Möbelhaus Seliger: Zeigen, was man hat

Schauen. Gregor Eichingers Storekonzept spielt  unoberflächlich mit Oberflächen.
Schauen. Gregor Eichingers Storekonzept spielt unoberflächlich mit Oberflächen.(c) Christine Pichler
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Das Möbelhaus Seliger will sich neu erfinden: Wien-Gersthof hat somit jetzt sein eigenes James-Bond-Bösewichthauptquartier.

Wenn sich ein Wiener Unternehmen, das seit 1909 am gleichen Standort befindet, neu erfinden will, kann das gründlich schiefgehen. Immerhin könnte man mit dem Zeitgeist gehen – und nur mit dem Zeitgeist gehen. Insofern ist es ein erfreulicher Umstand für die Familie Göbel, dass sie ihr Geld in einer Zeit in die Neugestaltung des Unternehmens Seliger gesteckt hat, in der Nachhaltigkeit die Ultima Ratio zu sein scheint.

Nachhaltig soll heißen: längerfristig schön. Längerfristig qualitätsvoll. Längerfristig nutzbar. Das betrifft die Corporate Identity des Möbelhauses (das sich jetzt Seliger Bespoke Furnishing, Einrichtung nach Maß also, nennt). Und gleichermaßen, wenn nicht sogar ein bisschen mehr, die Räumlichkeiten des Betriebs am oberen Ende von Wien-Währing beziehungsweise am unteren von Wien-Gersthof. Zum Glück, möchte man sagen: Das Möbelhaus liegt direkt zwischen S-Bahn-Gleisen und der Strecke des Busses 10A – und den Eindruck, den Architekt Herbert Panek vom früheren Gebäude hatte, dürften viele der Busfahrgäste geteilt haben: „Das Haus sah ja aus wie ein 1970er-Jahre-Küchenstudio.“ Und so gar nicht nach „der Adresse für Maßmöbel in Wien“, die man eben bei Seliger sein möchte. Panek, langjähriger Freund des Hauses Seliger/Göbel und als Architekt in die Generalplanung vieler Seliger-Aufträge involviert, wurde damit beauftragt, diese Küchenstudioerscheinung zu transformieren; entstanden ist ein flexibles, vierstöckiges Gebäude, das in den unteren Etagen Produktion und in den oberen Showrooms und Büros (die wohl zu den schönsten ihrer Art in Wien zählen) beherbergt.

Kommen. Architekt Herbert Panek schuf die neue Außenhülle für die Firma.
Kommen. Architekt Herbert Panek schuf die neue Außenhülle für die Firma.(c) Christine Pichler



Bar im Showroom. Innen drinnen, in Paneks Hülle, ist aber das, was man bei Seliger gut können will. Holz­decken. Holzböden. Gepolsterte Stiegenläufe. Grundlage für den neuen Showroom, der im vorderen Teil ganz Concept Store ist, mit hochpreisigen Vasen, Tassen, Kerzen, Postkarten, Beuteln; daneben sitzen direkt beim Eingang die Chefplaner des Hauses, und wenn man Lust dazu hat, kann man ihnen die Bürosessel unter dem Hintern wegkaufen. Im hinteren und unteren Teil entfalten sich allerdings die Einrichtungswelten des Wiener Unternehmens – besonders begrüßenswert, dass dabei als Grundform der Wiener Altbau angenommen wurde. Und: Hier kommt ein weiterer glücklicher Umstand des Relaunchs zum Tragen.

Denn die Göbels, die steirische Unternehmersfamilie mit Tischlerei an der Teichalm seit 1874 und Betreiber des Hauses Seliger wie auch der Wiener Tischlerei Jirka, riefen für die Innengestaltung den Wiener Designer Gregor Eichinger („Oberflächengott“, wie ihn manche nennen) an. Gut auch die Anforderung: Eichinger solle etwas entwerfen, das zeige, was man bei Seliger alles bauen könne. Jetzt hat Wien nämlich eine Bar, die direkt aus der Designabteilung des James-Bond-Gehilfen Q stammen könnte, phantastisch und extravagant, steuerbar und pneumatisch höhenverstellbar und durchdacht, auch in ästhetischer Hinsicht. „Verschiedene Aggregatzustände“ solle die Bar des Showrooms haben, sagt der Designer, sich wandeln von Espresso- zur Champagner- zur Cocktailbar. Da gehen verspiegelte Vitrinen auf, die Theke wird automatisch länger oder kürzer, japanische Kimonoleuchten fahren aus der Decke aus, wenn es Richtung Cocktail geht – zu dem will man Kunden mit Kunstvernissagen nach Gersthof locken. Der Bezug der Bar nimmt Anleihe bei den Nähten des Modeschöpfers Azzedine Alaïa, die Maserung eines Schranks ist Eichingers Interpretation der verwunschenen Josef-Frank-Blumenmuster, welche sich als Motiv weiterzieht auf die Wand der Bar. Dazu ringsum das „Wiener Geflecht“, das Muster, das sich – von Eichinger entworfen – auf Holzdielen, Fliesen und Bezügen fortsetzt. Zwei Jahre lang hat Eichinger an der Ausstattung gearbeitet.

