Möbel: Die Liebe zur Geometrie

Dreifaltig. Couchtisch „Tria“, entworfen von Michael Holzer und Stefan Bartel.
Dreifaltig. Couchtisch „Tria“, entworfen von Michael Holzer und Stefan Bartel.(c) Michael Holzer
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Möbel werden „grafischer“, behaupten die Trendbeobachter: Dabei waren sie es im Grunde schon immer.

Das Terrain des Möbeldesigners misst sich in Längen, Breiten und Tiefen. Schließlich sind es Räume, in denen seine Entwürfe letztendlich stehen, keine Flächen. Denn um diese kümmern sich vor allem jene Gestalter, die auf ihren Visitenkarten gern auch „Grafik-“ vor ihrem Designerberuf vermerken. Die Ideen des Möbeldesigners fügen sich in Nischen und Ecken, ducken sich unter Fenster, erheben sich über den Fußboden. Das Layout, das sie bearbeiten, ist das Interior Design. Und doch haben Möbel immer auch zweidimensionale Erscheinungsformen. Nicht nur im Layout und auf den Hochglanzseiten der Wohnmagazine, sondern auch im Entwurfsprozess, ganz zu Beginn, haben sie zumeist eine Dimension weniger als im realen Wohnkontext, vor allem, wenn sie als Skizzen entstehen. Und selbst wenn die Möbel schließlich tatsächlich körperhaft in den Wohn- und Lebensräumen der Menschen stehen, kann man sie noch immer rein grafisch, zweidimensional, betrachten.

„Wenn man die Ansichten von Möbeln getrennt aufgliedert, also von der Seite, von hinten, von oben, erkennt man die grafischen Ansätze mancher Entwürfe noch stärker“, sagt Michael Holzer. Er selbst fühlt sich in zweidimensionalen Layouts, bei monochromen Logos und digitalen Fotos genauso zu Hause wie zwischen Stühlen und Tischen, die er selbst entwirft – er ist Grafik- und Produktdesigner zugleich. So versieht er Marken, Kulturinstitutionen oder Vereine genauso gestalterisch mit einer Identität wie seine Möbel, die manchmal sogar im Namen schon verraten, dass der Zugang ein grafischer ist: Der Couchtisch „Tria“ etwa, bei dem die Gestaltungsidee vor allem um das Dreieck als zentrales Element kreist, das den Kreis trägt, die Tischplatte. Als Grafikdesigner arbeitet Holzer in Linz unter anderem auch für die Creative Region Upper Austria. Doch der Zugang zum Möbel- wie zum Grafikdesign sei oft ein ähnlicher, meint er, vor allem, wenn er über die Hand funktioniert, die zunächst einmal den Stift über das Papier oder das Grafiktablett führt. Da gehe es gestalterisch vor allem um Proportionen, Anordungen, Flächenaufteilungen und Linienführungen, sagt Holzer.

Zackig. Gerrit Rietvelds Stühle  „Zig Zag“, im Jahr 1934 für Cassina entworfen.
Zackig. Gerrit Rietvelds Stühle „Zig Zag“, im Jahr 1934 für Cassina entworfen.(c) Beigestellt

Klare Formensprache. Manche Hersteller kultivieren gerade umso stärker diesen grafischen Zugang. Einer von diesen ist etwa der spanische Hersteller Treku. Er macht die Nutzer und Konsumenten selbst zum Möbelgrafikdesigner. Verschiedene Rahmen bilden das Grundgerüst für Low- oder Sideboards, diese lassen sich mit unterschiedlichsten, flächigen, streng geometrischen Elementen in verschiedenen Farben und Holzarten füllen, die man individuell platzieren kann. So entsteht ein Tetris-Effekt, mit dem immer neue grafische Frontansichten von Side- und Lowboards arrangiert werden können. „Grafisch“ ist ein Attribut, das gerade in den vergangenen Monaten gern an den Möbelneuheiten klebt. Genauso wird synonym – dafür mit deutlicher Bedeutungsunschärfe – „geometrisch“ verwendet. In Möbel, die Trendbeobachter oder auch die Hersteller selbst so bezeichnen, sieht Designer Holzer vor allem Folgendes: „Eine reduzierte, klare, geometrische Formensprache.“ Manchmal bleibt allerdings geometrisch nicht viel mehr übrig als ein Kreis oder ein Rechteck. „Diese Formen werden dann entweder flächig oder als Konturen, die die Anmutung von Linien im Raum haben, eingesetzt“, sagt Holzer.

