Teppiche: Alles ist verwoben

Tradition. In dem Teppichbetrieb im rumänischen Heltau werden die Teppichgarne selbst gesponnen.
Tradition. In dem Teppichbetrieb im rumänischen Heltau werden die Teppichgarne selbst gesponnen.(c) Beigestellt
  • Drucken

Ein Vorarlberger Unternehmen lässt in Transsilvanien Teppiche weben: ein globales Werkstück.

Walter Aigner sitzt am Steuer seines Kleinbusses und fährt in dann doch recht hohem Tempo über eine dann doch recht unbefestigte Straße. Der Vorarlberger ist auf dem Weg nach Heltau von Ziegental; das ist kein Landstrich in seinem Heimatbundesland – sondern ein Romadorf in Rumänien, gelegen zwischen den beeindruckend schönen, sanften Hügeln Transsilvaniens. Aigner kennt das Land hier gut: Es ist, tatsächlich, seine zweite Heimat, hier hat er ein Haus, hier verbringt er viel Zeit. Der Unternehmer aus Thüringen im Walgau hat Ende der 1990er-Jahre beschlossen, seinen Betrieb teilweise in die Region rund um Sibiu – Hermannstadt – zu verlegen, hier die Teppiche von Tisca weben zu lassen. Und er liebt es, Gästen das Land rund um seine Produktionsstätte in Heltau zu zeigen. In den Hallen der Tisca-Fabrik arbeitet etwa auch zu der Zeit eine Schweizer Kunststudentin an einem Teppich, der in einem Zusammenspiel aus Metallfäden und Stromfeldern Sounds erzeugen soll.

Wolken aus Wolle. Tisca stellt Teppiche her, die in Möbelhäusern wie Lutz, Kika, Leiner und über kleinere Raumausstatter vertrieben werden; handgewebt an großen Stühlen. 250 Tonnen Wolle im Jahr werden in den Tisca-Fabriken im Jahr verarbeitet. Ein Schaf liefert pro Jahr zwei bis drei Kilo Wolle. In der Fabrik in Heltau führen die Arbeiter von Tisca beinahe jeden Arbeitsschritt vom Spinnen bis zum Vernähen der Randleisten am fertigen Teppich selbst aus. Überwiegend Frauen arbeiten in dem Betrieb, Männer sieht man eigentlich nur in den großen Hallen, in denen die ungesponnene Wolle sowie anderes Material und Gerät gelagert wird. „Die Webstühle sind sehr niedrig gebaut – in Frauengröße“, meint Aigner auf die Frage, warum die Männer an den Webstühlen fehlen.

(c) Beigestellt

Die Wolllagerhalle sieht aus wie ein riesiges Zuckerwattedepot. In allen erdenklichen Farben hängen große Wolken aus den Regalen, safrangelb, lavendelblau, meergrün, rosenrot. Bis aus den großen Ballen schließlich Teppiche werden, dauert es allerdings. Die Wolle wird – in der Regel – um einen Jutefaden gepresst, danach so behandelt, dass sich keine Flusen mehr vom Teppich ablösen können. In den Kammern, in denen die langen Wollschlangen anschließend getrocknet werden, riecht es genau so wie am Berliner U-Bahnhof Alexanderplatz.

Die Mittel, die für einen Teppich von den Arbeitern in Heltau verwoben werden, kommen aus der ganzen Welt – die Kettfäden aus Italien, das Nähgarn aus Österreich, die Jute aus Indien und Bangladesch, gefärbt wird die Wolle unter anderem in Norddeutschland; zum Großteil kommt sie aus Neuseeland – wobei auch in Rumänien die Schafe sehr zahlreich grasen. Die Wolle sei allerdings unbrauchbar, meint Aigner; die Schäfer würden nicht auf das Fell der Tiere achten, es sei dreckig und mit Pflanzensamen und -kletten voll. Zudem gibt es in ganz Rumänien keine Wollwäscherei. 80 Prozent der rumänischen Wolle würde weggeworfen werden – und tatsächlich, an den Feldern, an denen Aigner mit seinem Kleinbus vorbeibrettert, sind die Felle aufgestapelt. Sie werden am Ende angezündet.

