Kinderzimmer: Großes für Kleine

Erwartungshaltung. Kleine Nutzer, große Ansprüche: Kindermöbel von Nidi.
Erwartungshaltung. Kleine Nutzer, große Ansprüche: Kindermöbel von Nidi.(c) Beigestellt
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Zu Hause bleiben, in der Fantasie reisen: Das Kinderzimmer ist ein guter Ort dafür. Vor allem, wenn es klug gestaltet ist.

Da ist sie, die Spielwiese: Oft ist sie für die Eltern auch das erste Kinderzimmer. Endlich Platz für Fantasie, auch die eigene. Endlich Raum für Anarchie, gestalterische. Denn in keinem anderen Raum ist es so verführerisch, ein paar Dinge über den Haufen zu werfen wie Kinder ihre Bauklötze. Gestaltungsregeln und Designprinzipien bieten sich da vor allem an, sie purzeln im Kinderzimmer gern ins bunte Durcheinander. Schließlich wollen manche Eltern nicht nur die Dinge und Wünsche der Kinder in ihrem Zimmer verstauen, sondern auch die eigenen unerfüllten Sehnsüchte. Das Piratenschiff, das man selbst nie hatte. Das Hochbett, das Mama nie erlaubt hat. Und dazwischen soll auch noch das ganze Spielzeug Platz finden.

Hin und her. Einen Schaukelpferd-Entwurf widmete Nendo der „Kartell for Kids“-Familie.
Hin und her. Einen Schaukelpferd-Entwurf widmete Nendo der „Kartell for Kids“-Familie. (c) Beigestellt

Süßlich, kitschig, lustig, verspielt. Hinter der Kinderzimmertür liegt eine Welt, in der sich Erwachsene aus- und Kinder herumtoben. Zumindest: Designer und Architekten bestehen gern darauf, dass das Kinderzimmer genauso viel gestalterische Aufmerksamkeit und Genauigkeit verdient wie andere Räume. Denn: Kinderzimmer müssen vor allem einmal funktionieren. Das verspielteste Sonne-Mond-und-Sterne-Bett hilft wenig, wenn das Kind darin schlecht schläft. Doch eines sollten Kindermöbel vor allem nicht sein: Miniaturausgaben der Erwachsenmöbelwelt, meint Nicola Daxberger. Gemeinsam mit ihrer Schwester Alexandra Schnögass-Mück bildet sie das Duo, das als „Raumelfen“ durch die Kinderzimmer schwirrt, bevor sie fertige Kinderzimmer sind. Von der Josefstadt in Wien aus zaubern sie Einrichtungskonzepte in die Baby-, Kinder- und Jugendzimmer des Landes. Dazu bedienen sie sich auch am Repertoire internationaler Kindermöbelhersteller, etwa Nidi aus Italien oder Roomstar aus Deutschland. Auf jeden Fall: Kleine Möbel – oder Möbel für die Kleinen – müssen Großes leisten. „Schließlich sind Kinderzimmer oft alles auf einmal“, sagt Daxberger. Schlaf- und Wohnraum, Gästeempfangsraum, Tobe- und Ruheraum. Verschiedenste Funktionen verdichten sich hier. Daxberger spricht vom Haus-im-Haus-Prinzip: „Schlafen, spielen, lernen, kuscheln, anziehen, lesen, knotzen, Gäste empfangen, das alles muss in einem Zimmer vereint sein.“ Eine vielfältige Lebens- und Erlebniswelt soll sich im besten Fall dort auftun, die Stauraum, Schrank, Arbeits-, Spiel- und auch Kuschelbereich umfasst. Und das, womit Kinder am intensivsten beschäftigt sind, sollte möglichst auch die Möbeldesigner beschäftigen: das Wachsen. „Man soll auch in jedem Fall darauf achten, dass die Möbel langfristig mitwachsen und ohne viel Aufwand gemäß der Entwicklung des Kindes adaptiert werden können“, meint Daxberger.