Grafische Gestaltung und Produktgestaltung, das geht bei vielen Designern Hand in Hand. Gut, manche Designer, wie etwa der Deutsche Stefan Diez, erzählen, dass sie gern bei renommierten, befreundeten Artdirektoren nachfragen, welche Farb-, Form- und Gestaltungstrends die Grafikszene gerade bestimmen. Artdirektor Mirko Borsche etwa, der unter anderem die Gestaltung des „Zeit“-Magazins verantwortet, gehört da etwa zum kreativen Freundeskreis des Münchners. Borsche selbst wagt sich hingegen im Gegenschritt auch in die dreidimensionale Designwelt: Inzwischen hat er im „Zeit“-Magazin selbst eine Kolumne, in der er Designobjekte evaluiert und kritisiert. Auch erfolgreiche österreichische Designer wie Thomas Feichtner oder das Duo Walking Chair verbinden grafischen und Produktdesignhintergrund. Gerade bei Feichtners Entwürfen – für etliche nationale und internationale Hersteller und Manufakturen – braucht man keinen guten Willen, um ihnen anzusehen, dass sie ursprünglich als Skizzen und unter der Führung eines „grafischen“ Auges und einer künstlerischen Hand entstanden sind. Bei Walking Chair sind der zwei- und dreidimensionale Zugang – für den einen sorgt Fidel Peugeot, für den anderen Karl Emilio Pircher – Teil ihres Designverständnisses. „3-D + 2-D = 5-D“ lautet ihre Formel, die sich auch in Entwürfen abzeichnet, die vor allem Farben und unkonventionelle grafische Zugänge nicht scheuen. Auch an der neuen Möbelserie „Garnitur“, die Walking Chair gemeinsam mit der Manufaktur Kohlmaier in Wien entwickelt hat und während der Vienna Design Week Ende September präsentiert, lässt sich das grafisch-kompositorische Talent der Gestalter deutlich ablesen.

Rund. Stuhl „Zyklus“ von Peter Maly für Cor aus dem Jahr 1983.
Rund. Stuhl „Zyklus“ von Peter Maly für Cor aus dem Jahr 1983.(c) Beigestellt

Aufräumen mit dem Stilwirrwarr. „Grafische Möbel sind auf ihre geometrischen Grundformen reduziert“, sagt Michael Holzer, „vor allem beim flächigen Einsatz von Farben und Formen.“ Als Bei­spiel nennt Holzer den Beistelltisch „Schroeder  1“ von Gerrit Rietveld: ein Klassiker, der 1922 entworfen worden ist. „Charakteristische Linienführungen, akzentuierte Teilungen – das macht ,grafisches‘ Design aus“, meint Holzer. Der Entwurfsprozess in der Welt der zwei oder drei Dimensionen starte ohnehin ähnlich, sagt Holzer: „Ich beginne immer mit einer Handskizze, bei Pro­dukten mit einzelnen 2-D-Ansichten. Oft geht es dann um die Anordung, Proportion, Aufteilung von Flächen.“ Die Überführung von der zweiten in die dritte Dimension, „das ist der heikelste Schritt im Prozess“.

Auch der deutsche Designer Peter Maly gilt als Liebhaber der einfachen geometrischen Formen. Vor allem auch aus einem Grund: Er schätzt nicht nur die materielle Nachhaltigkeit, sondern auch die ästhetische. Viele seiner Entwürfe tragen Namen, als wäre Geometrisches Zeichnen sein Hauptfach gewesen. Die Stühle „Circo“ oder „Zyklus“ etwa; der deutsche Hersteller Cor produziert sie heute noch. „Ich bin stark vom Bauhaus geprägt“, erzählt Maly, „und das Bauhaus hat ja versucht, mit dem Stilwirrwarr aufzuräumen und zu den einfachen Formen zurückzufinden.“ „Einfache geometrische Formen, das sind Formen, die man nicht verbessern kann, sie sind perfekt, so wie sie sind“, meint Maly. Aber vor allem haben diese Formen einen großen Vorteil: die Langlebigkeit. „An solchen Formen kann man sich nicht sattsehen. Sie sind instinktiv richtig.“

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