(c) Beigestellt

Verknüpfungen. Aigners Vater holte Tisca in den 1960er-Jahren aus der Schweiz nach Österreich – im Prinzip ein Familienbetrieb. 60.000 Teppiche wurden 2015 vom Unternehmen produziert – aus Wolle handgewebt, doppelseitig verwendbar, in einem „natürlichen Stil“, wie Aigner das Design beschreibt: Sein Bruder Christoph Aigner, der Kunst in Barcelona und Stuttgart studiert hat, ist für die Dessins zuständig, die jeder Käufer schließlich im Laden kombinieren kann – eine Auswahl aus Strukturen und Farben. Rund sechs Wochen dauert es bis zum angefertigten Teppich. Der größte Konkurrent seines Teppichgeschäfts, meint Aigner, sei im Übrigen „die Fernreise“. Die Kunden würden sich im Regelfall für klassische Teppiche entscheiden, in Natur- oder Weißtönen, erzählt Aigner; dennoch stünden aber knapp 100 Farben zur Auswahl – „sonst würden wir langweilig wirken.“

Aigner hatte 2012 die Produktion der Teppiche vollständig nach Rumänien verlagert. Tatsächlich nutzte sein Unternehmen 1997 den Konkurs des Teppichbetriebs Covtex, bei dem zuvor 5000 Menschen gearbeitet hatten, und übernahm Webstühle. In Heltau – dem Hauptproduktionsstandort der Tisca – ist das Textilgewerbe nach wie vor stark vertreten. „800 Meter weiter oben ist die nächste Weberei“, sagt Aigner, auch wenn sie, wie er betont, wesentlich kleiner sei.

Wandel. „Wirtschaft ist nicht stationär“, sagt der Vorarlberger Unternehmer Walter Aigner.
Wandel. „Wirtschaft ist nicht stationär“, sagt der Vorarlberger Unternehmer Walter Aigner.(c) Beigestellt

Der Mindestlohn in Rumänien liegt etwa bei 250 Euro. Dass er steigen wird, davon geht Aigner zwar aus, seine Produktion erneut verlegen will er aber nicht. Den Niedergang der Vorarlberger Textilindustrie betrauere er nicht, meint er; ab den 1980er-Jahren, erinnert er sich, habe er keine Leute mehr in Vorarlberg gefunden, die für Tisca hätten arbeiten können. „Es ist eben ein stetiger Wandel. Es gibt keine stationäre Wirtschaft: Die Hartkäserei ist auch erst vor 400 Jahren nach Vorarlberg gekommen.“

Die Reise der Autorin erfolgte auf Einladung der TISCA Textil GmbH & Co KG.

Jubilieren. Veranstaltungen, Feiertage wurden für die SED zu Motiv-Anlässen.
Jubilieren. Veranstaltungen, Feiertage wurden für die SED zu Motiv-Anlässen.(c) Beigestellt

Teppichkunst im Staatsdienst

Es war ein Zufallsfund im Keller. Einem Keller in Münchenbernsdorf, um genau zu sein, einer kleinen Stadt in Deutschland – eine Autofahrstunde südlich von Leipzig, eine östlich von Erfurt. Das Unternehmen Carpet Concept hatte hier nach der Wende die örtliche Webfabrik weitergeführt; der Geschäftsführer von Carpet Concept war es auch, der die Teppiche schließlich fand – Wandteppiche mit Motiven aus Politik, Sport, dem täglichen Leben, der Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik. Was schon einst Könige und Kaiser für eine glorreiche Idee hielten, setzte man auch in der DDR um: Repräsentation in Form von Wandteppichen. Vor allem in den 1950er-Jahren, aber auch später, ­ließ die Staatspartei SED Veranstaltungen, Jubiläen und Errungenschaften der DDR via Teppichmotive feiern.

32 dieser kulturhistorischen Schätze werden nun erstmals in Berlin ausgestellt. Sie sind einerseits Propagandateile, andererseits Belege von Handwerksqualität und Kunstfertigkeit. „Zwischen Kunst und Politik. Wand­teppiche aus der DDR von 1955 bis 1989“, 8. Dezember 2016 bis 19. Januar 2017, Architekturforum Aedes, ­Christinenstraße 18–19, Berlin-Prenzlauer Berg,
www.aedes-arc.de

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.