Eins. Die „Wonderbox“ von Richard Lampert schiebt die Funktionen ineinander.
Eins. Die „Wonderbox“ von Richard Lampert schiebt die Funktionen ineinander.(c) Beigestellt

Anspruchsvoll. Schlichtheit macht sich im Reich der Kinderfantasie manchmal besser als expliziter Überfluss an visueller Stimulation – à la Piratenfeenmäuseparkgaragenwunderland mit Holzeisenbahnanschluss. Dort bewegen sich Kinder zwar gern. Aber genauso gern in Dekorationskonzepten, die weniger Vorgaben machen. „Wir betrachten es als falsch, Kindern bestimmte Formen wie Auto oder Schloss aufzuzwingen. Thematisch kann man hier besser und effektvoller mit Textilien arbeiten und stört so auch nicht die Fantasie des Kindes“, meint Daxberger. Oft konstruieren sich die Kinder ohnehin ihre eigenen Architekturen – die Höhlen, in die sie sich gern zurückziehen, die Türme, von denen sie gern Ausschau halten, oder die Spielwiesen, auf denen sie herumpurzeln. Nur das richtige Baumaterial muss man ihnen zurechtlegen.

Wenn man den Möbeln allerdings schon etwas ansehen kann, dass sie Stühle oder Tische sind, empfiehlt es sich, das Konzept der Nutzungsoffenheit zu pflegen. Was die Designmöbel der Erwachsenen gerade mühsam von den Gestaltern eingetrichtert bekommen, gute Kindermöbel sind es fast wie selbstverständlich – möglichst undogmatisch. Sie diktieren nicht, wie man mit ihnen umgeht, was auf ihnen passiert, wie man sich mit ihnen oder auch auf ihnen verhält. Ein bisschen vorschreiben, wie etwa „Nicht runterfallen“, das machen schon die Eltern. Auch Daxberger sieht das so: „Indirekte Suggestion empfiehlt sich nicht. Kindern sollte nicht vorgegeben werden, was sie mit den Möbeln machen sollten.“ Noch eine andere Eigenschaft lässt sich in vielen guten Kindermöbeln ablesen, die auf den Erwachsenenmöbelmessen längst zum Trendrepertoire gehören, nämlich das Hybride. „Sei mehr als ein Tisch“ lautet da etwa einer der Gestaltungsimperative. Als Material der Wahl fürs Kinderzimmer plädiert Nicola Daxberger von den „Raumelfen“ vor allem für eines: „Holz in jeglicher Form. Es ist einfach das ehrlichste, bodenständigste und gesündeste Material.“

Nestbau. Das „Family Garage“-Kinderbett von Richard Lampert wächst mit.
Nestbau. Das „Family Garage“-Kinderbett von Richard Lampert wächst mit.(c) Beigestellt

Design-Miniaturen. Richard Lampert aus Deutschland ist etwa einer der Hersteller, die ästhetische Ansprüche im Kinderzimmer, aber auch die mitwachsende Funktionalität ziemlich ernst nehmen, in ein und demselben Entwurf. Die „Famille Garage“ ist ein Konzept, das das Kinderzimmer als Werkstatt versteht. Der Designer Alexander Seifried entwickelte dafür einen Baukasten, der den Möbeln das Mitwachsen mit den Kindern ermöglicht. Deshalb hat die Wickelkommode auch nicht nach drei Jahren einfach ausgedient: Die Kommode wird zum Regal, das Wickelbrett zur Tischplatte. In bunten Kunststoffboxen verschwinden dann Spielzeug und sonstige Dinge. Auch ein Bett gehört inzwischen zur Familie, der Lattenrost lässt sich auf drei Stufen absenken, das Bett wächst in die Länge wie die Kinder, von 120 auf 160 cm.

Nestbau. Das „Family Garage“-Kinderbett von Richard Lampert wächst mit.
Nestbau. Das „Family Garage“-Kinderbett von Richard Lampert wächst mit.(c) Beigestellt

Doch auch Firmen, die Kunstoff in der Designwelt kultiviert haben (man denke nur an Kartell), haben längst das Kinderzimmer als Spielwiese der Designerideen entdeckt. Im vergangenen Jahr hat der italienische Hersteller „Kartell for Kids“ gelauncht, eine Kollektion, für die namhafte Designer in die Welt der Kinder eingetaucht sind. So hat das japanische Designbüro Nendo ein minimalistisches Schaukelpferd beigesteuert, der treue Kartell-Designer Philippe Starck eine Schaukel, auch Versionen des inzwischen ikonischen Louis-Ghost-Stuhls im Kindermaßstab gehören jetzt zum Repertoire. Für den Präsidenten von Kartell, Claudio Luti, war es nur naheliegend, dass der Hersteller sich auch den Kindern intensiver widmet: „Wir haben uns immer wohlgefühlt in der Nähe gestalterischer Experimentierfelder. Und Kindermöbel gehören auf jeden Fall dazu.“

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