Mark Braun: „Gestaltung macht stolz“

„Kapitän“. Seit 2006 gibt es das Studio Mark Braun, seit 2009 mit Team.
„Kapitän“. Seit 2006 gibt es das Studio Mark Braun, seit 2009 mit Team.(c) Nomos Glashütte/S. Asmus
  • Drucken

Der deutsche Produktdesigner Mark Braun sieht die Welt mit Berliner Augen.

Direkt vom Flughafen Tegel kommt Mark Braun an einem warmen, sonnigen Donnerstagabend in den Showroom seiner Berliner Werkstatt. Die zwei großen Reisetaschen aus Stoff lässt er auf den Boden gleiten, er selbst wirft sich recht salopp auf einen der Stühle, die in dem kleinen, kühlen Raum bereitstehen, die Jacke nimmt Braun gar nicht erst ab, sondern greift nach den Weintrauben auf dem Tisch – drapiert, selbstverständlich, in einer Mark-Braun-Holzschale, der „Turn“, die er 2014 für e15 entworfen hat.

Nach Berlin ist Mark Braun 1997 gezogen – und seither ist die Stadt Dreh- und Angelpunkt für ihn und seine Projekte. „Für mich als Gestalter ist Berlin gut wegen der Freiräume“, sagt Braun. Hier, in seiner Werkstatt in Treptow, entstanden und entstehen die Möbelstücke, Schalen, Lampen, Gläser, „Alltagsprodukte“ – wie der Designer sie nennt – des Studio Mark Braun. Sein Tischbock „m01“ für Thonet for minimum wurde dieses Jahr mit dem German Design Award ausgezeichnet, er arbeitet mit e15, Nomos Glashütte, Lobmeyr, Northern Lightning.
„Ich denke, Gestaltung macht subtil stolz, glücklich, aggressiv, gleicht aus. Das Produkt funktioniert einerseits, und es ist einem geholfen. Die Form, die Farbe, und man fühlt sich wohl.“ Produkte, sagt Braun, könnten Halt geben, „oder einfach nur einmal fröhlich sein“.

Preistragend. Für den Tischbock gab es den German Design Award.
Preistragend. Für den Tischbock gab es den German Design Award.(c) Magdalena Lepka

Für die Zeit. Die Marke Studio Mark Braun existiert seit 2006; zehn Jahre, in denen sich der 40 Jahre alte Produkt- und Industriedesigner, der auch an der Hochschule der bildenden Künste Saar unterrichtet, zu einer Größe in der deutschen Designlandschaft entwickeln konnte. „Weniger Produkte, aber bessere Produkte“, das sei es, was ihn antreibe, sagt Braun: „Die Funktion, die Materialqualität, die Herstellungsbedingungen müssen allesamt auf einem guten Level sein. Zu einem Preis, der jetzt aber niemanden bluten lässt.“ Vereint hat Braun diese Ansprüche an sich selbst wohl in der Uhr „Metro“ für Nomos Glashütte; sie wurde im vergangenen Jahr mit dem German Design Award ausgezeichnet.

„Man spricht ja von demokratischem Luxus. Ich finde das gut. Denn er entschleunigt: Die ‚Metro‘ kostet 2600 Euro, das ist jetzt keine Angeberuhr, aber als Normalverdiener kaufst du dir danach trotzdem nicht gleich drei weitere Uhren. Es ist ein Produkt, das einmal bleibt, das langlebig ist.“ Manche seiner Handwerkskollegen kritisiert Braun dabei für ihre Realitätsferne. „Klar, der Designer ist manchmal der abgehobene Nerd ohne Ahnung vom Verkauf. Manche wollen aber ein Super-High-End-Produkt und haben gleichzeitig keine realistische Vorstellung von dem, was sich die Zielgruppe denn leisten kann.“
Ein Problem, das häufig auf Kosten der Qualität ausgetragen werde. Braun, gelernter Tischler, hat hier einen pragmatischeren Zugang; schon früh in seiner Studienzeit wurde er von seinem Professor, dem Industriedesigner (und gelernten Kaufmann) Hermann Weizenegger, für das Unternehmerische, Selbstständige begeistert und arbeitete auch für den Designer Guido Englich in der Strategie- und Konzeptentwicklung. „Ich will selbst der Kapitän meines eigenen kleinen Schiffes sein, wenn ich schon so viel arbeite.“

Organisch. Bildhauerarbeit mit Funktion: die „Turn“-Schale.
Organisch. Bildhauerarbeit mit Funktion: die „Turn“-Schale.(c) E15

Das „kleine Schiff“, das Studio Mark Braun, wuchs auf eine Mannschaft an: Drei Assistenten arbeiten heute mit Braun in seiner Berliner Werkstätte, beheimatet in einer ehemaligen Fabrik, in der zur Zeit der DDR Schallplatten hergestellt wurden; typisch Berlin. „Es ist wichtig, dass ich die Creative Direction mache.“ Aber allein, sagt er, würde er mittlerweile wohl ausflippen.

Partnerschaftlich. Die letzten Arbeiten des Studios waren etwa ein Regal, ursprünglich von Braun für seine Frau gebaut, mit Hartô, oder ein Rasierset für die deutsche Firma Mühle – die Produzenten sind also eine Mischung aus zeitgeistigen Labels und Traditionsunternehmen. Braun beherrscht Autoren- wie Dienstleisterdesign genauso wie die Arbeit für jüngere Produzenten oder etablierte Handwerksunternehmen. „Es gibt diese Firmen, die sind modisch und sehr im Jetzt. Bei Traditionsunternehmen gefällt mir die Haltung, und das Wissen: Die liefern ab.“ Braun sucht beides, er sucht bei beidem vor allem den Dialog. „Es ist genial, wenn man beides schafft: einerseits Markenwerte mit der eigenen Handschrift zu übersetzen. Oder, andererseits, ganz pur ein Produkt zu gestalten und es dann anzubieten.“ Nur ein universelles Problem scheint er zu haben: „Marketingleute, die denken, sie seien Designer. Die wollen meine Arbeit einkaufen, und kriegen mich dann gar nicht, sondern wieder sich selbst.“

Und dann sagt Braun einen Satz, den er eigentlich gar nicht mag: „Design is a bitch.“ Im Umkehrschluss bedeutet das aber: „Wir alle müssen Partnerschaften leben. Ich suche mir deswegen meine Kunden aus, dann kann ich sagen: Ich habe mich bewusst für diese Beziehung entschieden. Und eine konstruktive Auseinandersetzung macht eine Beziehung nicht unbedingt schlechter.“

Berliner Schule

Einblick in die Berliner Designszene erhalten Geneigte Anfang Juni beim DMY International Design Festival Berlin (2. bis 5. Juni). In einem stillgelegten Kraftwerk treffen dort etablierte Marken auf junge Designer, Motto: „Odyssey 2016“. Zusätzlich wird ihm Rahmen des Festivals mit der „Berlin Design Expo“ ein besonderes Augenmerk auf Berliner Designer gelegt: eine Art „Leistungsschau der Berliner Designlandschaft“, wie man es bei DMY formuliert. Gerade nachbereitet wird unterdessen das Festival State of Design, das Anfang Mai zum ersten Mal über die Bühne ging: An verschiedenen Orten der Stadt wurde nicht nur ausgestellt, sondern auch über die Entwicklungen in der Szene diskutiert. Das Festival soll nun jährlich stattfinden.

www.dmyberlin.com,
www.stateofdesign.berlin

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.