Le Corbusier: Architektur auf neuen Pfeilern

(c) Centre Pompidou
  • Drucken

Vor 50 Jahren starb Le Corbusier. Seine Ideen wirken noch heute deutlicher nach, als vielen lieb ist.

Sie hat es ja nur gut gemeint, die Moderne. Welt verändern, Welt verbessern, solche vordergründig sympathischen Dinge kamen ihren Proponenten gern in den Sinn. Vieles hat trotzdem, architektonisch und städtebaulich vor allem, ganz schön böse geendet. Kein Wunder, dass die Architekturmoderne in der Gegenwart kein allzu gutes Renommee genießt. Besonders unter jenen, die als Laien auf die Architektur und Stadtplanung des letzten Jahrhunderts schauen. Viele seufzen erleichtert, dass Le Corbusier emsiger an Manifesten, Doktrinen, Regeln und theoretischen Schriften geschraubt und gefeilt hat als an konkreten Bauprojekten. Der Wandel, rasend schnell wie Auto und Flugzeug, stürzte auf die Menschen ein, als Charles Edouard Jeanneret beschloss, die Prinzipien von Architektur und Gestaltung mit zu stürzen. Unter dem Namen Le Corbusier. Da wurden aus Möbel Maschinen zum Sitzen, aus Häusern Maschinen zum Wohnen. Luft, Licht, Lebensqualität wollte er den Städten mit der Betonbrechstange eintrichtern. Am liebsten auch Paris. Dort, wo er die meiste Zeit seines Lebens gelebt hat. Und wo derzeit eine Ausstellung im Centre Pompidou auf sein Werk und seine Ideen milde zurückschaut: Der Titel „Le Mesures de l’Homme“ bezieht sich auf den Modulor, ein Proportionsschema, das Le Corbusier ausgehend von den Maßen eines Durchschnittsmenschen (1,83 Meter) entwickelt hat. Wer bis Anfang August nicht in Paris vorbeikommt, der kann auch in Buchform zurückblicken: „Le Corbusier und die menschlichen Maße“ erscheint im Züricher Verlag Scheidegger & Spiess.

(c) Beigestellt

Großmaßstäblich. Wer baut und konstruiert, dem blüht bisweilen auch die Demontage: In dieser Disziplin übten sich in den letzten Jahrzehnte die Kritiker reihenweise. Auch Wilhelm Kücker hielt sich in „Das Ego des Architekten“ nicht zurück: Als Le Corbusier darlegte, wie man bauen sollte, hatte er selbst noch gar nichts gebaut, merkte Kücker an. Zunächst hatte er sich eher dem Malen gewidmet, Ölbilder vor allem, oder dem Bauplan seiner Manifeste. „Apres le Cubisme“ hieß sein künstlerisches, Anfang der 1920er-Jahre. Schließlich konnte sich Le Corbusier doch nicht zurückhalten und propagierte selbstbewusst die fünf Punkte des neuen Bauens. Die Stütze war einer davon. Genauso wie die freie Grundriss­gestaltung, Fensterbänder und Dachgärten. Dinge, die auch heute sanftere Architekturrevolutionäre gerne bemühen. An der berühmten Villa Savoye in Poissy etwa, nördlich von Paris, lassen sich Le Corbusiers strenge Prinzipien noch heute gut ablesen. „Dieses Haus ist kein Heim, sondern eine Bürde“, soll jedoch Madame Savoye befunden haben, spöttelt Kücker.

Städtebau. In größerem Maßstab konnten die Ideen der Moderne der Architektur noch übler zusetzen, den Städten vor allem. „Der Kern unserer alten Städte muss zerschlagen und durch Wolkenkratzer ersetzt werden.“ Solche Ansagen hatte Le Corbusier haufenweise im Repertoire. Letztendlich musste er sich mit den zwölf Etagen begnügen, die seine Unité d‘Habitation in Marseille hoch wurde, samt integrierter Kinder- und Dachgärten. Die Stadtmoloche, die sich in der rapiden Industrialisierung zusammengebraut hatten, wollte er mit Licht, Luft und Grün durchspülen. Wohnen, Arbeiten und Freizeit isolierte er in seinen städtebaulichen Konzepten voneinander.

(c) Beigestellt

Verhängnisvoll für viele Städte, die noch heute darunter schmerzlich leiden. Heute hingegen gehören Mix und Mischung zum Grundvokabular der Stadtplaner. In seiner Schrift „Urbanisme“ (auf Deutsch: „Städtebau“, der Reprint ist in diesem Jahr im DVA Verlag erschienen) monierte er: „Der Esel hat alle Städte des Kontinents gezeichnet. Auch Paris leider“. Und: Der Weg des Esels sei krumm. Auf diversen Plänen wollte Le Corbusier Paris diesen Makel sprichwörtlich ausradieren. Eine gute Straße biegt sich nicht. Kurven mochte Le Corbusier nur auf Rennstrecken, er liebte die Geschwindigkeit, das Auto, die Rennwagen. „Die Gerade ist gesund und edel“, schrieb er. Seine eigene Edelmut hatte auch seine Grenzen: Während des zweiten Weltkrieges hatte er sich mit dem französischen Vichy-Regime arrangiert. Weil er sich davon Aufträge versprochen hatte.

Ikonisch. Auf die Möbelentwürfe Le Corbusiers hat sich exklusiv ein Hersteller draufgesetzt: Cassina. 1964, ein Jahr vor seinem Tod, unterschrieb er die Verträge. Der italienische Hersteller produziert die LC-Kollektion nunmehr 50 Jahre, die Urheber sind Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriant. Das Jubiläum lässt sich Cassina natürlich nicht entgehen, launcht dafür Geburtstagseditionen, lässt die Schaufenster des Showrooms von Architekten und ihren Installationen bespielen.In Abstimmung mit der Le Corbusier Stiftung tastet sich der Hersteller auch in Richtung sanfte Material- und Farberneuerung: In der Limited Edition des Designikone LC2 „Maison La Roche“ darf das Stahlgestell deshalb auch mal mokkabraun sein.

Tipp

„Mesure de l’Homme“ . Die Ausstellung läuft bis 3. August im Centre Pompidou in Paris. Der Katalog „Die menschlichen Maße“ erscheint auf Deutsch bei Scheidegger & Spiess, scheidegger-spiess.com Mesure Städtebau. Der Reprint von Le Corbusiers Manifest erschien im DVA Verlag, www.dva.de

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.