Bauen. Eveline Maleks und Georg Herbsts Küche ist ein modularer Arbeitsraum.
Bauen. Eveline Maleks und Georg Herbsts Küche ist ein modularer Arbeitsraum.(c) Christine Pichler

Ein weiteres Konzept für den Relaunch: die Edition Seliger. Innenraumentwürfe von Designern, in der Tat Architekten, kann man im Haus in Gersthof besichtigen und adaptieren lassen für die eigenen vier Wände. Losgelöst vom Möbelhaus handelt es sich dabei um durchaus spannende, neue Konzepte, die die Studios Freymüller und Malek Herbst entwickelt haben. Die Architekten Julia Frey und Roland Frey-Müller widmeten sich dem Entrée, das in ihrer Edition nun als Trickkiste mit optischer Täuschung und pistazienfarbenen Akzenten daherkommt und den „meistens sehr kleinen Eingangsbereichen Raum geben“ soll, wie Frey sagt. Mit verschiedenen Elementen, die sich um ein schwarzes Gitter drapieren und eine Außenfassade zitieren (Platz für Blumen im Blumenkistchen, die Glasvitrine als Schaufenster, Regalböden als Zeitungswand beim Trafikanten), wird Gästegarderobe von der intimeren eigentlichen Garderobe abgetrennt – das System funktioniert modular. Genauso, wie es entwickelt wurde; das Ursprungsstück war die Glasvitrine, daraus entstand immer mehr, auch die Zusammenarbeit mit Seliger überhaupt kam für das Studio Freymüller dadurch: „Wir fanden sonst niemanden, der die Vitrine so bauen konnte.“

Modular. Auch der Editionsraum von Malek Herbst ist modular. Eine Einbauküche mit dem Anspruch hoher Qualität für Menschen, die gerade damit beginnen, ihre Lebensräume einzurichten. Das heißt: Kasten um Kasten wird eingesetzt, deren Innenausstattung ist völlig frei gestaltbar, die Oberflächen können aus Gold, Marmor, Holz sein, nur das Trägergerüst aus eloxiertem Aluminium bleibt in seiner Anlage gleich. Regale können offen bleiben, mit Büchern oder Kräutertöpfen gefüllt, Schreibtischlampen eingebaut werden. Sprechen Eveline Malek und Georg Herbst über die Küche, klingt das stark nach Philosophie und sehr nach dem Zeitgeist: „Die Küche verändert sich, der Nutzer entscheidet, wie“, sagt Malek, „der Qualitätsanspruch bleibt aber heutzutage immer ein hoher, immerhin leistet sich auch jeder einen Apple-Computer.“

Ziehen. Julia Frey und Roland Frey-Müller entwarfen ein Entrée für die Edition Seliger.
Ziehen. Julia Frey und Roland Frey-Müller entwarfen ein Entrée für die Edition Seliger.(c) Christine Pichler

Auch Georg Eichinger wurde um eine Edition gebeten. Und während Küche und Entrée ja dann doch recht praktikabel, um nicht zu sagen althergebracht sind, entschied sich der Designer für ein relativ aus der Zeit gefallenes, aber in seinen Augen dringend notwendiges Zimmer: das Boudoir, „ein verloren gegangener Raum zwischen privater und öffentlicher Zone“, sagt Eichinger. Sein Boudoir für Seliger ist oval, in den dadurch abgetrennten Ecken verbergen sich wahrliche Schatzkammern, Türen in andere Welten: eine knallig-magentarot, eine andere im Fifties-Stil mit Furnier ausgelegt, der Champagnerkühlschrank steht parat mit gegossenen Henkeln in Bananenform. So viel stilvoll montierte Extravaganz in einem Raum scheint eigentlich unmöglich.

Tipp

Destination. Das umgemodelte Möbelhaus Seliger samt Editionsschauräumen in Gersthof ist ab
13. 6. zugänglich.
www.seliger.at

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