in ihre Heimat zurückgekehrt sind, wo zumindest Zhang auch selbst an einer Universität unterrichtet.

Als nonkommerzielle Auflockerung zwischendurch fanden sich Beiträge, die Teil des Design-Curio-Programms waren: Partner der Messe hatten Kreative eingeladen, einen Ausstellungsstand zu bespielen. Die Kunst-Onlineplattform Artsy wandte sich etwa an die Schweizer Produktdesignerin Sibylle Stoeckli, die in Basel Ergebnisse ihres „Global Research Project“ präsentierte und, so die Organisatoren, zugleich Anbindung an die Schweizer Kreativszene gewährleisten sollte.

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Zukunftsdesigner. Einer der Höhepunkte dieser Aus gabe der Design Miami war für viele Besucher wohl die Präsentation der erstmals auserkorenen Designers of the Future von Messepartner Swarovski. Das Duo Azusa Murakami und Alexander Groves, gemeinsam als Studio Swine firmierend, außerdem Tomás Alonso und Elaine Yan Ling Ng waren von einer Jury unter dem Vorsitz von Nadja Swarovski ausgewählt worden. In der Folge hatten sie mehr oder weniger Carte blanche für die Gestaltung eines Messestandes, und die Ergebnisse waren ebenso vielfältig, wie es die Profile der Designer nahelegen.

Der sehr konkret, nah am zu gestaltenden Produkt arbeitende Alonso legte etwa mit „47°“ eine Serie stiller Kristallobjekte vor, die sich ohne Weiteres kommerzialisieren ließen. Yan Ling Ng schuf eine von fleischfressenden Pflanzen inspirierte, auf Klang reagierende biomorphe Installation, und Studio Swine drehten gar einen Science- Fiction-Kurzfilm, der den Bogen von Feuersteinen bis hin zu sandkorngroßen Swarovski-Kristallen schlug. Zu dem Vorbereitungsprozess für die Präsentation in Basel gehörte für die Designer ein Besuch in Wattens, wo sie in das Swarovski-Archiv Einsicht nahmen und Details zu Herstellungsverfahren und Verwendungsmöglichkeiten erfuhren. „So eine Recherchereise mache ich eigentlich jedesmal, wenn ich mit einem neuen Kunden zu arbeiten beginne“, bemerkte Tomás Alonso. „Ich will wissen, wie Prozesse ablaufen, wie alles funktioniert, wo ein Unternehmen herkommt. Das ist eine wesentliche Grundlage meiner gestalterischen Arbeit.“

So wurde die Tatsache, dass bei 47-Grad-geschrägten Kristallflächen Licht entweder gebrochen oder absorbiert wird, zum Ausgangspunkt seiner Entwurfsarbeit. Einige Tabletop-Objekte, ein Spiegel, ein Mobile und Leuchten für Tisch, Wand und Plafond waren das Ergebnis seiner Arbeit, mit der sich Alonso zufrieden zeigte: „Ich glaube, es ist mir gelungen, eine neue Designsprache für das Material zu finden und hoffe, damit etwas geschafft zu haben, was auch dem Auftraggeber gefällt.“

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Neue Welten. Von einem Blick in die Archive mit Ausstattungsarbeiten für Hollywood ließen sich wieder die beiden Kreativen des Studios Swine inspirieren: „Wir arbeiten selbst oft mit Filmen, die für uns als Hintergrund der Gestaltung von Objekten funktionieren“, erklärte Azusa Murakami. „Die Gegenstände designen wir gewissermaßen als Ausstattung für den Film. Archivmaterial zur Präsenz von Swarovski bei Hollywood-Produktionen bestärkte uns darin, auch diesmal diese Arbeitsweise anzuwenden.“ In „Terraforming“ erzählen Murakami und Alexander Groves von einem Kristallplaneten, den es urbar zu machen gilt. Für die beiden war die Verwendung von Kristall eine Premiere, ebenso wie für Elaine Yan Ling Ng, die bemerkte: „Der Besuch in Tirol hat mir aber gezeigt, dass das Material zu mir passt.“

Begeistert von den Ergebnissen der Gestaltungsarbeit zeigte sich die Schirmherrin des Designers-of-the-Future- Wettbewerbs und Präsidentin der Swarovski-Firmenstiftung. Für Nadja Swarovski liegen die Vorteile dieser Initiative auf der Hand: „Wir müssen uns ständig weiterentwickeln, und dazu gehört es auch, junge Talente zu unterstützen, ob in der Mode oder im Produktdesign. Das ist sozusagen Teil unserer Evolution.“

Bei der Zusammenarbeit handle es sich um ein Geben und Nehmen, beziehungsweise um das gemeinsame Ausloten von Grenzen des Machbaren. „Wir pushen einander gegenseitig, und das bringt uns weiter bei der Beantwortung der Frage, wie man ein Produkt machen kann, das lebendig ist“, so Swarovski. In der Vergangenheit sehr erfolgreiche Geschäftsfelder, die mit der Firma eng assoziiert werden – mögliches Stichwort: Kristalltiere – seien nicht unbedingt jene mit dem größten Wachstumspotenzial. „Für die Zukunft brauchen wir also neue Ideen, die Wünsche unserer Kunden ändern sich“, fasst Nadja Swarovski zusammen.

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Reise in die Zukunft. Schon bei der Eröffnung der Kristallwelten in Wattens sprach sich Swarovski gegenüber einem Modemagazin für eine Bündelung der verschiedenen Designstränge in der Position eines Kreativdirektors aus, und in Basel bekräftigt sie diesen Gedanken: „Würde es nach mir gehen, könnten wir zwei Kreativdirektoren im Unternehmen haben: einen für Schmuck, einen für Home-Dekor. Das sind zwei sehr unterschiedliche Bereiche, die aber für uns sehr wichtig sind. Und über ihnen könnte es dann nochmals eine Instanz geben, die den Überblick über alles hat.“ Diese neue Gewichtung von gehobenem Wohndesign und Innenausstattung erklärt wohl auch, wieso man ausgerechnet auf der Design Miami erstmals die Gestalter der Zukunft vor den Vorhang geholt hat. Fürs Erste ist diese Initiative auf drei Jahre ausgelegt, die Suche nach gestalterischen Impulsen geht also zumindest bis 2017 weiter. Ob Swarovski dann schon in der eigenen Zukunft angekommen ist, wird sich weisen.


Der Autor reiste auf Einladung von Swarovski nach Basel.

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